Recht und Justiz

„Kommen Sie doch rein!“

Von der Einwilligung in strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen nach Inkrafttreten des § 500 StPO

3 Verwertbarkeit erlangter Beweismittel


Zwar sprechen überzeugende Argumente für die weiterhin geltende Wirksamkeit einer Einwilligung in strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, jedoch soll für die „polizeiliche Praxis“ ebenfalls dargestellt werden, welche Konsequenzen sich aus der gegenteiligen Ansicht ergeben könnten. Insofern würde wegen Verstoßes gegen § 500 StPO i.V.m. § 51 BDSG ein sog. Beweiserhebungsverbot vorliegen19. Dem Strafverfahrensrecht lässt sich aber kein allgemein geltender Grundsatz entnehmen, wonach jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht. Ob ein solches eingreift, ist vielmehr jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Maßgeblich beeinflusst wird das Ergebnis der Abwägung einerseits durch das Ausmaß des staatlichen Aufklärungsinteresses, dessen Gewicht im konkreten Fall vor allem unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit weiterer Beweismittel, der Intensität des Tatverdachts und der Schwere der Straftat bestimmt wird. Andererseits ist das Gewicht des in Rede stehenden Verfahrensverstoßes von Belang, das sich vor allem danach bemisst, ob der Rechtsverstoß gutgläubig, fahrlässig oder vorsätzlich begangen wurde20. Dabei muss beachtet werden, dass die Annahme eines Verwertungsverbots, auch wenn die Strafprozessordnung nicht auf Wahrheitserforschung um jeden Preis gerichtet ist, eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrechts einschränkt. So hat das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle relevanten Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken. Daran gemessen bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist21. Dies kommt etwa in Betracht bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen werden22. Zur Frage der Anwendbarkeit des § 500 StPO i.V.m. § 51 BDSG auf die Einwilligung in strafprozessuale Maßnahmen ist bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung ergangen. Hingegen liegt, wie bereits aufgezeigt, eine umfangreiche Judikatur vor, welche die Wirksamkeit einer Einwilligung grundsätzlich nicht von einer etwaigen Belehrung abhängig macht. Insofern dürften ermittelnde Polizeibeamte, die nicht von einer solchen Belehrungspflicht ausgehen, keinesfalls willkürlich handeln23. Bei einem nicht willkürlichen Verfahrensverstoß der Ermittlungsbeamten ist es im Übrigen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Einschränkung der Annahme von Beweisverwertungsverboten möglich, dem Verfahrensgeschehen einen hypothetischen rechtmäßigen Ermittlungsverlauf zugrunde zu legen24. Des Weiteren dient § 500 StPO i.V.m. § 51 BDSG auch nicht der Wahrung der zentralen Verfahrensrechte des Betroffenen. Vielmehr wird dieser etwa vor einer ungewollten Selbstbelastung bereits umfassend durch § 163 Abs. 3 S. 2 StPO i.V.m. § 55 StPO bzw. § 163a Abs. 4 StPO i.V.m. § 136 StPO geschützt. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt bei einem potentiellen Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot i.S.d. § 500 StPO i.V.m. § 51 BDSG ein Beweisverwertungsverbot fern25.

 

4 Resümee


Wer Einfaches schwierig machen möchte, muss derzeit leider lediglich fragen: „Und was ist mit Datenschutz?“. Doch bezüglich der Einwilligung in strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen kann dieser Grundsatz glücklicherweise keine Geltung beanspruchen. Denn wie ausführlich erläutert, folgt aus § 500 StPO i.V.m. § 51 BDSG weder eine Einschränkung der Möglichkeit einer solchen Einwilligung noch wird hierdurch eine datenschutzrechtliche Informations- und Belehrungspflicht konstituiert. Doch selbst wenn die Anwendbarkeit des § 500 StPO i.V.m. § 51 BDSG auf derartige Einwilligungen bejaht werden sollte, folgt aus einem etwaigen Verstoß kein Verwertungsverbot bezüglich der erlangten Beweismittel. Die ermittelnden Polizeibeamten sowie die zuständigen Staatsanwälte können daher etwaigen Beanstandungen seitens Strafverteidigern gelassen entgegensehen. Darüber hinaus bleiben allen Beteiligten im Rahmen der Ermittlungstätigkeit drohende skurrile Situationen erspart. Etwa zwei Polizeibeamte, die sich trotz mehrfacher Aufforderung des Tatverdächtigen, dessen Wohnung bezüglich etwaiger Tatmittel in Augenschein zu nehmen, weigern, diese zu betreten, da sie drohende Verfahrensfehler und etwaige disziplinarrechtliche Konsequenzen fürchten. Dies könnte auch dem „Bürger von der Straße“ kaum vermittelt werden.

Es bleibt daher festzuhalten, dass die Wirksamkeit von Einwilligungen in strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen von § 500 StPO i.V.m. § 51 BDSG nicht beeinträchtigt wird. Insofern kann die Antwort ermittelnder Polizeibeamter auf die Bitte „Kommen Sie doch rein!“ auch zukünftig „Gern!“ lauten.

