Kriminalität

Bedeutung professioneller Tatortarbeit für das polizeiliche Ermittlungsverfahren



3 Spurensuche am Tatort durch Kräfte des Sicherungsangriffs


Der labortechnischen Untersuchung unter weitgehend optimierten Bedingungen vorgelagert ist der Bereich der Spurensuche und Spurensicherung im Rahmen des Ersten Angriffs. „Beim Ersten Angriff sind neben Maßnahmen der Gefahrenabwehr der Tatort zu sichern und erste wesentliche Feststellungen über den Tathergang zu treffen (Sicherungsangriff) und der Tatbefund zu erheben (Auswertungsangriff).“7„Nach kriminalistischer Praxis ist unter Tatortarbeit die Gesamtheit der polizeilichen tatortbezogenen Tätigkeit zu verstehen, die mit dem Eintreffen der Sicherungskräfte am Ereignisort und der Sicherung des Tatortes beginnt, sich fortsetzt mit der Tatortuntersuchung und der Aufnahme des objektiven und subjektiven Tatbefundes. Die Tatortarbeit endet mit dem Abschluss der Tatortbefundaufnahme und dem Verlassen des Tatortes durch die Kräfte des Auswertungsangriffs.“8
Polizeiliche Tatortarbeit wird somit nicht nur durch die Kräfte der Kriminalpolizei geleistet sondern auch durch die Kräfte des Wach- und Wechseldienstes. Diese sind meist zuerst am Tatort und haben eine hohe Bedeutung für eine qualitativ hochwertige Tatortarbeit. Fehler, die in dieser Erstphase gemacht werden, sind später häufig nicht mehr zu kompensieren. Je nach Lage des Tatortes und Witterungsbedingungen sind für die Kräfte des Ersten Angriffs die Arbeitsbedingungen keinesfalls mit Laborbedingungen zu vergleichen. In vielen Fällen hat im Rahmen der Erstmaßnahmen des Sicherungsangriffs am Einsatzort auch die Spurensuche und Spurensicherung nicht die höchste Priorität. Häufig steht zunächst einmal die Abwehr von Gefahren oder die Festnahme des Beschuldigten im Vordergrund. Auch wenn diese Maßnahmen zu Veränderungen am Tatort führen, so muss dies notfalls in Kauf genommen werden.
Erst nachdem die priorisierten Maßnahmen abgearbeitet wurden und der Tatort abgesperrt ist, kann eine Absuche des Tatortes durch die Kräfte des Wach- und Wechseldienstes nach möglichen Tatspuren erfolgen. Es ist insbesondere darauf zu achten, dass der Absperrbereich um den Tatort ausreichend groß dimensioniert ist um alle Spuren zu erfassen und nicht zu klein gewählt wird. Außerhalb des Absperrbereichs befindliche Spuren sind meist unwiderruflich für die Ermittlungen verloren. Bereits in dieser Phase ist es wichtig, dass nach Möglichkeit alles unterlassen wird, was zu einer möglichen Kontamination von Tatspuren führen kann. Bereits im Sicherungsangriff ist die Spurenlage am Tatort fotografisch zu dokumentieren, ohne jedoch hierbei den Tatort zu verändern. Sind Spuren (z.B. Freilandspuren durch Regen) gefährdet, so muss eine Notsicherung der Spuren erfolgen. Hierzu steht den eingesetzten Wachdienstkräften i.d.R. nur die zur Verkehrsunfallaufnahme optimierte Ausrüstung des Streifenwagens zur Verfügung, es sei denn die Geschädigten verfügen an Tatort über geeignetes Material (z.B. Plastikplane) und stellen dies der Polizei leihweise zur Verfügung. Bei der Notsicherung von Spuren ist systematisch zu beurteilen, welche Spur in welchem Umfang von Veränderung oder Kontamination bedroht ist und welche Bedeutung diese Spur jeweils für die weitere Verfahrensführung und mögliche Aburteilung der Tat/des Täters hat. Soweit erforderlich sind Notsicherungsmaßnahmen dann auf die wesentlichen Spuren (z.B. Bluttropfen des Täters oder mögliche Fingerspuren) zu beschränken. Wesentlich ist bereits in der Phase des Sicherungsangriffs so schnell wie möglich auch den Annäherungs- und den Fluchtweg des/der Täter zu rekonstruieren und nach weggeworfenen oder verlorenen Gegenständen (z.B. Tätermaskierung, Beutestücke) abzusuchen. Diese Gegenstände sind bei nicht rechtzeitiger polizeilicher Sicherstellung später häufig nicht mehr auffindbar.

