Entwicklungslinien der Kripo

Amtsbezeichnungen der Kriminalpolizei im Wandel der Zeit


Von Otto H. Göbel, Kriminaldirektor a.D., Braunschweig


Überall auf der Welt sind bei der Polizei Dienstgrade und Rangabzeichen gebräuchlich. Sie weisen die Funktion und Kompetenzen – damit allerdings auch die Gehaltsstufen – ihrer Träger aus und sind nicht zuletzt auch schmückendes Element. Sehr zur Freude der Sammlergilde bietet sich eine geradezu phantastische Vielfalt an Epauletten, Tressen, Sternen und sonstigen Symbolen. Anderen indessen sind sie ein Ärgernis, machen sie doch ihrer Meinung nach eine nicht mehr zeitgemäße Hierarchie auch nach außen hin erkennbar. Doch hier soll nicht über Wert oder Unwert von Titeln und Abzeichen philosophiert werden. Absicht ist es vielmehr, eine kleine Rückschau zu halten, vielleicht Unbekanntes vorzustellen und an Vergessenes zu erinnern, denn auch Amtsbezeichnungen sind nun einmal Teil der polizeilichen Historie.
Der Kriminalpolizei – sie soll vornehmlich Gegenstand dieser Betrachtung sein – ist notwendigerweise jeglicher amtlicher „Zierrat“ vorenthalten, was freilich nicht zugleich den Verzicht auf zum Teil recht klangvolle Titel bedeutet. Doch wer erinnert sich an Rangstufen wie z.B. „Bezirkssekretär“, „Leitender Kriminalpolizeirat“ oder „Charakterisierter Kriminalpolizeimeister“?
In der Kaiserzeit hatte man für die Kriminalpolizei nur eine bescheidene Auswahl an Dienstgraden vorgesehen, obschon es in anderen Sparten des Staatsdienstes keinesfalls an illustren Titeln mangelte. Dies mag daran gelegen haben, dass sich die Kriminalpolizei erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wirklich zu etablieren begann. Dem Kriminalbeamten jener Tage standen – zumindest theoretisch – folgende Ämter offen:

Kriminal - Assisten
- Sekretär
- Kommissar
- Inspektor
- Direktor

Diese zwar schlichte, aber letztlich auch überschaubare Rangfolge wurde in der Weimarer Republik um einige Stufen aufgestockt (Besoldungsgesetz vom 16.12.27):

Kriminal - Assistentenanwärter
- Assistent
- Sekretär

- Bezirkssekretär
- Kommissarsanwärter
- Kommissar
- Polizeirat
- Polizeidirektor.

Das Wort „Bezirks…“, hier zur Bezeichnung des Spitzenamtes im mittleren Dienst, sollte in den 1960er Jahren noch einmal Bestandteil einer Amtsbezeichnung werden, und zwar für die höchste Stufe des gehobenen Dienstes: Bezirkskommissar.
Diese Gliederung wurde unter dem nationalsozialistischen Regime erneut geändert und ergänzt, als durch zwei Gesetze aus den Jahren 1937 und 1940 zunächst die staatliche Polizei der Länder und zuletzt auch die der Gemeinden zur Reichspolizei wurden. Nun gab es den

Kriminal - Assistentenanwärter
- im Vorbereitungsdienst
- Assistentenanwärter
- Assistent
- Oberassistent

- Sekretär
- Bezirkssekretär
- Inspektor
- Kommissar
- Rat

Kriminal - Direktor

Regierungs- und Kriminalrat
Oberregierungs- und Kriminalrat
Regierungs- und Kriminaldirektor
Reichskriminaldirektor.

Beim Kriminalkommissar und Kriminalrat bestand eine zusätzliche Einstufung, nämlich „bis zu…“ und „über 15 Dienstjahre“, die sich allerdings nur in der Höhe der Dienstbezüge ausdrückte. Der Kriminalkommissar mit über 15 Dienstjahren war (1938) von der Höhe der Dienstbezüge her dem Oberleutnant d. Sch. (der Schutzpolizei) mit einem Jahresgehalt von 3.900 bis 5.900 Reichsmark gleichgestellt, der Kriminalrat mit der selben Dienstzeit bezog das gleiche Salär wie der Hauptmann d. Sch., nämlich 4.800 bis 7.000 Reichsmark. Der Regierungs- und Kriminaldirektor rangierte auf der selben Gehaltsstufe wie ein Oberst d. Sch. Beide bezogen bis zu 10.600 Reichsmark im Jahr.

Die Bezeichnungen „Regierungs- und Kriminalrat“ etc. waren noch in den 1950er Jahren in Niedersachsen gebräuchlich und hielten sich bis in die jüngere Zeit beim Bundeskriminalamt.

