Polizei

Unbemannte Luftfahrtsysteme im Polizeieinsatz

Von PD Frank Ritter und PHK Hauke Denker, Itzehoe/Kiel



Gerade für Bundesländer, die auf keine eigenen PHS-Staffeln zurückgreifen können, stellt das Einsatzmittel Polizei-ULS eine ideale Alternative für Überwachungen und operative Maßnahmen im Luftraum dar. Dies gilt gleichermaßen für die kriminalpolizeiliche Ermittlungsunterstützung als auch für den Schutz- und Sicherungsauftrag bei Veranstaltungen, z.B. im Rahmen von BAO-Lagen. Insbesondere aber jene – großen – Bundesländer, die über PHS verfügen, haben sich kumulativ auch im Bereich der ULS frühzeitig breit aufgestellt und nutzen die sich damit bietenden taktischen Kombinationsmöglichkeiten.


Natürlich haben auch andere Benutzergruppen die Vorteile dieser vergleichsweise günstigen und relativ einfach zu bedienenden Geräte erkannt. Über die wenig robusten „Spielzeugdrohnen“, die dem Nachwuchs unter den Weihnachtsbaum gelegt werden6, hinaus, haben auch die Medien oder z.B. Immobilienmakler, die Professionalität und Profit mit Luftbildmaterial maximieren wollen, diese Technik für sich entdeckt. Und leider sind auch der dunklen Seite unserer Gesellschaft die perfiden Einsatzmöglichkeiten von Drohnen nicht verborgen geblieben – auch Straf- und Attentäter haben den nicht bestimmungsgemäßen Nutzen von Fluggeräten längst erkannt.

 

3 Das ULS-Regelwerk


Die gesetzlichen Grundlagen für den (zivilen und behördlichen) ULS-Betrieb ergeben sich aus dem BGB, dem StGB, dem LuftVG, der LuftVO sowie zahlreichen EU-Verordnungen (zu nennen sind hier in erster Linie die gemeinsamen Vorschriften für die Zivilluftfahrt7, das Verfahren für den Betrieb von ULS8 und die Kategorisierung von Drohnen9). Die grundsätzliche Systematik der Regelerstellung folgt dabei dem Ziel der Identifizierung von Risiken, die durch die Nutzung bestimmter Geräte oder Einsatzszenarien entstehen und daraus folgend die Maßnahmen zur Minimierung eines möglichen Schadenseintritts. Zu den Ver- und Geboten dieser EU-Verordnungen zählen beispielsweise das Verbot des Fluges über Menschenansammlungen sowie über Unglücksorten und Katastrophengebieten, das Verbot des Mitführens von gefährlichen Gütern und der Abwurf von Gegenständen als auch das Gebot des Fluges in Sichtweite.


Bereits im Strafgesetzbuch finden sich zahlreiche Tatbestände, die infolge eines unzulässigen oder sorglosen ULS-Flugbetriebs erfüllt sein können: Die Gefährdung des Luftverkehrs (§ 315a StGB), der gefährliche Eingriff in den Luftverkehr (§ 315 StGB), Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB), die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB) bis hin zur fahrlässigen Körperverletzung (§§ 229, 230 StGB) oder gar der fahrlässigen Tötung (§ 222 StGB). Ein weiterer Straftatbestand ergibt sich aus § 62 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG), wenn ohne eine entsprechende Freigabe in ein Flugbeschränkungsgebiet eingeflogen wird (siehe auch Abschnitt 5 - EA Luft in BAO-Lagen).


