Kriminalität

Cyber-Jihad

Das Internet als vitales Instrument für Islamismus und slamistischen Terrorismus


2.3. Rekrutierungs-, Motivations- und Radikalisierungsinstrument durch virtuelle Da’wa

Da’wa-Arbeit“ ist ein Hauptbestandteil der islamistischen, salafistischen Ideologie und dient strategisch und taktisch der Rekrutierung und Motivation von Mitgliedern, Anhängern und Sympathisanten. Die Rekrutierung reicht von einer Partizipation an politischen jihadistischen Aktionen, Demonstrationen, Koran-Verteilaktionen bis zu offenen Aufrufen zur aktiven Beteiligung am militanten Jihad. Diese aktive virtuelle Da’wa findet sowohl in sozialen Netzwerken wie Facebook, Youtube, Twitter und Instagram statt, als auch auf den Websiten der jeweiligen islamistischen und jihadistischen Organisationen. Als wenige, ausgewählte Beispiele für virtuelle Da’wa können folgende Beispiele genannt werden: www.way-to-allah.com/projekte.html; Denk mal islamisch!; sharia4belgium; sharia4holland; sharia4spain; Islam4UK, SalafiMedia, Tawheed Movement, Millatu Ibrahim, Abu-Z-Projekt; Muslim Mainstream, Independent Journalists, Shababul Islam Media und Sabri Ben Abda Media.34 Daneben ergänzen Einladungen zu Islamseminaren und Vorträgen von überregional agierenden islamistischen Predigern sowie Aufrufe zu Spendensammelaktionen für „Muslime in Kriegsregionen“ die virtuelle Da’wa. Deutsche Sicherheitsbehörden analysieren den Anteil von islamistischen online Rekrutierungsmedien für den individuellen Radikalisierungs- und Entscheidungsprozess, sich jihadistischen Organisationen wie dem IS oder der Al Qaaida in Syrien, dem Irak, in Libyen und anderen Staat anzuschließen, seit der Ausrufung des Kalifatstaats IS im Sommer 2014 mit über ca. 50%.35

2.3.1. Rekrutierung und Radikalisierung durch den Cyber-Jihad für den Jihad der realen Welt

Der Al Qaida Chefstratege Al-Suri bezeichnete bereits 2007 das Internet als “activating tool to pursue jihad and resistance in secrecy and alone […] and to form a cell for the individual jihad“.36 Persönliche Erfahrungsberichte von Jihadisten, sowohl über ihre „spirituell-religiöse“ als auch über ihre geographische Reise an Jihad-Schauplätze, Berichte über Aktionen, Anschläge und „militärische Operationen“ sowie Anleitungen für die ideologische und taktisch-operative Schulung erfüllen eine wichtige propagandistisch-rekrutierende Funktion. Biographisch-persönliche „Wege in den Jihad“ oder das „Leben als Mujahid“ sammeln dabei in den sozialen Netzwerken besonders viele Likes und haben durch ihre (scheinbare) Authentizität einen besonders hohen Radikalisierungsfaktor.37Sowohl die sozialen Netzwerkeinträge als auch die Blogs und Kommentare auf einschlägigen Websites beweisen einerseits ihre Aktualität und Nähe zum politischen Tagesgeschehen, politischen Entscheidungen europäischer und anderer westlicher Regierungen bis hin zu Twitter Kommentaren und Äußerungen von einzelnen westlichen Politikern und andererseits eine Qualität auf einem erstaunlich hohen Niveau.
Eine zentrale Rolle in der Propaganda des Cyber-Jihad spielen motivierende Aufrufe zur personellen und materiellen Unterstützung des Jihad. Religiös-ideologisch wird dies unterstützt, indem der Jihad als erste Pflicht für Muslime erklärt wird.38
Der Bürgerkrieg in Syrien übte bereits vor der Gründung des IS im Sommer 2014 eine hohe Anziehungskraft auf die europäische jihadistische Szene aus. Einige ihrer Propagandisten, die zuvor von europäischen Staaten aus propagandistisch tätig waren, setzten dies auf dem vom IS eroberten Territorium fort, was ihnen in den Augen der islamistisch-jihadistischen Szene eine höhere Glaubwürdigkeit verlieh. In Videobotschaften aus den Kampfgebieten wurden und werden in martialischer Pose Selbstmordattentate verherrlicht und man stilisiert sich zum Vorbild für künftige Kämpfer.39

