Recht und Justiz

Strafrechtliche Rechtsprechungsübersicht

§ 113 Abs. 1 StGB – Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte; hier: Wegfahren mit einem Pkw zur Vermeidung einer Polizeikontrolle. § 127 StGB – Bildung bewaffneter Gruppen; hier: Spontaner Personenzusammenschluss. § 177 Abs. 1 Nr. 1, § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB – Vergewaltigung; hier: Fortwirken einer Gewalteinwirkung bei der ersten Vergewaltigung auf nachfolgende Vergewaltigungen.. (...)


§ 184b StGB – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften; hier: Anforderungen an die Besitzverschaffung an einer kinderpornografischen Schrift. Der Angeklagte fertigte von einem siebenjährigen Mädchen zwei Fotos, als diese nackt mit ihrem Bruder in einem Planschbecken badete. Dabei fotografierte er zweimal eine Szene, in der sie mit gespreizten Beinen eine Frontalansicht bot.
Nicht jede Aufnahme des nackten Körpers oder des Geschlechtsteils eines Kindes ist Kinderpornografie im Sinne des § 184b Abs. 1 StGB. Tatobjekte sind nur pornografische Schriften, die sexuelle Handlungen von, an oder vor Kindern zum Gegenstand haben. Zu den sexuellen „Handlungen“ von Kindern gehört zwar auch ein Posieren in sexualbetonter Körperhaltung; Voraussetzung ist aber, dass die von dem Kind eingenommene Körperposition objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild, einen eindeutigen Sexualbezug aufweist. Körperpositionen, die sich bei einem Handlungsablauf ohne eindeutigen Sexualbezug (z. B. Körperpflege, An- oder Umkleiden, Sport, Spiel etc.) naturgemäß ergeben sind auch dann keine sexuellen Handlung von Kindern, wenn sie für Bildaufnahmen zu pornografischen Zwecken ausgenutzt werden. (BGH, Beschl. v. 03.12.2014 – 4 StR 342/14)

§ 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB – Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen; hier: Heimliche Fotoaufnahmen durch Gynäkologen. Der Angeklagte fertigte in mindestens 1467 Fällen während der gynäkologischen Behandlung Bildaufnahmen seiner Tatopfer an.
Tatbestandlich erfasst werden auch solche Bildaufnahmen, die aufgrund hinreichend vorhandener Identifizierungsmerkmale von den jeweiligen Tatopfern der eigenen Person zugeordnet werden können. (BGH, Beschl. v. 26.02.2015 – Az.: 4 StR 328/14)

§ 224 Abs. 1 Nr. 4, § 250 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 StGB – Gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung mit gemeinschaftlichem schweren Raub; hier: „einverleiben“. Die Angeklagten (A.) begaben sich zur Wohnung des später geschädigten Zeugen (K.). Sie hatten verabredet, „gemeinsam in die Wohnung einzudringen, aus dieser Betäubungsmittel und Geld zu entwenden und die Betäubungsmittel später zu konsumieren“. Mit sich führte ein A. eine Holzlatte; sie war ca. 60 cm lang, 5 cm breit und 2 cm hoch, eckig und bestand aus Kiefernholz. Diese und weitere mitgeführte „Waffen“ sollten nach dem übereinstimmenden Willen aller Beteiligten auch eingesetzt werden. Ein A. trat die geschlossene Tür zur Wohnung auf und alle stürmten in das Wohnzimmer; A. schlug dem dort sitzenden Wohnungsinhaber u.a. mit der Faust ins Gesicht. Währenddessen schlug ein A. den in der Wohnung befindlichen weiteren Geschädigten (S.) mit der von ihm mitgeführten Holzlatte gegen dessen rechtes Bein; er erlitt eine ca. 2 cm lange Platzwunde. Anschließend schlug ein A. auch dem S. mit der Faust ins Gesicht. Dies geschah, um möglichen Widerstand im Keim zu ersticken. Ein A. fand eine Plastikdose, in der sich ca. 6 g Marihuana befanden; er nahm „entsprechend dem Tatplan das Marihuana mit, um es zusammen mit den anderen Tatbeteiligten zu konsumieren“; was sie anschließend auch taten.
(Mit-)Täter beim Raub kann nur sein, wer bei der Wegnahme die Absicht hat, sich oder einem Dritten die fremde Sache rechtswidrig zuzueignen. Hierfür genügt, dass der Täter die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder den Dritten haben und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem des Dritten „einverleiben“ oder zuführen will. Es ist nicht erforderlich, die Sache auf Dauer behalten zu wollen. An der Voraussetzung, dass der Wille des Täters auf eine Änderung des Bestands seines Vermögens oder das des Dritten gerichtet sein muss, fehlt es in Fällen, in denen er die fremde Sache nur wegnimmt, um sie „zu zerstören“, „zu vernichten“, „preiszugeben“, „wegzuwerfen“, „beiseitezuschaffen“ oder „zu beschädigen“. Zudem ist ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Vorschrift jeder Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (hier: Holzlatte); der „gefährliche Werkzeug“ – Begriff in § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB und in § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist identisch. (BGH, Beschl. v. 12.03.2015 – 4 StR 538/14)

