„Kommen Sie doch rein!“
Von der Einwilligung in strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen nach Inkrafttreten des § 500 StPO
Von Oberstaatsanwältin Mirja Straßburger und Oberstaatsanwalt Dr. Sören Pansa, Schleswig1
1 Hintergründe
Einwilligungen in strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen sind Teil des polizeilichen Arbeitsalltages. Man denke etwa an den Tatverdächtigen, welcher im Supermarkt wegen eines Diebstahlsverdachts durch die Angestellten angesprochen wird und anschließend den herbeigerufenen Polizeibeamten die Einsichtnahme in seine Einkaufstaschen erlaubt. Selbst das Bundesverfassungsgericht hat keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Möglichkeit einer derartigen Einwilligung geäußert2. Die höchstrichterliche Rechtsprechung stellt dabei keine hohen Anforderungen an deren Wirksamkeit. Sie sollte ausdrücklich erfolgen. Dies schließt konkludente Einwilligungen nicht aus; lediglich die bloße Duldung einer Maßnahme ist hierfür nicht ausreichend3. Einer Belehrung über die Freiwilligkeit und Reichweite der Einwilligung bedarf es lediglich in Ausnahmesituationen. Wenn etwa der Betroffene aufgrund offensichtlicher intellektueller Defizite Fehlvorstellungen bezüglich der Bedeutung einer Einwilligung haben könnte4 oder die Maßnahme, auf welche sich die Einwilligung bezieht, mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zwangsweise durchgesetzt werden dürfte5.
Doch seit November 2019 könnten diese Grundsätze ggf. keine Gültigkeit mehr beanspruchen. Denn zu diesem Zeitpunkt schuf der deutsche Gesetzgeber in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 die Regelung des § 500 StPO6. Diese erklärt bezüglich strafprozessualer Maßnahmen die Regelungen des 3. Teils des Bundesdatenschutzgesetzes für entsprechend anwendbar. Was wie eine wenig sagende Verweisung in das Bundesdatenschutzgesetz wirkt, könnte weitreichende Konsequenzen für die Möglichkeit einer Einwilligung in derartige Ermittlungshandlungen zeitigen. Dies resultiert aus dem von der Verweisung erfassten § 51 BDSG, welcher zahlreiche detaillierte Anforderungen an die Wirksamkeit einer Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten formuliert. So ist der Erklärende unter anderem über die Freiwilligkeit und die Widerruflichkeit der Einwilligung zu belehren. Ferner haben die Ermittlungsbehörden die Wirksamkeit der Einwilligung bzw. die erfolgte Belehrung im Bedarfsfall nachzuweisen. Im Folgenden soll deshalb auf die Fragen der Reichweite des § 500 StPO i.V.m. § 51 BDSG und etwaige damit verbundene Konsequenzen für die Verwertbarkeit erlangter Beweismittel eingegangen werden.
2 Anwendbarkeit des § 51 BDSG auf strafprozessuale Maßnahmen
Die Frage der Anwendbarkeit des § 51 BDSG auf strafprozessuale Maßnahmen ist anlässlich der Einführung des § 500 StPO in der Fachliteratur intensiv diskutiert und im Ergebnis überwiegend bejaht worden7. Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen ist die Thematik – soweit ersichtlich – bisher nur vereinzelt gewesen. So haben das Landgericht Berlin und das Landgericht Kiel auf eine Einwilligung des Betroffenen gestützte Durchsuchungsmaßnahmen wegen vermeintlicher Verstöße gegen datenschutzrechtliche Belehrungserfordernisse als rechtswidrig erachtet und insoweit auf die Vorgaben des § 51 BDSG (LG Kiel) bzw. die entsprechende landesgesetzliche Regelung (LG Berlin) abgestellt8. Eine Anwendung landesgesetzlicher Vorgaben dürfte indes in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts des § 500 StPO und der in der Gesetzesbegründung ausdrücklich benannten Intention des Gesetzgebers, eine bundesweit einheitliche Ausgestaltung des Datenschutzrechts für den Bereich der Strafprozessordnung zu gewährleisten9, ausscheiden. Aber auch die Annahme, § 51 BDSG fände über die Verweisungsnorm des § 500 StPO auf strafprozessuale Maßnahmen Anwendung, ist keinesfalls zwingend. So bezieht sich § 51 BDSG