Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung – ein Überblick (Teil 2)
Von Prof. Dr. Dennis Bock und Cathrin Lebro, Kiel
5.1.2.2 Förderung entgeltlicher Sexualkontakte, § 180 II StGB
Gem. § 180 II StGB muss der Täter das Opfer entweder erfolgreich zur Vornahme oder zum Vornehmen lassen sexueller Handlungen gegen Entgelt bestimmen oder solchen vollzogenen Handlungen durch Vermittlung Vorschub geleistet haben. In allen Fällen muss eine Einigung vorliegen, wonach ein geldwerter Vorteil – auch Sachwerte, z.B. Reisen38 – Gegenleistung für die sexuelle Handlung sein soll.39 Wem das Geld zufließen soll, ist unerheblich.40
5.1.2.3 Missbrauch von Abhängigkeitsverhältnissen, § 180 III StGB
§ 180 III StGB stellt systematisch eine Ergänzung zu § 174 I Nr. 2 StGB dar.41 Vorausgesetzt wird zunächst einen Abhängigkeitsverhältnis i.S.d. § 174 I Nr. 1 oder 2 StGB. Zudem muss der Täter unter Missbrauch der Abhängigkeitsstellung die geschützte Person erfolgreich zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen bestimmt haben.
5.2 Sonstiges
§ 180 III StGB ist ein Sonderdelikt.42 Als notwendige Teilnehmer sind das Opfer und der Dritte, deren sexuellen Handlungen der Täter fördert, straflos.43 Der Versuch der § 180 II und III StGB ist gem. § 180 IV StGB strafbar.
6 Sexueller Missbrauch von Jugendlichen, § 182 StGB
§ 182 StGB stellt den sexuellen Missbrauch von Jugendlichen unter Strafe. Anders als in § 176 StGB gesteht der Gesetzgeber den Jugendlichen hier eine gewisse sexuelle Selbstbestimmung zu, sodass solche sexuelle Handlungen, die mit dem Einverständnis des Jugendlichen einhergehen, grundsätzlich straffrei sind. Ein Schutz vor sexualbezogenen Kontakten besteht demnach nur in bestimmten Situationen, in denen die Minderjährigen aufgrund ihrer Unerfahrenheit gefährdet sind.44
6.1 Tatbestand
Das Opfer darf im Falle der Abs. 1 und 2 das 18. Lebensjahr, im Falle des Abs. 3 das 16. Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Täter ist nur, wer strafmündig (§ 182 I StGB), volljährig (§ 182 II StGB) bzw. 21 Jahre alt (§ 182 III StGB) ist. In allen Tatvarianten muss der Täter das Opfer missbrauchen. Diesem Merkmal kommt indes nur eine Negativfunktion zu und soll bloß in außergewöhnlichen Ausnahmefällen zu einer Einschränkung des Tatbestandes führen.45
Nach § 182 I Nr. 1 StGB muss der Täter sexuelle Handlungen mit unmittelbarem Körperkontakt unter Ausnutzung einer Zwangslage vornehmen oder vornehmen lassen. Eine Zwangslage ist anzunehmen, wenn sich das Opfer in einer ernsten persönlichen oder wirtschaftlichen Bedrängnis befindet.46 Damit werden insbesondere drogenabhängige oder von zu Hause weggelaufene Jugendliche erfasst.47 Ausgenutzt wird die Zwangslage, wenn hierdurch der Taterfolg ermöglicht oder erleichtert wird und dies vom Täter bewusst einkalkuliert wird.48Bsp.: T verspricht O, eine Lehrstelle zu gewähren, wenn sie sexuelle Handlungen mit ihm vornimmt.
§ 182 I Nr. 2 StGB umfasst das Bestimmen des Opfers zu sexuellen Handlungen mit Dritten unter Ausnutzung einer Zwangslage.
Gem. § 182 II StGB muss es zu sexuellen Handlungen zwischen Täter und Opfer gegen Entgelt kommen. Die Vereinbarung eines Entgelts genügt, sodass auch täuschendes Verhalten des Täters erfasst wird.49
§ 182 III StGB betrifft das Ausnutzen der fehlenden sexuellen Selbstbestimmungsfähigkeit des Opfers über die Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen mit dem Täter oder mit Dritten. Die fehlende Fähigkeit ist im Einzelfall vom Gericht zu beurteilen und stellt keine generell dem Opfer zukommende Eigenschaft dar.50
6.2 Sonstiges
Der Versuch ist gem. § 182 IV StGB strafbar. § 182 V StGB normiert ein Antragserfordernis für Taten nach § 182 III StGB. Im Übrigen kann das Gericht nach § 182 VI StGB bei geringem Unrecht von Strafe absehen (§ 153 StGB).
7 Jugendgefährdende Prostitution, § 184g StGB
§ 184g StGB stellt die jugendgefährdende Prostitution unter Strafe. Es handelt sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt, das nur eigenhändig begangen werden kann.51 Strafbar macht sich, wer bestimmte Formen der Prostitution in der Nähe einer Schule oder anderen Örtlichkeit, die zum Besuch durch Personen unter 18 Jahren bestimmt ist (z.B. Kindergärten, Spielplätze)52, oder in einem Haus, in dem Personen unter 18 Jahren wohnen, in einer Weise nachgeht, die diese Personen sittlich gefährdet. Eine solche konkrete Gefährdung ist anzunehmen, wenn die Kinder durch Beobachtungen so beeinflusst werden, dass sie in der Entwicklung ihrer ethischen Wertvorstellungen beeinträchtigt werden können.53 Die Tageszeit spielt zwar grds. keine Rolle, jedoch ist eine Gefährdung zu verneinen, wenn z.B. mit dem Erscheinen von Kindern nicht zu rechnen ist.54
F – Straftaten gegen den Missbrauch institutioneller und psychotherapeutischer Abhängigkeiten
Der Verhinderung der Ausnutzung institutioneller Abhängigkeiten zum Schutze der sexuellen Selbstbestimmung der abhängigen Personen dienen die §§ 174a-c StGB.
Geschützt werden von § 174a StGB Gefangene und behördlich Verwahrte sowie Kranke oder Hilfsbedürftige in Einrichtungen (§ 174a StGB), von § 174b StGB die von einem Strafverfahren und die von einem Verfahren zur Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung und Besserung Betroffenen und von § 174c StGB Personen in einem Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnis.
Täter ist nach §§ 174a, 174c, wem die geschützte Person anvertraut ist. Dies setzt das Bestehen eines konkreten Betreuungs-, Beratungs- oder Beaufsichtigungsverhältnisses voraus, aus dem sich ein Über-Unterordnungsverhältnis ergibt. 55 Erfasst sind z.B. Aufsichts- und Pflegepersonal, Betreuer oder Therapeuten.56 Täter i.S.d. § 174b StGB sind dagegen die als Amtsträger (§ 11 I Nr. 2 StGB) zur Mitwirkung an einem einschlägigen Verfahren Berufenen, z.B. Richter oder die über die Unterbringung entscheidenden Ärzte.
Es handelt sich somit um Sonderdelikte.57 Strafbar macht sich der Täter, wenn er unter Missbrauch der sich aus dem jeweiligen Verhältnis ergebenden Abhängigkeit sexuelle Handlungen am Opfer vornimmt oder vom Opfer an sich vornehmen lässt. Der Versuch ist jeweils nach Abs. 3 strafbar.
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