Kriminalität

Clankriminalität

Organisierte Kriminalität als Bedrohung für die Innere Sicherheit

7 Staatliche Gegenmaßnahmen


Seit 2018 kann von einem gemeinsamen Vorgehen aller Bundesländer gegen Mitglieder krimineller Familienclans gesprochen werden. Polizeibehörden können nur mit Geduld, Ausdauer und dem Einsatz von Spezialisten erfolgreich sein. Der Vorsitzende des BDK, Sebastian Fiedler, und der Chef der GdP, Oliver Malchow, haben wenige Tage vor der Konferenz der deutschen Innenminister im Juni 2019, Alarm geschlagen. Das Clan-Problem sei nicht in fünf Jahren erledigt, sagte Sebastian Fiedler der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn wir in zehn Jahren Erfolge sehen, haben wir einiges richtig gemacht.“45 GdP-Chef Oliver Malchow fügte hinzu: „Wir haben gefestigte Strukturen. Auch Razzien, Beschlagnahmungen und Verurteilungen führen nicht sofort dazu, dass deren Geschäftsmodell endet.“46 Weiter führt Malchow aus, „das ist sehr langwierig, weil die Clans abgeschottet sind, konspirativ und auf arabisch kommunizieren, verschlüsselte Chatdienste nutzen, und Zeugen bedroht werden.“47


Im November 2018 beschlossen die Berliner Behörden unter Federführung des Innensenators einen Fünf-Punkte-Plan gegen Clankriminalität. Zu diesem Plan gehören folgende Kernpunkte:

 

  • Im Zentrum steht die ressortübergreifende Zusammenarbeit und die neue Koordinierungsstelle der verschiedenen Behörden: Neben der Polizei und der Staatsanwaltschaft sollen auch die Finanzämter, die Jobcenter, die Ausländerbehörde sowie die Ordnungs- und Jugendämter der Bezirke beteiligt sein.48
  • Zweites Ziel sind verstärkte Gewerbe- und Finanzkontrollen zur Verhinderung von Geldwäsche über Scheingeschäfte, dubiose Bars oder sonstige Läden. Alle beteiligten Behörden sollen entsprechende Hinweise an die Steuerfahnder der Finanzverwaltung weitergeben.49
  • Drittens soll illegales Vermögen eingezogen werden. Die Generalstaatsanwaltschaft wird eine Spezialabteilung zur Abschöpfung kriminellen Vermögens gründen. Dabei sollen die Steuerfahnder beteiligt werden, um das Vermögen von Kriminellen einzuschätzen.50
  • Daneben sollen auch kleinere Verstöße konsequent verfolgt werden. Das kann für falsches Parken vor Bars ebenso gelten wie für Rennen mit getunten Autos oder das Mitführen von Waffen.51
  • Fünftens wollen die Behörden Konzepte entwickeln, die einerseits junge Männer von dem Einstieg in die kriminelle Karriere abschrecken und anderseits Möglichkeiten zum Ausstieg bieten.52


Auf der Innenministerkonferenz im Juni 2019 in Kiel haben Bund und Länder erklärt, dass sie den Druck auf kriminelle Familienclans erhöhen wollen. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) erklärte, dass er versuchen wolle, einzelne kriminelle Clanmitglieder in den Libanon abzuschieben.53 Er erläuterte am Rande der Konferenz: „Da brauchen wir libanesische Pässe, die den Betreffenden ausgestellt werden.“54 Das Aufenthaltsrecht sei allerdings nur eine von mehreren Stellschrauben, an denen die Behörden drehen können, um gegen kriminelle Familienclans vorzugehen. Auch die Jobcenter, die Jugendämter und die Finanzverwaltungen müssen in diese Bemühungen eingebunden werden. Das Aufenthaltsrecht ist nach Angaben des Berliner Innensenators „kein Allheilmittel“, da etwa drei von vier Clan-Mitgliedern die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Von den restlichen 25 Prozent seien viele mit deutschen Staatsbürgern verheiratet oder hätten deutsche Kinder. Es sei einfach „zu viel Zeit ins Land gegangen, um zu sagen, an dieser Stelle würden wir über Abschiebung das Problem lösen“. Daher sei es sehr wichtig, Jugendlichen des Clanmilieus Lebensper-spektiven außerhalb einer kriminellen Karriere zu bieten: „Die Jugendämter müssen angesprochen werden, damit wir frühzeitig eingreifen und deutlich machen: Der Staat setzt seine Regeln durch.“ Geisel zeigte sich zuversichtlich, dass Präventions- und Aussteiger-Programme Wirkung zeigen könnten.