seinem Wortlaut nach ausschließlich auf die Einwilligung zu einer Verarbeitung personenbezogener Daten. Obgleich der in § 46 Nr. 2 BDSG definierte Begriff der (Daten-)Verarbeitung weit auszulegen ist10 und mit strafrechtlichen Ermittlungshandlungen regelmäßig Datenverarbeitungen verbunden sind, dürfte die strafprozessuale Maßnahme selbst nicht ohne Weiteres mit der Datenverarbeitung gleichzusetzen sein. Vielmehr spricht bereits ein Blick in die Strafprozessordnung dafür, dass in rechtlicher Hinsicht zwischen dem jeweiligen „Realakt“, z.B. dem Durchsuchen einer Wohnung, und der die Maßnahme betreffenden Datenverarbeitung, z.B. der Dokumentation der Ermittlungsergebnisse, zu differenzieren ist. So unterscheidet beispielsweise § 161 Abs. 3 StPO ausdrücklich zwischen der strafprozessualen Maßnahme einerseits und der Verarbeitung der daraus erlangten Daten andererseits, was aus der Verwendung des Begriffs „auf Grund“ deutlich wird. Im Übrigen nimmt die Gesetzesbegründung zu § 500 StPO, soweit sie die Anwendbarkeit des § 51 BDSG im Bereich der Strafprozessordnung betrifft, ausdrücklich auf die Entwurfsfassung des § 161 Abs. 3 StPO Bezug11, woraus zu schließen sein dürfte, dass der Entscheidung des Gesetzgebers ebenfalls eine solche Differenzierung zugrunde lag. Demgemäß ist der Bundesgerichtshof noch im September 2018 von der Möglichkeit einer eine strafprozessuale Durchsuchung legitimierenden Einwilligung des Betroffenen ausgegangen, ohne etwaige datenschutzrechtliche Vorgaben zu diskutieren12. Zwar erging die maßgebliche Entscheidung noch vor Inkrafttreten des u.a. auf § 51 BDSG verweisenden § 500 StPO, es existierten indes bereits entsprechende landesgesetzliche Regelungen13. Des Weiteren hat der Bundesgerichtshof im November 2021 ausdrücklich bestimmt, dass einem Zeugen regelmäßig die Möglichkeit einer freiwilligen Herausgabe eines Beweismittels zur Abwendung von Durchsuchungsmaßnahmen i.S.d. § 103 StPO eingeräumt werden muss. Auch insoweit sind keinerlei Ausführungen hinsichtlich etwaiger datenschutzrechtlicher Belehrungs- und Informationspflichten, welche von den Ermittlungsbeamten zu beachten wären, erfolgt14.
Sofern man gleichwohl von einer Anwendbarkeit des § 51 BDSG auf strafprozessuale Maßnahmen ausgehen wollte, stellt sich die Frage nach den hieraus folgenden Konsequenzen. Zum einen wäre die Rechtmäßigkeit entsprechender Ermittlungshandlungen an den datenschutzrechtlichen Informations- und Belehrungserfordernissen zu messen, zum anderen ist fraglich, welche Anforderungen an die Ermächtigungsnorm zu stellen sind, auf deren Grundlage die strafprozessuale Maßnahme durchgeführt wird. So heißt es in § 51 Abs. 1 BDSG: „Soweit die Verarbeitung personenbezogener Daten nach einer Rechtsvorschrift auf der Grundlage einer Einwilligung erfolgen kann, muss der Verantwortliche die Einwilligung der betroffenen Person nachweisen können.“ Diesbezüglich wird zum Teil vertreten, die Formulierung „nach einer Rechtsvorschrift“ sei im Sinne eines (strengen) Gesetzesvorbehaltes zu verstehen. Dies habe zur Folge, dass eine strafprozessuale Ermittlungshandlung nur dann auf eine Einwilligung des Betroffenen gestützt werden könne, wenn die zugrundeliegende strafprozessuale Norm eine Einwilligung als Rechtsgrundlage vorsehe15, wie es etwa hinsichtlich der körperlichen Untersuchung des Beschuldigten i.S.d. § 81a StPO der Fall ist. Für die strafrechtliche Praxis hätte eine solche Auslegung des § 51 Abs. 1 BDSG erhebliche Bedeutung. So wären zahlreiche auf der Basis einer Einwilligung bzw. einer freiwilligen Mitwirkung des Betroffenen durchgeführte Maßnahmen mangels einer den vorbezeichneten Anforderungen entsprechenden Rechtsgrundlage als rechtswidrig zu bewerten. Dies gilt insbesondere für einwilligungsbasierte Durchsuchungsmaßnahmen, da den Regelungen der §§ 102 ff. StPO gerade keine Angaben zu der Möglichkeit einer Einwilligung als Legitimationsgrundlage zu entnehmen sind.
