Die erkennungsdienstliche Behandlung - Teil 3
zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten bzw. zum Zwecke des Erkennungsdienstes nach den §§ 14 Abs. 1 Nr. 2 und 10 PolG NW bzw. 81b 2 StPO – Fortsetzung
Es ist zwingend erforderlich, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach beiden o.g. Vorschriften für den konkreten Einzelfall ausführlich begründet wird.
Dabei reicht es nicht, formelhafte und insbesondere formularmäßige Ausführungen zu benutzen, die auf annähernd jeden Fall der Anordnung einer ED-Behandlung passen. Die Begründung muss für jeden Fall genau darlegen, warum es unumgänglich ist, ausnahmsweise die erkennungsdienstliche Behandlung bei dieser Person und wegen dieses Deliktes und sofort zu vollziehen.
Die ED-Behandlung kann somit trotz der (beabsichtigten) Anfechtungsklage aufgrund der sofortigen Vollziehbarkeit durchgeführt werden.
(Anmerkung: bei Anwendung von § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO hängt die tatsächliche Durchführung der Maßnahme letztendlich aber wieder von der zeitlichen Dringlichkeit/Verhältnismäßigkeit ab. Denn im Vorladungsfall hätte man der Person ja auch 1–2 Wochen Zeit gelassen, oder?! Sie kann ja nicht schlechter gestellt werden, nur weil sie sich gerade „zufällig“ auf der Dienststelle befindet).
Macht die Person aber jetzt von der Möglichkeit des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung oder auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bei der Behörde bzw. beim Gericht Gebrauch (§ 80 Abs. 4 u. 5 VwGO), so ist unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu prüfen, ob die Vollstreckung des Verwaltungsaktes zunächst ausgesetzt wird bis das Verwaltungsgericht bzw. die anordnende Behörde eine Entscheidung trifft.
Insbesondere in den Fällen des § 80 2 Nr. 2 VwGO kann die Maßnahme naturgemäß sofort – ohne Berücksichtigung der Anträge – durchgeführt werden!
Eingehende Klagemitteilungen sowie sonstige Schreiben, die die Anordnung der ED-Behandlung sowie die Anordnung der sofortigen Vollziehung der ED-Behandlung betreffen, sind im Original (ggf. mit einer Stellungnahme der anordnenden Dienststelle) unverzüglich dem Datenschutzbeauftragten oder einem anderem Verantwortlichen der Behörde zuzusenden29.
Verfahren bei nicht auf der Dienststelle anwesenden Personen
Eine nicht auf der Dienststelle anwesende Person wird zur Vernehmung/Anhörung zunächst (falls nicht schon erfolgt oder Beweislast ist erdrückend) vorgeladen. Erscheint sie, erfolgt im Anschluss an die Aussage die Anhörung nach § 28 VwVfG und die Begründung der ED-Behandlung. Erscheint sie nicht, kann sie gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 PolGNW / § 81 b 2 StPO zur ED-Behandlung vorgeladen werden. Die Vorladung soll schriftlich30 erfolgen. Zuvor ist die Person noch mit Fristsetzung anzuschreiben31, um sie über die beabsichtigte ED-Behandlung zu unterrichten und ihr dadurch Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, siehe § 28 VwVfG.
Alle Schreiben zur ED-Behandlung und zur Anhörung sollten mit Postzustellungsurkunde erfolgen oder gegen Empfangsbekenntnis.
Soll von der Anordnung der sofortigen Vollziehung abgesehen werden, so sind die entsprechenden Passagen auf dem Vordruck zu streichen. Will der Betroffene Anfechtungsklage einreichen, so sind die Unterlagen zur Prüfung an einen Behördenbeauftragten zur Entscheidung abzugeben. Eine ED-Behandlung unterbleibt zunächst.
