Hanf und CBD

In aller Munde (und manchmal auch auf der Haut)

6.1 Neuartiges Lebensmittel?

Lebensmittel sind nach Art. 2 der sog. EG BasisVO (Nr. 178/2002) alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen oral aufgenommen werden. Hierzu zählen auch Stoffe, die dem Lebensmittel bei seiner Herstellung oder Verarbeitung absichtlich zugesetzt werden oder die Nahrung ergänzen (Nahrungsergänzungsmittel), letztere werden typischerweise in kleinen Mengen konsumiert. So dürften z.B. CBD-Öle in aller Regel zu den Nahrungsergänzungsmitteln zählen, sofern die Abgabe in dosierter Form erfolgen soll.


Seit geraumer Zeit werden CBD-haltige Produkte als neuartige Lebensmittel nach der Novel-Food-Verordnung VO (EU) 2015/2283 eingestuft (mit Ausnahme von Hanfsamen/Erzeugnissen aus Hanfsamen, z.B. reines Hanfsamenöl). Der öffentliche NVO-Katalog stellt eine maßgebliche Orientierungshilfe bzw. ein Indiz für eine etwaige Zulassungspflicht dar, ist jedoch nach der Rspr. des BGH30 nicht rechtsverbindlich. Entscheidend ist die Verwendungsgeschichte als Lebensmittel vor dem 15.5.1997 in der EU. Abzustellen ist dabei auf alle Merkmale des betreffenden Lebensmittels und des verwendeten Herstellungsprozesses im Wege einer Einzelprüfung (streng produktbezogene Betrachtungsweise). Nicht maßgeblich ist, ob eventuell ähnliche Produkte oder der Rohstoff selbst seinerzeit bereits auf dem Markt waren.31 Wenn ein Zulassungsverfahren erfolgreich ist, entfaltet es eine erga omnes Wirkung mit der Folge, dass jeder Wirtschaftsunternehmer es nutzen kann. Will der Antragsteller das verhindern, kann er eine Sperrfrist von fünf Jahren beantragen. Bei Hanfprodukten führt das zu folgender Bewertung: Als Lebensmittel zulassungsfrei sind lediglich Hanfsamen und deren Produkte. Alle anderen CBD-Lebensmittel stellen neuartige Lebensmittel i.S.d. VO (EU) 2015/2283 dar; sie unterliegen der Zulassungspflicht. Die Neuartigkeit gilt demnach für Extrakte aus der Hanfpflanze, für daraus hergestellte Erzeugnisse und Produkte, die CBD enthalten bzw. denen CBD zugesetzt worden ist, aber auch für Pflanzen oder Pflanzenteile selbst. Deshalb ist es zunächst unerheblich, ob das Lebensmittel Extrakte aus der Hanfpflanze selbst enthält oder diese im Vorfeld behandelt worden sind (z.B. Teile entfernt, Konzentration verringert, aufkonzentriert oder synthetisch gewonnen), auch ein Erfrischungsgetränk, dem lediglich getrockneter Hanfblattsaft zugesetzt worden ist, fällt unter die NVO. Der Vertrieb32 ohne entsprechende Zulassung ist nach § 59 Abs. 3 Nr. 2a LFGB i.V.m. § 1a Neuartige Lebensmittel-VO (NLV) strafbewehrt.

6.2 Problem: Lebensmittel und THC

Nach Untersuchungsergebnissen der Landesuntersuchungsämter werden bei der überwiegenden Zahl insbesondere der Nahrungsergänzungsmittel die Grenzwerte des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR) zu THC „1 mg/kg Körpergewicht“, sogen. Akute Referenzdosis (ARFD) teils erheblich überschritten33. Das hängt damit zusammen, dass in den Blättern, Blüten und Stängeln der Hanfpflanze neben CBD natürlicherweise auch THC enthalten ist. Folglich ist die bei der Bewerbung häufig zu findende Aussage „THC-frei“ irreführend (bei Vorsatz Straftat nach §§ 59 Abs. 1 Nr. 7, 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB i.V.m. Art. 7 Abs. 1 a) VO (EU) 1169/11).


