Kriminalitätsbekämpfung

Dokumentation von Vernehmungen – traditionell und audiovisuell (Teil 1)

Von Staatsanwalt Dr. Heiko Artkämper und Dozent Thorsten Floren, Dortmund/Mülheim*



Der Vernehmungsbeamte muss sich darüber im Klaren sein, dass kein Richter und kein Staatsanwalt aus der bei den Antworten wiedergegebenen Wortwahl (des Beschuldigten oder eines Zeugen) Rückschlüsse auf Bildung oder Einstellung des Beamten zieht. Bei möglichst wortgetreuen Dokumentationen ist so weit wie möglich die Wortwahl des Beschuldigten wiederzugeben. Bei Vorhalten kann es nicht angehen, dass eine Antwort auf die Protokollierung „auf Vorhalt“ wiedergegeben wird, zumal eine Antwort nicht in sich verständlich ist, wenn der Vorhalt selbst nicht Aktenbestandteil geworden ist. Bei der Dokumentation der Antworten ist der Polizeibeamte lediglich eine einfache Schreibhilfe des Beschuldigten, die versuchen muss, das Sprachniveau des Beschuldigten möglichst wortgetreu wiederzugeben.


Eine insoweit bislang nahezu missachtete Regelung findet sich in Nr. 45 Abs. 2 der RiStBV: „Für bedeutsame Teile der Vernehmung empfiehlt es sich, die Fragen, Vorhalte und Antworten möglichst wörtlich in die Niederschrift aufzunehmen. Legt der Beschuldigte ein Geständnis ab, so sind die Einzelheiten der Tat möglichst mit seinen eigenen Worten wiederzugeben. Es ist darauf zu achten, dass besonders solche Umstände aktenkundig gemacht werden, die nur der Täter wissen kann. Die Namen der Personen, die das Geständnis mit angehört haben, sind zu vermerken.“


Je mehr sich die Dokumentation der Vernehmung dem Sprachniveau und der Wortwahl des Beschuldigten nähert und daher authentisch ist, desto eher sind Staatsanwalt und Gericht auch geneigt, den bestreitenden, ganz oder teilweise schweigenden Angeklagten später an diesen Äußerungen festzuhalten.


Nach den vorangegangenen Ausführungen dürfte es selbstverständlich sein, dass dem Beschuldigten die Möglichkeit gegeben wird, die Vernehmungsniederschrift durchzulesen und Korrekturen vorzunehmen. Auch hier ist darauf zu achten, dass genau dokumentiert werden sollte, ob er die Niederschrift selbst liest oder sie ihm vorgelesen wird. Gleiches gilt bei der Übersetzung durch einen Dolmetscher. Da bei schweigenden Angeklagten eine Rekonstruktion der Aussage durch die Vernehmung der Vernehmungsperson erfolgt, ist es auch irrelevant, wenn –  was von vielen Polizeibeamten als Affront verstanden wird – der Beschuldigte das (Vor)Lesen und/oder seine Unterschrift verweigert.

 

2.6 Eindrucksvermerke

Im Anschluss einer Vernehmung sollte der Vernehmungsbeamte die bei ihm noch frisch vorhandenen Eindrücke über den Beschuldigten, den Umstand der Vernehmung und für ihn und das Delikt/Strafverfahren ungewöhnliche oder bemerkenswerte Feststellungen zeitnah protokollieren. Diese Form des Aktenvermerks gehört zudem auch zu den Aufgaben des Vernehmenden, da dieser sinnlich wahrnehmbare Umstände festhält, damit später Staatsanwalt, Verteidiger und Gericht einen plastischen Eindruck von der Vernehmungssituation, dem Verhalten des Beschuldigten oder anderer Umstände, die im Zusammenhang mit der Vernehmung und ihrer Situation stehen, erhalten und diese rekonstruieren können.


Dafür bieten sich sogenannte Eindrucksvermerke an, in denen der Vernehmende seine Wahrnehmungen niederlegt, die für die Beantwortung der Frage nach der Vernehmungsfähigkeit und/oder dem Zustandekommen eines Geständnisses hilfreich sein können. Ausschlaggebend sind allerdings nur Tatsachen, nicht aber abgeleitete Wertungen zu dokumentieren. Beispielhaft hilft die Angabe, der Beschuldigte sei an einer bestimmten Stelle der Vernehmung „nervös“ geworden, nicht weiter, da sie eine reine Schlussfolgerung beinhaltet. Zu dokumentieren sind daher die Anknüpfungstatsachen, die der Vernehmende wahrgenommen hat: „Der Beschuldigte brach in Tränen aus, die Hände fingen an zu zittern …“. Ob derartige Wahrnehmungen als Eindrucksvermerk in den Text der Vernehmung integriert oder in einem gesonderten Vermerk niedergelegt werden, ist eine Frage des Ablaufs der konkreten Vernehmung. Bei während der gesamten Vernehmung identischen/konstanten Eindrücken bietet sich ein gesonderter Eindrucksvermerk an. Kommt es hingegen in der laufenden Vernehmung zu starken emotionalen Schwankungen und/oder Gefühlsausbrüchen an unterschiedlichen Stellen, ist es einfacher und besser nachvollziehbar, wenn diese an der entsprechenden Stelle in den Vernehmungstext eingefügt werden.

 

2.7 Resümee

  1. Übersicht zur ordnungsgemäßen Dokumentation traditioneller Vernehmungen:
  2. Das Protokoll einer Vernehmung ist nicht die Wiedergabe des wesentlichen Ergebnisses der Vernehmung, sondern muss die Vernehmungssituation plastisch widerspiegeln.
  3. Die Belehrung ist so zu protokollieren, wie sie tatsächlich vorgenommen wurde.
  4. Soweit möglich: Wörtliche Protokollierung der Inhalte in direkter Rede.
  5. Vorhalte sind auszuformulieren.
  6. Vulgärsprache, Kraftausdrücke, abgebrochene Sätze, schiefe Satzstellungen und falsche Grammatik des Vernommenen sind zu übernehmen.
  7. Der äußere Ablauf (Beginn/Pausen/Störungen/Ende) ist aufzunehmen.
  8. Sofern der Vernommene Änderungen vornehmen möchte, sollte er dies handschriftlich in der Originalvernehmungsniederschrift tun.
  9. Ein begleitender Eindrucksvermerk dokumentiert Wahrnehmungen des Vernehmenden; dieser ist an dieser Stelle bloßer Zeuge, der Tatsachen niederlegt. Bewertungen sind daher zu vermeiden.
  10. Es ist rechtlich irrelevant, wenn der Vernommene – auch wenn es den Vernehmenden ärgert – die Unterschrift verweigert.

 

Anmerkung


* Dr. Heiko Artkämper ist Staatsanwalt als Gruppenleiter bei der Staatsanwaltschaft Dortmund und daneben u.a. Präsident der DGfK. Thorsten Floren ist Dozent für das Studienfach Kriminalistik an der HSPV Nordrhein-Westfalen, Abteilung Mülheim. Beide Autoren sind durch zahlreiche Fachpublikationen bekannt.

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