Wird keine Anfechtungsklage bekannt, erscheint die Person aber trotzdem nicht zur ED-Behandlung, so kann die Vorladung, nachdem sie unanfechtbar geworden ist (einen Monat nach Bekanntgabe), zwangsweise durchgesetzt werden.Wenn die sofortige Vollziehung angeordnet wird, kann die Vorladung zwangsweise durchgesetzt werden. Je nachdem wie dringlich die ED-Behandlung ist und wie man die Einsicht des Betroffenen angesichts der Androhung von bestimmten Zwangsmitteln einschätzt, muss im Einzelfall entschieden werden, ob man Zwangsmittel anwendet und wenn ja welches. Die Vorladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung kann und sollte auch direkt mit der Androhung eines Zwangsmittels verbunden werden.
Vor der Androhung der zwangsweisen Vorführung durch unmittelbaren Zwang muss geprüft werden, ob die Androhung eines Zwangsgeldes32 in Betracht kommt. Zum Beispiel ist es möglich, in der Vorladung erst ein Zwangsgeld anzudrohen und wenn der Betroffene dennoch nicht zur ED-Behandlung erscheint, dem Betroffenen einen neuen Termin zu setzen und gleichzeitig die zwangsweise Vorführung (unmittelbarer Zwang) anzudrohen. Die Androhung des unmittelbaren Zwangs kann und sollte dann auch direkt mit der Festsetzung des Zwangsgeldes verbunden werden.
In allen Fällen, wo das Zwangsgeld als unzweckmäßig eingeschätzt wird, kann sofort unmittelbarer Zwang angedroht werden (z.B. wenn die Eilbedürftigkeit sehr hoch ist oder die Person über keine finanziellen Mittel verfügt oder sie in anderen Verfahren auf Zwangsgeld nicht reagiert hat).
Macht die Person von der Möglichkeit des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung oder auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bei der Behörde bzw. beim Gericht Gebrauch (§ 80 Abs 4 und 5 VwGO) , so ist unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu prüfen, ob die Vollstreckung des Verwaltungsaktes zunächst ausgesetzt wird bis das Verwaltungsgericht bzw. die anordnende Behörde eine Entscheidung trifft.
Wie schon oben erwähnt sind eingehende Hinweise auf Anfechtungsklage sowie sonstige Schreiben, die die Anordnung der ED-Behandlung sowie die Anordnung der sofortigen Vollziehung der ED-Behandlung betreffen, im Original (ggf. mit einer Stellungnahme der anordnenden Dienststelle) unverzüglich einem Verantwortlichen der Behörde zuzusenden.
Ausschreibung
Ist die vorgeladene Person (auch nach dem Festsetzungsschreiben zum neuen, zweiten Termin) nicht erschienen und ist der Verwaltungsakt unanfechtbar oder wurde die sofortige Vollziehung begründet, so wäre ein Durchsuchungsbeschluss zu erwirken. Parallel dazu kann eine Ausschreibung in der C-Gruppe (landes-oder bundesweit) erfolgen. Die Anordnungsbefugnis hat die Polizei, die Dauer ist auf drei Jahre beschränkt. Die vorbereiteten ED-Vordrucke wären an zentraler Stelle zu hinterlegen. Wird die Person also „auf der Straße“ irgendwann angetroffen, kann sie sofort der ED-Maßnahme zugeführt werden.
Beachte: bei einer Maßnahme nach 14, 10 PolG/NW ist jedoch – zusätzlich – ein Vorführbeschluss erforderlich, eine Ausschreibung kommt also – während der Antragsphase- nur in den Fällen des § 81 b StPO in Frage.
Vorführung – Durchsuchung:
Wie bereits thematisiert ergibt sich bei einer ED-Behandlung nach § 81 b 2. Alt StPO die Befugnis zur Durchsetzung der Vorladung = Vorführung aus der Vorschrift selbst, anordnungsbefugt ist der Polizeibeamte.