Wird jedoch ein betäubungsmittelrechtlich nicht relevanter Gehalt an THC in einem Lebensmittel feststellt, gilt Folgendes: Grundsätzlich ist das Inverkehrbringen von Lebensmitteln zulassungsfrei; sie müssen lediglich sicher i.S. Art. 14 Abs. 2 BasisVO sein. Daher ist bei der Probenuntersuchung stets eine individuelle, produktbezogene toxische Risikobewertung unter Einbeziehung des festgestellten THC-Gehalts, der üblicherweise verzehrte Menge sowie sensitiver Verbrauchergruppen wie Kinder und Jugendliche erforderlich. Für die weitere Beurteilung als Lebensmittel ist die ARFD entscheidend: Wird sie überschritten oder nicht? Ist dies der Fall, wird das Produkt als nicht sicher im Sinne von Art. 14 Abs. 2 b) der Basis Verordnung VO (EG) Nr. 178/2002 beurteilt. Die Strafvorschrift erfolgt aus § 59 Abs. 2 Nr. 1 a LFGB i.V.m. Art. 14 Abs. 2 b, Abs. 5 der VO (EG) Nr. 178/2002. Bei massivem (immer noch unter 0,2%) liegendem Gehalt (Orientierungswert: LOAEL, s.o.) ist der Vertrieb selbst bei fahrlässiger Begehungsweise wegen potentieller Gesundheitsgefahr nach § 58 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 6 i.V.m. Art. 14 Abs. 2 Nr. 1 a) Basis-VO strafbar. Ein Verbotsirrtum scheidet aus, wenn lediglich die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung eines Rechtsanwalts vorliegt. Einstufung von Erzeugnissen und Bewertung der Verkehrsfähigkeit obliegen den Fachbehörden bei der Lebensmittelüberwachung, nur staatliche Stellen können sie verbindlich feststellen.

6.3 Problem: CBD und Aroma

Dieser Bereich ist von zahlreichen Einzelproblemen geprägt. Daher an dieser Stelle nur insoweit: Hersteller und Importeure versuchen im Falle von Beanstandungen immer wieder, den CBD-Anteil als Lebensmittelaroma (Hanf-Aroma oder CBD-Aromaextrakte) i.S.d. Art. 3 Abs. 2b der NFV „umzuwidmen“. Das ist von wenig Erfolg gekrönt, da die Verwendung von CBD-Aroma nach der Novel-Food-Verordnung nur unter engen Voraussetzungen verkehrsfähig ist: Auch das Aroma muss aus einem sicheren, d.h. zugelassenen, Lebensmittel gewonnen worden sein. Das ist bei CBD/Hanf nicht der Fall. Außerdem muss die behauptete aromatisierende Wirkung von CBD der hauptsächlich verfolgte Zweck sein.34 Gerade CBD-Aromenextrakte haben neben aromatisierenden auch färbende oder antioxidative, jedenfalls kaum geschmackliche Wirlung. Zudem werden von Vertreiberseite üblicherweise positive Wirkungen bzw. gesundheitsbezogene Effekte vermittelt, die in keinem Zusammenhang mit dem Aromenzweck stehen.

6.4 Problem: Werbung mit Gesundheits- oder Krankheitsbezug

Nicht selten geht mit dem Vertrieb von CBD – Produkten auch eine Bewerbung mit krankheitsbezogenen Aussagen einher. Diese sog. Claims sind oft die einzige Basis, weshalb der Verbraucher gerne bei CBD-Produkten zugreift. Sofern die Werbeaussagen als krankheitsbezogen beurteilt werden, unterliegt das Produkt dem generellen Verbot aus Art. 7 der VO (EU) 1169/2011. Das vorsätzliche Inverkehrbringen mit krankheitsbezogenen Angaben ist nach §§ 59 Abs. 1 Nr. 7, 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB i.V.m. Art. 7 Abs. 3 der VO (EU) Nr. 1169/2011 unter Strafe gestellt. Sofern die Etikettierung gesundheitsbezogene Angaben enthält, gilt der Erlaubnisvorbehalt aus der Health Claims VO. Dort sind z.B. Hanfsamenöl bzw. entsprechende Kapseln gelistet, nicht jedoch das CBD. Ist der betreffende Claim nicht gelistet, macht sich strafbar, wer bei der Kennzeichnung oder Aufmachung eines Lebensmittels oder bei der Bewerbung eines Produktes eine nicht zugelassene nähr- oder gesundheitsbezogene Angabe verwendet und es so in Verkehr bringt, § 59 Abs. 2 Nr. 3 LFGB i.V.m. Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006. Eine gesundheitsbezogene Angabe liegt z.B. dann vor, wenn die Aussage auf Veränderungen bei Körperfunktionen Bezug nimmt und die geeignet ist, beim Verbraucher Ängste auszulösen oder daraus Nutzen zu ziehen, Art. 3 e) der Health Claims VO.