Auch in Bezug auf den § 201a StGB fühlen sich Grundstückseigentümer zuweilen durch dröhnendes Fluggerät gestört und sind unsicher, was sie erdulden müssen und was nicht. Einen eher vagen Anhalt gibt § 905 BGB: „Das Recht des Eigentümers eines Grundstücks erstreckt sich auf den Raum über der Oberfläche […]. Der Eigentümer kann jedoch Einwirkungen nicht verbieten, die in solcher Höhe vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse hat“. Eine exakte Maßangabe fehlt im BGB und woran der Bürger ein Interesse hat, dürfte wohl im individuellen Verständnis jedes einzelnen liegen. Für die manntragende Luftfahrt sind für Flüge unterschiedliche Sicherheitsmindesthöhen vorgegeben; im ländlichen Bereich 500 Fuß über Grund (also etwa 150 Meter) und in dichter besiedelten Bereichen 1.000 Fuß über Grund (ca. 300 Meter). Im Zusammenhang mit ULS spielt dies aber keine Rolle, weil Drohnen und Flugmodelle i.d.R. unterhalb solcher Flughöhen operieren. Wenn die geltenden Überflughöhen eingehalten werden, ergibt sich eine Duldungspflicht für den Grundstückseigentümer – so § 21h Nr. 7c LuftVO. Hiernach ist für Privatgrundstücke der Überflug ohne Zustimmung des Grundstückeigentümers mit ULS (unter bestimmten Umständen) in einer Höhe von mindestens 100 Metern über Grund zugelassen. Ein mögliches Spannungsverhältnis zwischen ULS-Fliegern und störungsempfindlichen Grundstückseignern scheint hier nicht aufgelöst. Wer will und kann von einem Eigentümer erwarten, dass er – nichttechnisch und subjektiv – eine jederzeit richtige Einschätzung der tatsächlichen Flughöhe eines unliebsamen ULS feststellen kann? Streit und der Ruf nach der Polizei erscheinen also vorprogrammiert oder nicht ausgeschlossen.


§ 21h LuftVO stellt auch für zahlreiche andere Objekte heraus, was beim Drohnenflug innerhalb welcher Mindestabstände nicht oder nur mit ausdrücklicher Zustimmung überflogen werden darf. Beispielhaft zu nennen sind die Abstände zu Flugplätzen und Flughäfen, zu Industrie- und Militäranlagen, zu Justizvollzugsanstalten, Bundes- und Landesbehörden, Polizeieinrichtungen, Krankenhäusern oder Bundesfernstraßen. ULS-Überflugverbote bzw. Abstandsgebote (mindestens 100 Meter) gibt es zudem für mobile Bewegungen der Streitkräfte (Manöver) als auch für die Unfall- und Einsatzorte der BOS. Hier folgt der Gesetzgeber dem Versuch, das Foto- und Videografieren, einschließlich zuweilen pietätloser social-media-Veröffentlichungen im Live-Modus, zu unterbinden. An das Handyfilmen durch Schaulustige an polizeilichen Absperrungen haben sich die BOS gewöhnt – der Einsatz von Gaffer-Drohnen unmittelbar über dramatischen Unglücksstellen ist aber keineswegs mehr hinnehmbar.


Die Rechtsgrundlagen für die Polizei – den eigenen ULS-Einsatz betreffend – ergeben sich aus dem Strafverfahrensrecht (§§ 163, 100h StPO) und den Polizeigesetzen der Länder und der Bundespolizei (Gefahrenabwehr)10. Bereits das bloße Beobachten aus der Luft ist ein Eingriff ins individuelle Persönlichkeitsrecht. Der Einsatz von Polizeidrohnen muss daher auch unter Datenschutzgesichtspunkten betrachtet, im Sinne einer Schutzbedarfsfeststellung bewertet und durch den DSB freigegeben sein11.


Das taktische Grundwerk der deutschen Polizei, die PDV 100, nennt zwar den Begriff „Raumschutz Luft“, bietet dort (in Ziff. 3.16.3) oder an anderen Stellen aber keine weiteren Ausführungen. Relevant ist hier vielmehr die PDV 134, „Einsatz bei Gefahren aus dem Luftraum“, in der die Ziff. 3.4 das polizeiliche Vorgehen gegen unbemannte Luftfahrtsysteme konkretisiert. Beide Dienstvorschriften, PDV 100 und PDV 134, sind als –VS n.f.D. – eingestuft und untersagen die Weitergabe konkreter Inhalte. An dieser Stelle möge daher der Hinweis auf jene PDVen genügen.

 

4 Anforderungen an das „Drohnen-Personal“


Wer ein Luftfahrzeug führt oder (als sog. Luftfahrer) bedient, bedarf der Erlaubnis – soweit der schlichte Grundsatz aus § 4 Abs. 1 LuftVG. Luftfahrzeuge bergen bei unsachgemäßem Umgang oder technischen Ausfällen erhebliche Gefahren für die Besatzung und die Passagiere. Ein Flugzeugabsturz ist in den allermeisten Fällen mit dem Leben nicht vereinbar. Bei unbemannten Luftfahrtsystemen ist beim Absturz zwar kein Mitfliegender in Gefahr, wohl aber das Umfeld des Aufprallortes. Man male sich aus, welche Folgen eintreten können, wenn eine Drohne – egal, wie groß sie ist – in den Verkehr einer vielbefahrenen Straße stürzt oder in eine Menschenansammlung. So ist es unverzichtbar, Personen die ULS in die Luft bringen, mit Regeln zu belegen und Zuwiderhandlungen und spürbar zu ahnden.


