Hanf und CBD

In aller Munde (und manchmal auch auf der Haut)


Von Staatsanwalt Dr. Peter Karfeld, Bad Kreuznach1

 

1 Ein neues Phänomen für Strafrechtler

 

Polizisten sind auch nur Menschen... und Verbraucher. Als Verbraucher ist man gegenüber gesundheitlichen Gefahren und Übervorteilung besonders schutzbedürftig und hofft, dass die Überwachungsbehörden ihre Arbeit gut machen. Auch das Strafrecht soll Verbraucherschutz gewährleisten; man könnte sogar von einem „Verbraucherschutz-Strafrecht“ als selbstständigen Teilbereich des Wirtschaftsstrafrechts2 sprechen. Das Verbraucherschutzrecht muss nicht nur Skandalen gerecht werden, sondern auch auf Modeerscheinungen reagieren. So enthalten z.B. Zeitschriften zunehmend Werbung und Artikel über Hanfprodukte. Nicht nur der Lebensmittelkontrolle fällt auf: CBD boomt! CBD-haltige Produkte werden als Lebens- oder Nahrungsergänzungsmittel, kosmetische Mittel, Tabakerzeugnisse oder Arzneimittel bzw. Medizinprodukte angeboten. Die Vermarktung ist vielfältig: Im Onlinehandel besonders stark vertreten, finden sich CBD-Produkte aber auch in Esoterikläden (Headshops), Bioläden, Reformhäusern und sogar Apotheken. Besonders beliebt sind neben CBD-Ölen CBD-haltige Back- und Teigwaren, CBD-Tees und -Erfrischungsgetränke, -Süßwaren, -Duftkissen, -Cremes und -Liquid; nicht selten – wie sich später bei Untersuchungen herausstellt – auch „garniert“ mit THC-Anteilen. Der weltweite Umsatz wird für die kommenden Jahre auf mehr als 60 Mrd. US-Dollar geschätzt.3


Weshalb sind CBD-Produkte als Trendprodukte so beliebt? Das dürfte mit den vermeintlich günstigen gesundheitlichen Eigenschaften zusammenhängen. So wird CBD als wirkungsvoll bei Stress, Ängsten, Depressionen, Schmerzen, Schlafstörungen, Übergewicht und gar Haarausfall beworben. Hinzu kommt, dass reines CBD keine psychoaktiven Wirkungen entfaltet.4 Allerdings wurden in mehreren klinischen Studien – von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen – auch erhebliche Nebenwirkungen wie Schläfrigkeit, Fieber, Krämpfe, innere Unruhe oder Hautausschläge beschrieben.5 Bei Überdosis sollen sogar Störungen des Herz-/Kreislaufsystems und Sinnestäuschungen drohen. Deshalb verwundert es nicht, dass die Ermittlungsverfahren bei uns in der Landeszentralstelle für Wein- und Lebensmittelstrafsachen bei der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach deutlich zunehmen. Die Verfahren zeigen, dass eine rechtliche Bewertung CBD-haltiger Produkte keineswegs leicht ist: Handelt es sich bei dem angeblichen Nahrungsergänzungspräparat nicht doch um ein Arzneimittel oder gar ein verbotenes Betäubungsmittel? Beide schließen nämlich die Lebensmitteleigenschaft aus. CBD-Produkte werden von Herstellern und Vertreibern meistens damit beworben, dass der Vertrieb des eigenen Produktes vollumfänglich legal sei, selbst wenn es THC enthalte. Der Wert dürfe nur 0,2% nicht überschreiten. Doch trifft das tatsächlich zu? Ein Blick ins Gesetz hilft hier zunächst nicht weiter: Jedes in Frage kommende Regelungswerk enthält entweder Verbotsvorschriften mit Erlaubnisvorbehalt, Missbrauchstatbestände oder aber formale Kriterien für eine Verkehrsfähigkeit. Übersichtlichkeit sieht anders aus! Allen gemeinsam ist jedoch, dass der Schutz der menschlichen Gesundheit den Vertriebstätigkeiten deutliche Grenzen setzt.


Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit den „dunklen Seiten“ des CBD-Vertriebs unter dem „scharfen Schwert“ des Strafrechts: Unter welchen Voraussetzungen riskieren Händler strafrechtliche Ermittlungen einschließlich der Gefahr beträchtlicher Vermögensabschöpfungen? Die Abhandlung der Problematik folgt der rechtlichen Einordnung des Gesetzgebers: Das Betäubungsmittelrecht geht dem Arznei- und Lebensmittelrecht vor. Im ersten Teil beschäftigen wir uns – neben dem Ursprungsobjekt des begehrten Stoffes, der Hanfpflanze selbst – mit dem BtMG. Anschließend folgen Ausführungen zum Arznei- und Lebensmittelrecht, zum Abschluss Medizinprodukte, Kosmetikartikel und Tabakerzeugnisse.