6.5 Problem: Fantasieartikel und Umgehungsgefahr

Hersteller und Vermarkter sind kreativ, wenn es um Vermarktungsfragen geht, aber auch, wie man die regelmäßig als lästig empfundenen Kontrollmechanismen möglich effektiv umgehen kann. Kürzlich musste sich ein Verwaltungsgericht35 mit der Frage der Verkehrsfähigkeit eines „CBD Hanföl für Kamele“ beschäftigen. Das Ergebnis war zumindest für diejenigen vorhersehbar, die immer wieder Berührungspunkte mit der Juristerei haben: Nach dem in fast allen Rechtsgebieten geltenden falsa-demonstratio-Grundsatz (vgl. § 133 BGB, § 300 StPO) ist die „Soll-“ und nicht die „Ist-“Bezeichnung bei der Auslegung aus Sicht eines „durchschnittlich informierten“ Verbrauchers zu beurteilen. Nach diesem Grundsatz mag zwar das betreffende Hanföl als Futterzusatz für Kamele gedacht sein. Nach vernünftigem Ermessen soll es jedoch erwartungsgemäß von Menschen aufgenommen werden. Ein Blick auf das Sortiment des Händlers oder die Produktplatzierung ist erhellend und widerlegt die angebliche Zweckbestimmung. Vergleichbare Probleme lassen sich z.B. auch mit der Lektüre von Kundenbewertungen lösen, wenn ein als „gebrauchsfertiges Aromaöl – nicht zum Verzehr geeignet(es)“ bezeichnetes Produkt tatsächlich zur oralen Aufnahme gedacht ist und von Kunden auch als solches „geschätzt“ wird.

 

7 CBD und Kosmetika

 

7.1 Grundsatz

Kosmetische Mittel wie Öle oder Cremes sind zur äußeren Anwendung gedacht, um den Körper zu pflegen, zu reinigen, zu schützen, das Aussehen zu verändern, ihn in einem guten Zustand zu erhalten oder den Körpergeruch zu beeinflussen, Art. 2 Abs. 1a der VO (EG) Nr. 1223/2009. Der Vertrieb von Kosmetikmitteln ist gem. Art. 3 KosmetikVO zwar in den Grenzen des allgemeinen Sicherheitsgebotes zulässig. Jedoch muss der Hersteller bzw. der Importeur nach Art. 10 i.V.m. Anhang I der VO eine Sicherheitsbewertung nachweisen sowie eine Produktinformationsdatei führen. Denn auch kosmetische Mittel müssen für die menschliche Gesundheit sicher sein, vgl. auch § 26 LFGB. Daher dürfen sie auch keine verbotenen Stoffe i.S. von Art. 14 i.V.m. Anhang II KosmetikVO enthalten. Hierzu zählen nach der laufenden Nr. 306 solche Stoffe, die in den Tabellen I und II des am 30.3.1961 in New York unterzeichneten Einheitsabkommens über Betäubungsmittel aufgezählt sind, nämlich Cannabis (Blüten- oder Fruchtstände, denen das Harz nicht entzogen worden ist), Cannabisharz (d.h. abgesondertes Harz der Cannabispflanze, gleich ob gereinigt oder nicht), Cannabisextrakte sowie Cannabistinkturen. Das hat zur Folge, dass der Vertrieb von kosmetischen Mitteln, die Cannabisharz enthalten, verboten ist.36 Der Vertrieb ist – selbst bei Fahrlässigkeit – strafbewehrt: § 58 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 6 LFGB i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 KosmetikV und Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 a der VO (EG) Nr. 1223/2009.

7.2 Problemfälle

CBD als Inhaltsstoff: Ob dies auch für CBD gilt, ist gerichtlich noch nicht geklärt. Zwar fällt der natürliche Stoff CBD (anders als synthetisches CBD) als Cannabisextrakt unter das Sucht-Einheitsabkommen. Allerdings hat die EU-Kommission im Februar 2021 natürliches CBD in die Liste der erlaubten Herstellungsstoffe (sog. CosIng-Datenbank) aufgenommen. Diese Liste ist jedoch nicht rechtsverbindlich, sondern dient lediglich als Orientierungshilfe.


Kosmetik und THC: Anhang II und III der EG-KosmetikVO enthalten keine Grenzwerte, diese werden auch regelmäßig weit ausgelegt. Der Vertrieb kosmetischer Mittel kann deshalb auch dann erlaubt sein, wenn in dem Mittel geringe Mengen an CBD oder gar THC nachgewiesen werden. Wie auch im Betäubungsmittelrecht ist ausschlaggebend, ob die Kontamination bei der Herstellung technisch vermeidbar war oder nicht. Entscheidend ist, ob der Inverkehrbringer oder Hersteller belegen kann, dass ein Missbrauch der Kosmetika zu Rauschzwecken ausgeschlossen werden kann oder nicht.


Problem der Umgehungsgefahr: Gelegentlich behauptet der Vertreiber, ein CBD-haltiges und folglich dem Novel Food Recht unterliegendes Lebensmittel sei tatsächlich ein kosmetisches Mittel (z.B. Kaugummi zur Mundpflege), weil es die Zwecke nach dem Kosmetikrecht erfülle. Das wird regelmäßig als Schutzbehauptung zu werten sein. Entscheidend ist die objektive Zweckbestimmung des Produktes, die auch mit Hilfe der Aufmachung, Etikettierung und insbesondere der Bewerbung belegt werden kann. Grundsätzlich sind Produkte, die dazu bestimmt sind, eingenommen zu werden, keine kosmetischen Mittel, vgl. Art. 2 Abs. 2 EG-KosmetikV. Dies gilt auch für entsprechende Kaugummis (vgl. Art. 2 VO (EG) Nr. 178/2002).