§ 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, § 9 Abs. 1 VereinsG – Zuwiderhandlungen gegen Verbote, hier: Kennzeichenverbot; kein pauschales Kutten-Verbot für Rocker. Die Angeklagten (A.) sind Mitglieder örtlicher Vereine der weltweit agierenden Rockergruppierung „Bandidos“, der Angeklagte R. des „MC Bandidos U. „, der Angeklagte Ra. des „MC Bandidos B. Zwei der örtlichen Chapter der „Bandidos“, der Verein „Bandidos MC Chapter A. „ und der Verein „Bandidos MC Probationary Chapter N.“ sind, weil ihre Zwecke den Strafgesetzen zuwiderlaufen, durch Verfügungen der Innenministerien Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein verboten. Die A. begaben sich in Begleitung ihrer Verteidiger zum Polizeipräsidium. Sie trugen jeder eine Weste, auf der sich als Mittelabzeichen der „Fat Mexican“ und darüber der beschriebene Aufnäher mit dem Schriftzug „Bandidos“ befanden. Jeweils als untere Abgrenzung waren Aufnäher mit den Ortsbezeichnungen ihrer Chapter U. und B. angebracht. Außerdem waren auf der Rückseite noch die Embleme „MC“ und „1%“ befestigt, sowie weitere Aufnäher auf den Vorderseiten der Westen. Die A. hielten es für möglich, sich durch das Tragen der Westen mit den angebrachten Aufnähern strafbar zu machen; sie wollten so eine höchstrichterliche Klärung der Frage der Strafbarkeit ihres Handelns herbeiführen.
Das Tragen einer Kutte mit den von allen „Chaptern“ der „Banditos“ benutzten Kennzeichen, „Banditos-Schiftzug“ und „Fat Mexican“, mit dem Ortszusatz eines nicht verbotenen „Chapters“ unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 3 VereinsG kann zwar polizeilich verboten werden, ist nicht aber Strafbar. (BGH, Urt. v. 09.07.2015 – 3 StR 33/15)

II. Prozessuales Strafrecht


§ 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO – Erweiterter Urkundenbeweis; hier erneut: Verlesung polizeilicher Observationsberichte. Wie bereits in der letzten Ausgabe der Kriminalpolizei 02/2016 dargestellt (LG Berlin, Beschl. v. 19.02.2014 – (533) 254 Js 33/13 Kls (33/13)) bestätigte nun auch der BGH: Polizeiliche Observationsberichte können gem. § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO in der Hauptverhandlung verlesen werden. (BGH, Beschl. v. 08.03.2016 – 3 StR 484/15)

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