2.4. Elektronische Angriffe

Als weiteres Mittel des Cyber-Jihads sind elektronische Angriffe gegen staatliche Internetseiten und Computernetzwerke zu nennen. So propagiert der IS ganz offen den Aufbau einer „Cyber-Armee“ und rekrutiert dazu Personen mit den entsprechenden IT-Fähigkeiten. Kurz nach den islamistischen Terroranschlägen in Paris auf Charlie Hebdo im Januar 2015 registrierten Cyber-Spezialisten französischer Sicherheitsbehörden mindestens 19 000 Hacker-Attacken aus dem islamistischen Spektrum, wobei die digitale Autorschaft von United Islamic Cyber Force bzw. Middle East Cyber Army hinterlassen wurde.40
Im Januar 2015 wurde ein jihadistischer Hacker-Angriff auf das US Central Command verübt, im April 2015 auf die französische Fernsehgruppe TV5Monde. Jihadistischen Hackern war es dabei gelungen, in das Computersystem von TV5 Monde einzudringen und die Sendesignale von elf TV-Kanälen stundenlang zu kontrollieren. Dazu wurden IS-Propagandavideos abgespielt und auf den Facebook-Seiten des Senders die Familien derjenigen französischen Soldaten bedroht, die sich am Kampf gegen den IS beteiligen.41

3. Fazit:


Terroristische Anschläge von islamistischen Einzeltätern sind augenblicklich – neben Anschlägen im top-down Prinzip von internationalen jihadistischen Organisationen wie dem Islamischen Staat und der Al Qaida (Mumbai/Paris/Brüssel-style-Anschläge) – eines von zwei taktischen Szenarien des islamistischen Terrorismus, welche Deutschland und andere westliche Demokratien bedrohen.
Als wesentliche Radikalisierungsfaktoren bzw. Radikalisierungsmittel des islamistischen Terrorismus sind der soziale Nahraum, ein islamistisches Milieu samt ideologisch-religiöser Prägung durch familiäre Strukturen und peer groups sowie das World Wide Web als Radikalisierungs-, Kommunikations- und Propagandamedium der islamistischen und jihadistischen Szene zu nennen, die als Radikalisierungsmilieu für islamistische Einzeltäter fungieren.
Eine zentrale Aufgabe der deutschen Sicherheitsbehörden und der sicherheitspolitischen Forschung sollte darin bestehen, jihadistisch-salafistische Akteure zu identifizieren und ihre Netzwerke als „Zündvorrichtung“ für den Übergang von Da’wa zur Rekrutierung für jihadistischen Terrorrismus durch islamistische Einzeltäter zu detektieren. Hier, an dieser Schnittstelle von islamistischer Missionierung und Rekrutierung für jihadistischen Terrorismus durch Zellen oder islamistische Einzeltäter sollte die Arbeit der deutschen Sicherheitsbehörden schnellstmöglich durch virtuell bereit gestellte, sprachlich-ästhetisch auf die avisierten Zielgruppen ausgerichtete Gegen-Narrative, Gegen-Angebote (online und institutionell in der realen Welt) unterstützt werden. Sowohl staatliche Behörden und Einrichtungen als auch zivilgesellschaftliche Akteure müssen schnellstmöglich Gegen-Narrative, Aufklärung gegen den Cyber-Jihad anbieten und dabei auf technisch, ästhetisch, visuell mindestens gleich hohem Niveau agieren, um die Zielgruppe präventiv erfolgreich anzusprechen, bzw. sie zu deradikalisieren.