 

 

2 Die Cannabispflanze


Der Begriff „Cannabis“ stammt aus dem Lateinischen und steht für „Hanf“. Hierbei handelt es sich um eine sehr alte Kulturpflanze, die bereits vor 12.000 Jahren insbesondere in China angebaut wurde. Dort diente sie vielfältigen Zwecken, unter anderem als Nahrungsmittel (Hanfsamen wegen ihres hohen Gehalts an ungesättigten Fettsäuren), als Baustoff, zur Herstellung von Textilien und Papier und auch (wegen der heilenden Wirkung) medizinischen Zwecken, z.B. zur Wundversorgung. Im 19./20. Jhd. geriet sie jedoch als Rohstofflieferant für Drogen zunehmend in Verruf. Was die Pflanze besonders reizvoll macht, ist das Harz. Es wird in den Drüsen der Blätter und Blüten produziert und enthält zahlreiche Inhaltsstoffe, die als Cannabinoide bezeichnet werden. Die wichtigsten Vertreter der bislang über 120 identifizierten Cannabinoide6 sind das psychoaktive ƛ9-Tetrahydrocannabinol (THC), welches unter das Betäubungsmittelrecht fällt, sowie das Cannabidiol (CBD). Insbesondere „Drogenhanf“ weist einen hohen Gehalt an THC auf; durch Zucht („unsaubere Samen“) und Extrahierung von Blüten vor allem der weiblichen Pflanze. CBD hingegen findet sich vor allem im Harz, aber auch in den weiblichen Blüten sowie – in geringen Mengen – in den Blättern. Anders als das THC kommt CBD in sehr viel geringerer Konzentration von 1 bis 4% vor7. Die Herstellung von CBD aus der Hanfpflanze erfolgt durch physikalische Verarbeitung (Trocknung, Zerkleinerung, Mahlung, Vermischung, Lösung, Pressung) und Extraktion (mittels CO2, Ethanol u.a.). Die CBD-Säure der Pflanze (CBDA) wird in aktives CBD umgewandelt.

 

3 CBD und Betäubungsmittelrecht

 

3.1 Begriff des Betäubungsmittels

CBD-haltige Produkte werden – zumindest auf den ersten Blick – den Kunden vorrangig als Lebensmittel angeboten und nicht als Betäubungsmittel. Ein zu untersuchendes Cannabis-Produkt muss zunächst nach betäubungsmittelrechtlichen Aspekten geprüft werden. Denn Betäubungsmittel können (anders als Arzneimittel, s.u.) nach Art. 2 der VO (EG) Nr. 178/2002 nicht gleichzeitig Lebensmittel sein und umgekehrt. Rausch- und suchterzeugende Stoffe unterliegen seit langem einem Verkehrsverbot. Maßgeblich ist unter anderem das Einheitsabkommen der Vereinten Nationen über Suchtstoffe v. 30.3.19618. Dort sind Suchtstoffe in den Anlagen I und II gelistet. Hierzu zählen auch „Cannabis“, „Cannabisharz, Extrakte und Tinkturen“ sowie Blüten- und Fruchtstände der Hanfkrautpflanze, denen das Harz nicht entzogen worden ist. Auf den jeweiligen Verwendungszweck kommt es nicht an. Das deutsche Betäubungsmittelgesetz (BtMG) erweitert die Liste des UN-Übereinkommens in Anlage I bis III zu § 1 in einer Positivliste um sonstige Pflanzenteile der Hanfpflanze, z.B. Blätter oder Stängel. Nach der Gesetzesdefinition zählen zu den BtM auch sog. Zubereitungen9. Das betäubungsmittel-rechtliche Verbot gilt unabhängig davon, ob das Cannabisprodukt überhaupt THC oder andere Wirkstoffe enthält10 sowie, ob es aus unbearbeiteten oder bearbeiteten, aber mit substanziell noch feststellbaren Teilen11 stammt. Demgegenüber unterliegen Inhaltsstoffe der Hanfpflanze – sog. Pflanzenbestandteile12 - nur dann dem Betäubungsmittelrecht, wenn sie ausdrücklich in den Anlagen aufgeführt sind,13 z.B. Cannabisharz. Neben den Pflanzen/Pflanzenteilen der Cannabispflanze zählt u.a. auch der Stoff THC wegen seiner rausch- und suchterzeugenden Wirkungen zu den Betäubungsmitteln. Cannabis wie THC unterliegen grundsätzlich einem Verkehrsverbot.

 

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