Der Gesetzgeber (EU-VO 947/201912) spricht hier vom Kompetenznachweis („kleiner Drohnen-Führerschein“ für ULS von 250 bis 900 Gramm mit eingeschränkten Flugbedingungen) oder dem EU-Fernpilotenzeugnis („großer Drohnen-Führerschein“ für Drohnen ab 900 Gramm Gewicht und erweiterten Flugmöglichkeiten). Der Erwerb des Kompetenznachweises erfolgt über einen Online-Lehrgang und eine anschließende Theorieprüfung beim Luftfahrtbundesamt. Zur Erlangung des Fernpilotenzeugnis bedarf es darüber hinaus der Erklärung zur Durchführung eines praktischen Selbststudiums und einer zusätzlichen Theorieprüfung.


Für die BOS gibt es Sonderregelungen: Der Art. 2 der EU-Verordnung 2018/1139 – mithin die das ULS-Luftrecht betreffend hochrangigste europäische Verordnung – regelt im Abs. 3 (recht sperrig und deshalb hier für die Polizei auf den Punkt gebracht): „Diese Verordnung gilt nicht für Luftfahrzeuge, wenn ihre Tätigkeiten für die Polizei im öffentlichen Interesse von einer mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteten Stelle durchgeführt werden“. Damit gelten formell weder die Pflicht des Kompetenznachweises noch die Inhalte der EU-Durchführungsverordnung 2019/947 (siehe Abschnitt 3 – ULS-Regelwerk). Ein Zusatz im vorgenannten Art. 2 verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten allerdings, sicherzustellen, dass auch die BOS die Sicherheitsziele der EU-VO angemessen berücksichtigen. Das heißt: Die Polizei muss die Regeln kennen und anwenden, kann jedoch davon abweichen, wenn es der Einzelfall des Einsatzes erfordert und es unter Sicherheitsaspekten vertretbar ist. Sie muss sich jedoch keine Genehmigungen für Einsätze einholen, bei denen andere ULS-Betreiber eine solche benötigen würden. § 21k LuftVO regelt den Betrieb von unbemannten Luftfahrzeugen durch Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben für den nationalen Bereich. Der Betrieb durch oder unter Aufsicht von Behörden bedarf nach § 21k Abs. 1 LuftVO keiner Genehmigung nach Art. 12 der EU-VO 2019/947 (spezielle Kategorie) sofern die zulässige Startmasse weniger als 25 kg beträgt und der Flug im Rahmen der Aufgabenerfüllung stattfindet. Der Betrieb von ULS durch BOS unterliegt nach § 21k Abs. 2 LuftVO auch nicht den Regelungen der §§ 21h und 21i LuftVO. Es bedarf folglich für den Betrieb in diesen Gebieten keiner Erlaubnis.


Sofern es der Einsatzzweck erfordert, kann auch von den Regelungen aus § 21a Abs. 2 i.V.m. § 21b Abs. 1 LuftVO abgewichen werden (z.B. Nachtflug, Sichtflug, Überflüge, Höhenbeschränkungen oder Kontrollgebiete). Aus dem Selbstverständnis einer besonderen Vorbildfunktion und Garantenstellung heraus hat die Polizei den Anspruch, ihre „Drohnen-Piloten“ (sie nennt sie Luftfahrzeugfernführer, kurz LFFF) sogar deutlich besser zu qualifizieren, als gewerbliche oder private ULS-Steuerer. Als eine der Einrichtungen, die Verstöße beim ULS-Flug aufdecken und verfolgen muss, sollte sich die Polizei durch eine vermeintliche Minderqualifizierung nicht angreifbar machen. Aus diesem Grund haben der Bund und die Länder ULS-Mindeststandards und entsprechende Aus- und Fortbildungskonzepte entwickelt bzw. in ihren ULS-Fachkonzepten verankert. Sie folgten damit einem UA FEK-Beschluss zum Abschlussbericht der Bund-Länder-Projektgruppe „Mindeststandards für die Aus- und Fortbildung polizeilicher LFFF“13.