Eine Besonderheit widerfuhr der Kriminalpolizei im Jahr 1938. Sie ist zwar unerfreulich, bleibt aber dennoch eine historische Tatsache. Der „Reichsführer der SS“, Himmler, hatte es 1936 durchgesetzt, dass ihm die Befehlsgewalt über die Polizei übertragen wurde. Er nannte sich fortan „Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern“. Die uniformierte Polizei wurde im „Hauptamt Ordnungspolizei“, die Kriminalpolizei im „Hauptamt Sicherheitspolizei“ zusammengefasst und zentral geführt. Den Angehörigen der Sicherheitspolizei wurde per Dekret „eingeräumt“, sich in die „Schutzstaffel der NSDAP“, also in die „SS“, aufnehmen zu lassen. Die Eingliederungswilligen erhielten zusätzlich zu ihrer polizeilichen Amtsbezeichnung SS-Dienstgrade. Der Kriminalkommissar mit bis zu 15 Dienstjahren z.B. hatte nun den Rang eines SS-Obersturmführers, mit über 15 Dienstjahren wurde er SS-Hauptsturmführer, der Kriminalrat mit 15 Dienstjahren SS-Sturmbannführer.

Nach dem Krieg erfolgte unter der Ägide der Siegermächte eine generelle Neuregelung, die insbesondere alle militärisch klingenden Dienstränge bei der Schutzpolizei und der Gendarmerie fortfallen ließ. Die Entwicklung der Polizei vollzog sich in den vier Besatzungszonen recht unterschiedlich. In der britischen Zone wurden (mit Ausnahme Hamburgs) folgende Dienstränge festgelegt:

Polizei - Anwärter
- Wachtmeister
- Meister
- Obermeister
- Inspektor
- Oberinspektor
- Rat
- Oberrat
Die Dienstgrade der Kriminalpolizei deckten sich (den Polizei-Anwärter ausgenommen) mit denen der Schutzpolizei, ihnen war lediglich das Wort „Kriminal“ vorangestellt, also z.B. Kriminalpolizeimeister.

Für die „Oberbeamten“, wie die Beamten des gehobenen und höheren Dienstes offiziell genannt wurden, führte man 1948 zusätzlich die Amtsbezeichnungen Polizeidirektor und Leitender Polizeidirektor ein. Dies geschah allerdings lediglich bei der uniformierten Polizei, die Kriminalpolizei partizipierte da ran nicht. Zwischen die Rangstufen des Rats und des Oberrats wurde der „Leitende (Kriminal-) Polizeirat“ eingeschoben. Dieser Titel hatte indessen (wie auch der „Leitende Polizeidirektor“) ausschließlich besoldungsrechtlichen Charakter, in der Praxis wurde er nicht geführt.

Organisationsbedingt war in Nordrhein-Westfalen (dessen Laufbahnrichtlinien im Folgenden vornehmlich für die Ausführungen herangezogen werden) eine Abweichung von dieser Regelung notwendig. Die Polizeibehörden waren nämlich wie folgt gegliedert: Polizeipräsidium, Polizeidirektion, Polizeiamt und Oberkreisdirektor als Kreispolizeibehörde. Die Amtsbezeichnung des Exekutivbeamten „Polizeidirektor“ musste sich von der des Behördenleiters „Polizeidirektor“ unterscheiden. Dies wurde durch das Vorsetzen des Wortes „Schutz…“ erreicht und somit der Rang des „Schutzpolizeidirektors“ eingeführt.

Eine Erscheinung ganz besonderer Art war die Institution des „Charakterisierten (Kriminal-) Polizeimeisters“, die bis Anfang der 1950er Jahre Bestand hatte. Polizeibeamte, die aufgrund der „Technischen Anweisung Nr. 24“ der Besatzungsmacht den Dienstgrad (Kriminal-) Polizeimeister führten, waren lediglich „charakterisierte“ Meister, d. h. sie wurden auf dem Stellenplan in der Gruppe der Wachtmeister nachgewiesen, trugen jedoch – quasi ehrenhalber – Abzeichen und Titel eines regulären (Kriminal-)Polizeimeisters und konnten erst bei Freiwerden einer entsprechenden Planstelle – die Eignung vorausgesetzt – zum ordnungsgemäßen Amtsinhaber ernannt werden.
Die Angehörigen der Kriminalpolizei waren in aller Regel zuvor Beamte der Schutzpolizei. Nach bestandener Eignungsprüfung traten die Bewerber jeweils zum 1.1. oder 1.7. ihrem bisherigen Rang bei der Schutzpolizei entsprechend als Kriminalpolizeiwachtmeister oder Kriminalpolizeimeister auf Probe (a.Pr.) in den Kriminaldienst. Der neunmonatigen praktischen Ausbildung folgte ein dreimonatiger Lehrgang bei der Landes-Polizeischule mit abschließender „Kriminal-Fachprüfung!“ Nach erfolgreicher Ausbildung avancierte der Aspirant zum regulären Kriminalbeamten. Hatte sich der Beamte im Dienst bewährt und seine Fähigkeit bewiesen, eine Dienststelle selbständig führen zu können, bot sich ihm die Möglichkeit, an einem „Kriminalobermeister-Lehrgang“ (Kriminal-Fachprüfung II) teilzunehmen.

