Wissenschaft  und Forschung

Cybermobbing

Erscheinungsformen,Epidemiologie, Folgen, Prävention


Von Prof. Dr. Herbert Csef, Würzburg1

1 Definition von Cybermobbing


Unter Cybermobbing versteht man die Verleumdung, Belästigung oder Nötigung anderer Menschen über das Internet oder über Mobiltelefone. Synonyme sind die Begriffe Internetmobbing oder Cyberbullying. Umfragen in Deutschland haben ergeben, dass etwa 30–40% der Jugendlichen und jungen Erwachsenen bereits Opfer von Cybermobbing geworden sind. In ihrem umfassenden Werk „Generation Internet“ haben John Palfrey und Urs Gasser2 bereits darauf hingewiesen, dass heutzutage Cybermobbing die größte Gefahr sei, die vom Internet für Jugendliche und Kinder ausgeht. Die Folgen für die Opfer von Cybermobbing sind häufig psychosozialer Rückzug, soziale Isolation, körperliche Stress-Symptome, psychische Störungen und im Extremfall Suizid. Cybermobbing ist eine neue Form von Gewalt und Aggression, die in ihren Dimensionen offensichtlich erst die Spitze eines Eisberges zeigt. Eine besondere Brisanz liegt darin, dass die im Internet veröffentlichten Texte, Fotos oder Videos weiterverbreitet und anderen Menschen zugänglich gemacht werden können. Umfang und Auswirkungen dieser Veröffentlichungen zum Nachteil des Opfers sind somit weitgehend unkontrollierbar und unberechenbar. Da das Internet quasi nichts vergisst, können die verbreiteten Inhalte immer wieder auftauchen, selbst wenn die ursprünglichen Quellen gelöscht wurden.

2 Erscheinungsformen


Es lassen sich direkte und indirekte Formen von Cybermobbing unterscheiden. Bei den direkten kommt es zu einem tatsächlichen Kontakt zwischen Täter und Opfer. In etwa 50% kennen sich Täter und Opfer, meistens bleibt jedoch der Täter anonym, so dass das Opfer gar nicht weiß, von wem die Aggression ausgeht. Diese Unsicherheit erhöht natürlich die Angst und den Leidensdruck. Bei den indirekten Cybermobbing-Formen kommt es zu keinem direkten Kontakt zwischen Täter und Opfer. Die Verleumdung, die Demütigung und Bloßstellung erfolgt über indirekte Wege (z.B. Verleumdung bei anderen).

Folgende direkte Cybermobbing-Formen werden genannt:3

 

  • Flaming – Beleidigungen und Beschimpfungen
  • Harassment – Belästigung und Diffamierung mit „zielgerichteten Attacken“
  • Cyberthreats – Androhung von Gewalt bis hin zu Todesdrohungen
  • Happyslapping – das Opfer wird tatsächlich in demütigender Weise geschlagen, dabei gefilmt und verspottet; das gedrehte Video wird über das Internet verbreitet. Das Happyslapping geht über das übliche Cybermobbing hinaus, da es zu einer realen Körperverletzung kommt. Diese wird dann aber über das Internet zur weiteren Demütigung verbreitet.


Folgende indirekte Formen von Cybermobbing werden differenziert:

 

  • Denigration – Anschwärzen, Gerüchte verbreiten. Über das Internet wird das Opfer vor anderen diffamiert und bloßgestellt, Gerüchte und Lügen werden verbreitet. Zusätzlich können auch demütigende Fotos und Videos verbreitet werden.
  • Impersonation – Auftreten unter falscher Identität; über gefälschte Profile oder gestohlene Passwörter wird eine andere Person vorgegeben und im Namen dieser werden Lügen oder Gerüchte verbreitet.
  • Outing and Trickery – Bloßstellung und Betrügerei; der Täter führt mit dem Opfer eine vermeintliche vertrauliche Kommunikation und suggeriert Ausschließlichkeit, Vertrautheit und Intimität der wechselseitigen Mitteilungen. In Wirklichkeit werden aber alle Inhalte – oft auch vertrauliche Bilder und Videos – an eine große Gruppe weitergeleitet, z.B. der ganzen Schulklasse.
  • Exclusion – Ausschluss und Ausgrenzung; der Täter agiert im Verborgenen mit allen Mitgliedern einer Online-Gruppe und veranlasst diese, das Opfer auszuschließen. Der Ausschluss wird meist mit Lügen, Beleidigungen und Bloßstellungen und Gerüchten begründet. Es geht darum, das Opfer zu isolieren und damit verletzlicher zu machen.