Beispiel: Nach einer Vorladung
mit Anordnung der sofortigen Vollziehung oder
– ohne sofortige Vollziehung – dann nach 1 Monat
ist der Beschuldigte nicht erschienen und er wird zufällig auf der Straße angetroffen…
… Folge: eine Vorführung wäre sofort möglich.
Wenn die ED-Behandlung nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 PolG/NW erfolgen soll, bedarf es für die Vorführung, d.h. dem Verbringen von der Wohnung oder von der Straße zur Polizeidienststelle, – grundsätzlich (siehe aber auch Fußnote 25) – eines richterlichen Beschlusses (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 PolG/NW).
Die Staatsanwaltschaft ist in diesen Fällen nicht antragsberechtigt33.
Unmittelbaren Zwang zur Durchsetzung der Vorführung oder der ED-Behandlung selber darf der Polizeibeamte anordnen, § 50, 55 ff PolG oder 81 b 2 StPO i.V.m. § 57?–66 PolG/NW.
In aller Regel ist absehbar, dass zur Vorführung des Betroffenen oder des Beschuldigten ein Betreten/eine Durchsuchung seiner Wohn- und Geschäftsräume erforderlich ist. Dann ist vorsorglich (ohnehin) eine richterliche Anordnung gemäß §§ 41 Abs. 1 Nr. 1, 42 Abs. 2 PolG/NW beim zuständigen Amtsgericht zu erwirken. Dies gilt für beide Vorschriften, die Staatsanwaltschaft ist auch in diesen Fällen nicht antragsberechtigt (s. wieder Fußnote 33)
Beachte: Nach § 41 Abs. 2 PolG/NW gilt – anlässlich einer Vorführung zur ED-Behandlung – zur Nachtzeit ein absolutes Durchsuchungsverbot, welches auch nicht durch einen Richter aufgehoben werden kann!
Sonderfall der Umwidmung
In der polizeilichen Praxis sind die Fälle nicht selten, in denen zunächst (nur) eine ED-Behandlung nach §§ 81b 1. Alt. oder 163b StPO durchgeführt wird. In der Regel werden Daten wie Fingerabdrücke oder/ und Lichtbildern erhoben, mit denen die Täterschaft im anhängigen Verfahren bewiesen oder ausgeschlossen bzw. die Person identifiziert werden soll. Diese Daten/Unterlagen werden ausschließlich im Ermittlungsvorgang niedergelegt.
Daten der KP 8 (Personenbeschreibung) , deren Erhebung bei einer ED-Behandlung nach § 81b 2. Alt. StPO erforderlich sind, werden regelmäßig wegen mangelnder Notwendigkeit nicht festgestellt (u.a. Größe, Gewicht, Haar- und Augenfarbe).
Im Verlauf der Ermittlungen manifestiert sich nun eine Wiederholungsprognose, d.h. eine ED-Behandlung nach § 81b 2. Alt. StPO wäre zulässig. Der Beschuldigte müsste vorgeladen werden, durch die Anfechtungsmöglichkeiten würde sich die Nutzung der Daten für präventive Zwecke möglicherweise erheblich verzögern.
Nach den §§ 23, 24 Abs. 2 PolG/NW sowie § 481–484 StPO können Daten, die nach § 81b StPO 1. Alt. erhoben worden sind, auch für die Zwecke des Erkennungsdienstes, also der 2. Alt., nachträglich verwandt werden, falls deren Erhebung ebenfalls rechtlich zulässig wäre34. Der Beschuldigte muss über die Umwidmung nach meiner Interpretation nicht informiert werden35. Allerdings müsste ich bei einer – geplanten – Umwidmung vorsorglich die Belehrung nach 14 Abs. 3 PolG/NW durchführen.
Aus technischen Gründen sollten für eine Umwidmung jedoch folgende Unterlagen vorliegen:
FA Bogen („10-Finger-Abdruckbogen“)
auf einer CD-ROM gespeichertes (digitales) Lichtbild
KP 8 mit Angaben zumindest zu Größe, Gewicht, Haarfarbe und Augenfarbe.
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