Die Interpretation des § 51 Abs. 1 BDSG im Sinne eines (strengen) Gesetzesvorbehaltes, welche dem Grundsatz der freien Disponibilität der Grundrechte16 zuwiderläuft, vermag indes nicht zu überzeugen. Die Formulierung „nach einer Rechtsvorschrift“ dürfte vielmehr lediglich der Klarstellung dienen, dass § 51 BDSG nicht selbst Rechtsgrundlage einer Datenverarbeitung sein kann, sondern allein das „Wie“ einer datenschutzrechtlichen Einwilligung ausgestaltet. Hierfür spricht der in der Gesetzesbegründung zu § 51 BDSG17 erfolgte Verweis auf Art. 7 DSGVO. Jene Vorschrift regelt die Bedingungen einer Einwilligung für den Anwendungsbereich der DSGVO. Die Möglichkeit einer einwilligungslegitimierten Datenverarbeitung – und damit das „Ob“ einer Einwilligung – ist hingegen in Art. 6 DSGVO normiert, auf welchen die Gesetzesbegründung zu § 51 BDSG aber gerade nicht Bezug nimmt.
Dass eine Auslegung des § 51 BDSG im Sinne eines (strengen) Gesetzesvorbehaltes nicht der gesetzgeberischen Intention entsprechen dürfte, wird auch aus den Folgen deutlich, die mit einer entsprechenden Interpretation verbunden wären. So ginge mit der Annahme eines Gesetzesvorbehaltes ein Ausschluss milderer Maßnahmen im Rahmen der strafrechtlichen Sachverhaltsaufklärung einher. Zur Feststellung einer etwaigen (im Folgenden ggf. zu verifizierenden) Alkoholisierung müsste beispielsweise stets eine Blutprobenentnahme i.S.d. § 81a StPO erfolgen. Auf die weniger eingriffsintensive Atemalkoholmessung könnte nicht zurückgegriffen werden, da es insoweit an einer Ermächtigungsnorm fehlt, welche die Möglichkeit einer einwilligungsgestützten Durchführung vorsieht. Dem Beschuldigten würde zudem die Möglichkeit einer unmittelbaren Selbstentlastung sowie einer – ggf. im Rahmen der späteren Strafzumessung zu berücksichtigenden18 – Kooperation abgeschnitten. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit den die datenschutzrechtliche Einwilligung betreffenden Vorgaben eine solche Mehrbelastung des von einer Ermittlungsmaßnahme Betroffenen beabsichtigt haben könnte, sind den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen.
Gegen die Annahme eines aus § 51 BDSG erwachsenden Gesetzesvorbehalts spricht im Übrigen § 161 Abs. 3 StPO, welcher die Voraussetzungen einer Verwendung außerstrafprozessual erlangter Daten im Falle einer fehlenden Einwilligung des Betroffenen normiert. Dass der Gesetzgeber – was jener Vorschrift unzweifelhaft zu entnehmen ist – von der grundsätzlichen Möglichkeit einer Einwilligung zu einer Verwendung außerstrafprozessual erhobener Daten ausgegangen ist, ohne aber gleichzeitig eine solche Möglichkeit für innerhalb des jeweiligen Ermittlungsverfahrens bestehende Erkenntnisquellen anerkennen zu wollen, würde zu einem nicht erklärbaren Wertungswiderspruch führen. Entsprechendes gilt für die § 479 Abs. 2 StPO zu entnehmende Möglichkeit, in verfahrensübergreifende Datenverarbeitungen einzuwilligen.
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