Einige Forscher ordnen auch das Cybergrooming, Cyberstalking, Sexting und Sextortion dem Cybermobbing zu. Bei diesen vier Formen geht es meist um Verstöße gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Wie strafbar diese Handlungen sind, hängt entscheidend vom Alter der Opfer ab. Cybergrooming ist die online-basierte Anbahnung eines sexuellen Missbrauchs von einem Kind. Dies ist die enge Definition, denn Cybergrooming bei Kindern ist immer strafbar, bei Jugendlichen ist die Rechtslage anders. Es hängt auch davon ab, ob ein realer Kontakt stattgefunden hat, oder ob der Täter bei seinem Online-Werben ertappt wurde. Soziale Netzwerke und Onlinespiele mit Chatprogrammen spielen beim Cybergrooming eine große Rolle.

Beim Cyberstalking werden meist heimlich begehrte Personen oder Expartner durch digitale Kommunikation verfolgt, bedrängt und belästigt. Die Motivlage ist hier eine andere als bei den meisten Formen von Cybermobbing, denn die begehrte Person wird ja positiv dargestellt oder idealisiert. Es wird ja ein Kontakt mit dem Opfer gewünscht. Das Opfer wünscht diesen Kontakt jedoch nicht, es möchte in Ruhe gelassen werden.

Beim Sexting kommt es zu einem digitalen Austausch von Nacktfotos und oder Sexvideos. Dies ist prinzipiell nicht strafbar, solange dies im wechselseitigen Einvernehmen unter Erwachsenen geschieht. Oft ist es der Fall, dass nach der Trennung einer Paarbeziehung der Partner über Bilder oder Videos des Ex-Partners verfügt und diese dann nach der Trennung ohne Zustimmung der gezeigten Person im Internet verbreitet. Dies geschieht oft aus Rachebedürfnissen.

Sextortion ist die Kombination von Sexting und Tortion (Erpressung). Beim Sextortion wird das Opfer über soziale Netzwerke (Facebook oder Dating-Plattformen) kontaktiert und anfangs mit Komplimenten versorgt und persönliches Interesse vorgetäuscht. Nach einer gewissen Vertrautheit schlägt der Täter vor, in einen Video-Chat zu wechseln. Dort verführt er das Opfer dazu, sich nackt auszuziehen und sich sexuell zu stimulieren. Täter und Opfer sind hier meist gegengeschlechtlich. Suggeriert wird von Anfang an eine wechselseitige Partnersuche und gemeinsames Interesse aneinander. Das Opfer wird oft Tage später mit dem Videomaterial konfrontiert und mit Geldforderungen bedacht. Sextortion ist eine moderne digitale Form der Erpressung. Opfer sind meistens Menschen, die bei ihrer Online-Partnersuche zu offen und leichtgläubig sind.

Die obige Darstellung zeigt, dass das Phänomen Cybermobbing sehr vielgestaltig und facettenreich ist. Es ist meistens Ausdruck einer versteckten Form von Aggression und Gewalt. Das Heimtückische liegt in der Unkontrollierbarkeit, der ungeheuren Verbreitungsmöglichkeit und dem intensiven Ausgeliefertsein. Das frühere Schulmobbing als Gerangel am Pausenhof hat manchmal nach einer Stunde ein Ende gefunden. Die Opfer von Cybermobbing sind jedoch wie in einer Endlosschleife gefangen: Sie sitzen regelrecht in der Falle.

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