Beamte, die vor 1939 entsprechende Lehrgänge bestanden hatten, waren von der Teilnahme an einem erneuten Lehrgang befreit. Gleiches galt für jene Beamte, die bis 1933 einen Offizierslehrgang absolviert hatten. Ihnen wurde die Teilnahme an einem (Kriminal-)Polizeiinspektoren-Lehrgang oder an einem Beförderungslehrgang zum Oberinspektor erlassen. Dennoch war der Besuch eines Fortbildungslehrganges an der „Zentralen Polizeischule“ in Hiltrup, der heutigen Polizei-Führungsakademie, erwünscht.

Auf Grund des Vorschlags der Arbeitsgemeinschaft der Innenminister, für die Polizeivollzugsbeamten bundeseinheitliche Amtsbezeichnungen einzuführen, beschloss die Landesregierung von NRW am 29.1.52 folgende Neuregelung, die mit alsbaldiger Wirkung in Kraft trat:



Diese Änderung galt sinngemäß auch für die Schutzpolizei und die Weibliche Polizei. Eine Neuordnung für den einfachen und mittleren Dienst musste indes zunächst zurückgestellt werden, da die Besoldungsfrage für die Bereitschaftspolizei, die einen eigenen Status hatte, mit der Bundesregierung noch nicht abschließend geregelt worden war. Die Anpassung erfolgte erst 1953.

Am 30.9.52 erließ der Innenminister von NRW neue Laufbahnrichtlinien für die Polizei. Sie enthielten für den mittleren Dienst der Kriminalpolizei (bei ihr gab es keinen einfachen Dienst) bereits andere Amtsbezeichnungen, die aber erst am 5.5.53 offiziell eingeführt wurden. (Sie entsprachen im Übrigen weitgehend denen aus dem Jahr 1927).



Die Bezeichnung Kriminalassistentenanwärter(in) war nur für Bewerber aus freien Berufen vorgesehen. Sie konnten bei Nachweis besonderer Fach- und Sachkenntnisse unmittelbar in die Kriminalpolizei eingestellt werden (Quote ca. 10 %). Bevor sie zum Kriminaldienstlehrgang zugelassen wurden, mussten sie eine 20-monatige praktische und theoretische Ausbildung bei der Kriminalpolizei absolvieren und sich einer viermonatigen informatorischen Beschäftigung bei der Schutzpolizei unterziehen.

Dienstzweigwechsler, also Beamte der unifomierten Polizei, behielten künftig während ihrer Ausbildung für den Kriminaldienst ihre Amtsbezeichnung bei, der lediglich der Zusatz „Im Kriminaldienst“ (i. K.) angefügt wurde, also z.B. Polizeihauptwachtmeister i. K.

Die 1953 eingeführten Amtsbezeichnungen des mittleren Dienstes der Kriminalpolizei hatten gerade einmal 5 Jahre Bestand. Aus dem Kriminalsekretär wurde wieder der Kriminalmeister, aus dem Kriminalobersekretär der Kriminalobermeister. Die Bezeichnung Kriminalassistent wurde ersatzlos gestrichen. Bewerber aus freien Berufen führten während ihrer Ausbildung den Rang
eines Kriminalhauptwachtmeisteranwärters.

1963 wurde die Rangskala um das Spitzenamt im mittleren Dienst „Hauptmeister“ erweitert, das besoldungsmäßig dem Rang eines Kommissars entsprach. Zugleich wurde das Amt „Landeskriminaldirektor“ als ranghöchster Kriminalbeamter geschaffen. Der Kriminalpolizei war bis dahin nur ein einziger Kriminaldirektor zugestanden worden, der im Innenministerium Dienst versah. Nun erhielt auch sie im höheren Dienst die Rangstufe eines Direktors. Ein Leitender Kriminaldirektor blieb ihr indessen noch bis 1966 versagt.

Die nächste Erweiterung der Dienstgrade erfolgte 1969 mit der Einführung der Rangstufe „Bezirkskommissar“ als Spitzenamt des gehobenen Dienstes, das von der Dotierung her dem Eingangsamt des höheren Dienstes gleichgestellt war. Doch schon 1975 ergab sich die nächste – und vorerst letzte – Änderung. Die Amtsbezeichnung Kriminal-Bezirkskommissar wurde durch Erster Kri-
minalhauptkommissar ersetzt. (Sinngemäß gilt dies auch für die Schutzpolizei).
Bei der Polizei – so die häufig zu hörende spöttische Behauptung – ist nichts so beständig wie der Wechsel. Schaut man zum Beispiel auf den Wandel, dem die Dienstränge unterlagen, ist man leicht geneigt, dieser Aussage zuzustimmen.

(Quellen: vornehmlich amtliche Laufbahnrichtlinien, eigenes Erleben)