 

Anmerkungen

 

  1. Mirja Straßburger und Dr. Sören Pansa sind bei der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein tätig. Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung der Verfasser wieder.
  2. Vgl. statt vieler BVerfG, Beschluss vom 21. Oktober 2003 - 2 BvR 1500/03 -, zitiert nach juris.
  3. Vgl. etwa OLG Köln, Urteil vom 27. Oktober 2009 - 81 Ss 65/09 -, StV 2010, 14.
  4. BGH, Urteil vom 9. Juli 1987 - 4 StR 223/87 -, BGHSt 34, 397.
  5. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 23. März 2007 - 3 - 4/07 (REV) -, StV 2008, 12.
  6. BGBl. I 2019, 1724ff.
  7. Vgl. z.B. El-Ghazi in ZIS 2019, 110ff.; Singelnstein in NStZ 2020, 639, 640f.; Schwichtenberg in K&R 2021, 243, 247; Stemmer/Wolf in BeckOK Datenschutzrecht, 39. Auflage 2021, § 51 Rn. 13; Schwichtenberg in Kühling/Buchner, DSGVO BDSG, 3. Auflage 2020, § 51 Rn. 11; a.A.: Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Auflage 2022, § 161 Rn. 1a.
  8. LG Berlin, Beschluss vom 27. April 2020 - 504 Qs 7/20 -; LG Kiel, Beschluss vom 19. August 2021 - 10 Qs 43/21 -, StraFo 2022, 30f.
  9. Vgl. BT-Drs. 19/4671 S. 71.
  10. Vgl. hierzu z. B. Schulz in Gola/Heckmann, BDSG, 13. Auflage 2019, § 46 Rn. 26f.
  11. Vgl. BT-Drs. 19/4671 S. 44.
  12. BGH, Urteil vom 27. September 2018 - 4 StR 135/18 -, NStZ-RR 2019, 26f.
  13. Bzgl. der bezeichneten Entscheidung wäre potentiell § 38 DSG NRW v. 17. Mai 2018 anwendbar gewesen.
  14. BGH, Beschluss vom 18. November 2021 - StB 6/21, StB 7/21 -, NStZ 2022, 306, 308.
  15. Singelnstein in NStZ 2020, 639, 640f.; Schwichtenberg in K&R 2021, 243, 247; El-Ghazi in ZIS 2019, 110, 117f.; Stemmer/Wolf in BeckOK Datenschutzrecht, 39. Auflage 2021, § 51 Rn. 13; Schwichtenberg in Kühling/Buchner, DSGVO BDSG, 3. Auflage 2020, § 51 Rn. 6a, 11; a. A.: LG Berlin, Beschluss vom 27. April 2020 - 504 Qs 7/20 -; LG Kiel, Beschluss vom 19. August 2021 - 10 Qs 43/21 -, StraFo 2022, 30f.; Hegmann in BeckOK StPO, 42. Auflage 2022, § 105 Rn. 2; Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Auflage 2022, § 105 Rn. 1 und § 161 Rn. 1a.
  16. Vgl. hierzu z. B. Sachs, Grundgesetz, 9. Auflage 2021, Vorb. zu Abschnitt I Rn. 57 m. w. N.; Schmidt in Erfurter Kommentar, 22. Auflage 2022, Einl. Rn. 60; Fischinger in JuS 2007, 808, 810.
  17. Vgl. BT-Drs. 18/11325 S. 112.
  18. Vgl. hierzu z. B. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Auflage 2017, Teil 5. Rn. 1058 m.w.N.
  19. Vgl. zu dem Begriff des Beweiserhebungsverbotes: Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 10. Auflage 2017, Rn. 336ff.
  20. Vgl. statt vieler BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 - 6 StR 319/21 -, NStZ 2022, 188.
  21. BGH, Urteil vom 18. April 2007 - 5 StR 546/06 -, BGHSt 51, 285.
  22. BGH, Beschluss vom 21. April 2016 - 2 StR 394/15 -, StV 2016, 539.
  23. So auch BGH, Urteil vom 3. Mai 2018 - 3 StR 390/17 -, NStZ 2019, 227 zu einer sog. qualifizierten Belehrung.
  24. BGH, Urteil vom 17. Februar 2016 - 2 StR 25/15 -, NStZ 2016, 551.
  25. So auch zur Verwertbarkeit eines gegen Datenschutzrecht verstoßenden Privatvideos, welches den Ermittlungsbeamten zur Verfügung gestellt worden ist: BGH, Beschluss vom 18. August 2021 - 5 StR 217/21 -, ZD 2021, 637; OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Mai 2016 - 4 Ss 543/15 -, NJW 2016, 2280; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 27. Juni 2017 - 1 Rev 12/17 -, NStZ 2017, 726.

 

Seite: << zurück12