Das neue Recht der Vermögensabschöpfung
Die verwunschenen Wege insbesondere der Wertersatzeinziehung (Teil 2)
5.1 Innerer Zusammenhang zwischen den §§ 73c, 73d StGB
§ 73c StGB steht in untrennbarem Zusammenhang mit § 73d StGB. Wer die Einziehung eines Wertersatzes gemäß § 73c StGB bejaht, muss stets auch § 73d StGB prüfen. Bereits der gesetzessystematische Aufbau weist auf den inneren Zusammenhang hin. In diesen Fällen wird das generelle Abzugsverbot des „Bruttoprinzips“ nach § 73c StGB durch die Regelungen des § 73d Abs. 1 StGB anhand wertender Gesichtspunkte durchbrochen. § 73d StGB sichert die Rechtsnatur der Abschöpfung als vorrangig präventiv und verhindert, dass die Vermögensabschöpfung strafähnliche Wirkung zeigt. Außerdem darf es nicht zu Widersprüchen mit den zivilrechtlichen Regelungen kommen, z.B. bei Austauschverträgen. Die Wertersatzeinziehung hat daher stets in einem zweistufigen Verfahren zu erfolgen:
Über § 73c StGB ist zunächst das ursprünglich Erlangte gegenständlich zu ermitteln und dessen damaliger Wert (notfalls im Wege der Schätzung) festzulegen (1. Stufe).
Der Amtsermittlungsgrundsatz zwingt dann zur weiteren Prüfung, inwieweit der Einziehungsbetroffene eventuell abzugsfähige Aufwendungen, und sei es nur als Gegenleistung, im Zusammenhang mit der Tat gehabt haben könnte (2. Stufe).
§ 73d StGB (1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters oder Teilnehmers abzuziehen (Satz 1). Außer Betracht bleibt jedoch das, was er für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt hat (Satz 2, 1. Halbsatz), soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten handelt (Satz 2, 2. Halbsatz). (2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.
5.2 Korrektur bei der Wertersatzeinziehung (§ 73d StGB)
Auf den ersten Blick ist diese Vorschrift nicht ohne weiteres zu erfassen. Sie beinhaltet nicht nur ein komplexes Regel-Ausnahmeverhältnis, sondern zugleich mehrere Begriffe mit Beurteilungsspielraum. Die Vorschrift zeigt, dass der Gesetzgeber nicht uneingeschränkt am Bruttoprinzip festhalten wollte. Faktisch läuft dies unter den gegebenen Voraussetzungen auf eine Einziehung in „Netto“ (d.h. Abschöpfung des Gewinns) hinaus.
Die Vorschrift geht von folgendem systematischen Ansatz aus:
- Im Grundsatz sind die Aufwendungen des Täters/Teilnehmers oder Dritten bei der Wertbestimmung des Erlangten abzuziehen, sofern diese in einem zeitlich und sachlich engen Zusammenhang mit der Anlasstat stehen. Dieser Grundsatz beruht auf der Annahme, dass der Täter bei Tatbegehung auch Aufwendungen haben kann, die nicht allein der Tatbegehung oder -vorbereitung dienen und nicht per se illegal sind.
- Ausnahme: Was jedoch unmittelbar für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, bleibt bei der Berechnung außer Betracht. (Rechtsgedanke des § 817 S. 2 BGB: Das in eine Straftat Investierte soll unwiederbringlich verloren sein).
- Rückausnahme: Außer es handelt sich – bei sog. Austauschverträgen – um Leistungen zur Erfüllung rechtswirksamer Verbindlichkeiten (!) gegenüber dem Verletzten (!) der Tat.
Hierzu im Einzelnen:
5.2.1 Grundsatz: Abzugsfähigkeit von „Aufwendungen“ (§ 73d Abs. 1 Satz 1 StGB)
Aufwendungen sind unter bestimmten Voraussetzungen abzugsfähig, jedoch nur nach Wertung des § 73d Abs. 1 StGB.
„Aufwendungen“ i.S.d. Norm sind zunächst einmal alle geldwerten Leistungen, die der Tatbeteiligte oder Drittbegünstigte zur Ermöglichung oder Durchführung der Tat eingesetzt hat, z.B. Leistungen aus Verträgen, Kaufpreis, Herstellungs- und Transportkosten, Entgelte, Belohnungen oder sogar Bestechungsleistungen. Aufwendungen für rechtlich nicht zu beanstandende Leistungen müssen im Grundsatz als Abzugsposten (ggf. durch Schätzung nach § 73d Abs. 2 StGB) berücksichtigt werden, selbst wenn sie demselben tatsächlichen Verhältnis wie die Straftat entstammen. Jedoch sind nur solche Aufwendungen abzugsfähig, die in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Erwerbstat stehen. Es handelt sich im Wesentlichen um Ausgaben zur Ermöglichung der Tatausführung. Das ist nicht der Fall, wenn die Aufwendungen beispielsweise dem Erlangen zeitlich nachfolgen (z.B. Kosten für Flucht, Sicherung und Verwertung der Beute, gezahlte (Einkommens-)Steuern auf das strafrechtswidrig erlangte Vermögen) oder gelegentlich der Tatbegehung entstanden sind, aber nicht in innerem Zusammenhang mit der Tat selbst stehen (z.B. Frühstückskosten zur Stärkung vor Tatbegehung).
Anders wiederum Aufwendungen, welche bereits vor der Planung/Vorbereitung der Tat entstanden sind und bei denen nicht auszuschließen ist, dass der Betroffene im Zeitpunkt der Aufwendungen noch gutgläubig, d.h. ohne rechtsfeindliche Gesinnung war. Beispiel: Lagerhaltung beim Lebensmittelhändler, der erst nachträglich den Tatentschluss gefasst haben will, die Ware mit falschen Angaben zu vermarkten. Die Frage der Widerlegbarkeit einer solchen Einlassung steht auf einem anderen Blatt.
Jedenfalls „sind“ im Ermittlungsverfahren mögliche oder tatsächliche Aufwendungen von Amts wegen festzustellen; anders im Vollstreckungsverfahren. Dort trägt die Darlegungs- und Beweislast nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen der Verurteilte.
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