4 Spurensuche am Tatort durch Kräfte des Auswertungsangriffs


Stets der Spurensicherung voran geht die Spurensuche. Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige Spurensicherung ist, dass der Tatortbereich möglichst genau feststeht, nicht verändert wurde und die Polizei schnell mit den Spurensicherungsmaßnahmen beginnen kann. Insbesondere Tötungsdelikte, Sexualdelikte und bestimmte Raubdelikte zeigen am Tatort ein hohes Spurenaufkommen. Hier sind viele für die spätere Tatklärung bedeutsame Spuren zu erwarten. Der bei der Spurensuche und Spurensicherung zu betreibende Aufwand orientiert sich u.a. an der Schwere und Sozialschädlichkeit der Straftat.
Nach dem Eintreffen der Kräfte des Auswertungsangriffs wird der Tatort von den Kräften des Sicherungsangriffs übergehen. Im Rahmen dieser Übergabe ist es wichtig, dass sämtliche Spuren, die durch die Wachdienstkräfte gefunden wurden, den Kräften des Auswertungsangriffs gezeigt werden. Alle am Tatort vorgenommen Veränderungen, so auch Maßnahmen der Notsicherung von Spuren, müssen vor Ort mitgeteilt werden. Vor Aufnahme der Spurensuche und Spurensicherung durch die Kräfte des Aufnahmeangriffs bietet es sich an, zunächst am Tatort befindliche Zeugen sachgerecht zu belehren und kurz zu vernehmen, welche Veränderungen/Tathandlungen offenbar wo durch den/die Täter am Tatort erfolgten. Gleichfalls ist darauf einzugehen, ob ggf. durch die Zeugen selber Veränderungen am Tatort erfolgten (z.B. Ausschalten von Beleuchtungen o.ä.).
Nach der Übernahme des Tatortes ist an diesem durch die Kräfte des Auswertungsangriffs erneut eine gründliche und eigenständige Spurensuche zu betreiben. Dazu ist zunächst Schutzbekleidung anzulegen, um vorhandene Spuren nicht zu kontaminieren. In der Fachliteratur wird eine Vielzahl unterschiedlicher Systematiken für die Spurensuche an Tatorten benannt. In der Praxis hängt die Vorgehensweise von den entsprechenden räumlichen Gegebenheiten und Ausmaßen des Tatortes ab und von dem Umstand, ob es besonders gefährdete Bereiche gibt die vordringlich abgearbeitet werden müssen. Größere Tatorte sind zunächst in sachgerechte Suchbereiche zu unterteilen, die zu dokumentieren sind. Nach Festlegung der abzusuchenden Bereiche sind diese systematisch nach heuristischen Aspekten – unter gegenseitiger Absprache – nach tatrelevanten Spuren abzusuchen. Es gilt der Grundsatz: „Nur einmal aber dafür gründlich und richtig suchen.“
Wenn Spuren am Tatort gefunden werden, so sind diese zunächst mittels Übersichts- und Detailaufnahmen (mit Maßstab) zu fotografieren. Daran anschließend ist die Spur so zu sichern, dass der Beweiswert der Spur vollständig erhalten bleibt. Der Sicherung der Spur mit Spurenträger im Original ist, soweit möglich, der Vorzug zu geben. Nur wenn eine Sicherung der Spur mit Spurenträger nicht möglich ist, soll die Sicherung mittels Hilfsspurenträgers erfolgen.