Zu den Plänen für eine bundesweite Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Clan-Kriminalität sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU): „Die Berliner sind ja jetzt seit einiger Zeit recht aktiv geworden; das kann ich nur begrüßen; das war ja nicht immer so“. Die Mitglieder dieser Verbrecher-Clans seien „Menschen, die unser Land als Beute betrachten“.55


Auf Sympathie stieß bei der Innenministerkonferenz 2019 der Vorschlag aus den Reihen der Unionsminister, kriminellen Clanmitgliedern mit doppelter Staatsangehörigkeit künftig den deutschen Pass zu entziehen. Wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr, soll die Bundesregierung gebeten werden, zu prüfen, inwieweit ein solcher Vorstoß rechtlich umsetzbar wäre. Herrmann stellte sich hinter den Vorschlag: „Es passt nicht zusammen, einerseits in einer Parallelgesellschaft leben zu wollen und andererseits als Doppelstaatler auch Deutscher sein zu wollen.“ Nordrhein-Westfalen Innenminister Herbert Reul (CDU) erklärte: „Niemand wird gezwungen, Deutscher zu sein. Aber wer den deutschen Rechtsstaat mit Füßen tritt und verlacht, der soll sich gerne auf seine ursprüngliche Staatsbürgerschaft beschränken.“56

 

8 Fazit


Die kriminellen Angehörigen türkisch-arabischstämmiger Familienclans sehen sich in den letzten Monaten einem Verdrängungswettbewerb um kriminelle Märkte ausgesetzt, der durch Personen mit Herkunft aus Syrien bzw. dem Irak forciert scheint. Diese konkurrierenden Gruppierungen werden – auch vor dem Hintergrund teilweise aktueller Kriegserfahrungen – im Clanmilieu als besonders durchsetzungsstark und gewalttätig wahrgenommen.57 Zur Frage, inwieweit integrative Maßnahmen mit dem Ziel der Kriminalprävention insbesondere gegenüber Kindern und Jugendlichen aus den Clanfamilien Wirkung zeigen, liegen nach Aussagen des LKA Nordrhein-Westfalen dazu weder Erfahrungsberichte noch langfristig angelegte und empirisch abgesicherte Forschungen vor. Es ist wahrscheinlich, dass ganzheitliche und das gesamte Lebensumfeld der Kinder und Jugendlichen einbeziehende Initiativen (ggf. Ausstiegshilfen) notwendig sein werden. Deren Umsetzung wird einen großen gesellschaftlichen Kraft- und Ressourcenaufwand erfordern.58


Die vorrangig von Clankriminalität betroffen Bundesländer Berlin, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen sowie Bremen haben in den letzten Monaten unterschiedliche Konzepte und Maßnahmen entwickelt, um dem Phänomen zu begegnen. Gleichzeitig scheint es jedoch an einer bundesweit abgestimmten Strategie zu fehlen, die auch behördenübergreifend konsentiert ist.59 Dazu gehört auch, dass der automatisierte Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden bisher kaum effektiv ist und beispielsweise Intensivtäter nicht länderübergreifend als solche erkannt werden können.


Mehr Fahndungsdruck und eine intensivere Zusammenarbeit von Polizei, Justiz und Politik sind nötig, um die Clankriminalität in Deutschland zurückzudrängen. Ein Schlüssel dazu ist die Bündelung von Kompetenzen und Ressourcen sowie ein intensiver Informationsaustausch aller beteiligten staatlichen Akteure.


Der Kampf gegen die Clankriminalität steht erst ganz am Anfang.