Recht und Justiz

Aufklärungsdrohnen im Polizeieinsatz

Grundgesetzliche Vorgaben und Grenzen beim präventiv-polizeilichen Einsatz von Drohnen



7. Übergangsfragen und Verlegenheitslösungen: Regelungspotentiale geltender Gesetze


Solange eine besondere Befugnisnorm nicht in Kraft ist, kann man erwägen, übergangsweise auf schon geltende Bestimmungen zurückzugreifen.50 Doch wäre dieser Behelf allenfalls vorläufig und nur in engen Grenzen zulässig.
Gegenwärtig finden sich weder in den Bundes- noch in den Länderpolizeigesetzen noch in der StPO Regelungen zum Einsatz von Aufklärungsdrohnen. Die Gesetze differenzieren vielmehr nach Aufklärungsobjekten (z.B. Versammlungen oder Ansammlungen), -zielen (z.B. repressiv oder präventiv) und -methoden (z.B. offen oder verdeckt). Offen ist die polizeiliche Ermittlungsarbeit, wenn sie vom betroffenen zeitgleich bemerkt werden kann, wenn er also das Stattfinden der Maßnahme und ihren Charakter als polizeiliche Handlung wahrnehmen kann. Heimlich ist eine Maßnahme, die der Betroffene nicht bemerkt (z.B. Telekommunikationsüberwachung). Verdeckt findet sie statt, wenn der Betroffene die Maßnahme zwar bemerkt, sie aber nicht als polizeiliche erkennen kann (z.B.: Polizeibeamter unter Legende).51 Auch wenn es an der einen oder anderen Stelle Abgrenzungsprobleme oder Zweifelsfragen geben mag: Unter diesen Prämissen ist der polizeiliche Drohneneinsatz regelmäßig als verdeckter zu qualifizieren. Erfolgt der Einsatz aus großer Distanz, so ist er für Betroffene nicht bemerkbar. Und erfolgt er aus der Nähe, ist die Drohne also sichtbar und/oder hörbar, so ist regelmäßig für Betroffene nicht zu erkennen, dass es sich um polizeiliche Maßnahmen handelt. Dafür spricht schon der quantitative Aspekt: Nicht einmal 1 % aller Drohnen sind in polizeilicher Hand. Sofern hingegen Betroffene den Einsatz als polizeilichen erkennen können (etwa beim Einsatz besonders großer Drohnen), findet er offen statt. Doch unterliegt er dann gerade deshalb und wegen des in ihm angelegten Einschüchterungspotentials besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen, die durch allgemeine Regelungen kaum erfüllbar wären.
Als mögliche Befugnisnormen kämen dann namentlich in Betracht

  • § 19a VersG, der sich allein auf Versammlungen bezieht, aber hinsichtlich der Zulassung von Gesamtaufnahmen, die überwiegend Nichtstörer erfassen, Zweifelsfragen aufkommen lässt und daher verfassungskonform restriktiv ausgelegt werden muss;52
  • Vorschriften über die Überwachung von Ansammlungen und sonstigen Veranstaltungen in den Polizeigesetzen; sie lassen aber regelmäßig nur offene Informationserhebung zu;53
  • Vorschriften über verdeckte Ermittlungen, die aber regelmäßig an die „Erforderlichkeit zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person“ anknüpfen54 und zudem die Datenerhebung über Dritte an die Eigenschaft als Kontakt- oder Begleitperson knüpfen, also gerade keine hohe Streubreite gestatten. Die Überwachung öffentlicher und privater Räume und des Verkehrs (und der sich in ihnen befindlichen Personen) ist hingegen nur offen zulässig.
  • Vorschriften über verdeckte Ermittlungen in oder aus Wohnungen, sofern die Aufnahmen auf Vorgänge in einer Wohnung beziehen. Hier sind die Voraussetzungen noch restriktiver als bei sonstigen verdeckten Ermittlungen.
  • § 100 h Abs. 1 Nr. 2 StPO, der allerdings die Zulässigkeit auf Ermittlungen im Rahmen und zu den Zwecken des § 98 a Abs. 1 StPO begrenzt.

Damit ist der Möglichkeitsraum einer Heranziehung geltenden Rechts für Drohnen im Rahmen erweiterter Auslegung oder Analogie umrissen. Verglichen mit den eingangs genannten und weiteren denkbaren Szenarien zeigt sich allerdings: Dies ist ein eher enger Ausschnitt, welcher dadurch ermöglicht würde. Der Drohneneinsatz wäre so jedenfalls sehr eingegrenzt. Zudem würde die Notwendigkeit erweiternder Auslegung bzw. der Analogie die Legitimation grundrechtseingreifender Drohneneinsätze erheblich belasten und in späteren Gerichtsverfahren Fragen hinsichtlich der Verwertbarkeit von Aufnahmen zu Beweiszwecken eröffnen.

IV. Gesamtergebnis


Der Einsatz von Aufklärungsdrohnen durch die Polizei ist nicht generell unzulässig. Doch wird er angesichts der geltenden verfassungsrechtlichen Vorgaben auch kein Standardinstrument für den polizeilichen Arbeitsalltag sein. 
Grundrechtseingreifende Aufklärung mit Hilfe von Polizeidrohnen erfüllt die Kriterien für einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff und unterliegt daher dessen Voraussetzungen. Solche Grundrechtseingriffe unterliegen besonderen Anforderungen an ihre gesetzliche Zulassung. Dies betrifft insbesondere Tatbestandsanforderungen (u.a. Bestimmtheit) und Folgenmanagement (Rechtsfolgen und Verfahren). Dies betreffen nach der Rechtsprechung des BVerfG insbesondere

  • erhöhte Anforderungen an die Zulassung des Mittels selbst, insbes. dessen explizite Nennung im Gesetz;55
  • hinreichend bestimmte Regelungen der tatbestandlichen Voraussetzungen ihrer Anwendbarkeit und möglicher Adressaten;
  • hinreichend bestimmte Regelungen hinsichtlich der Verwendung erlangter Informationen hinsichtlich von Verantwortlichen bzw. Verdächtigen sowie mit betroffenen Dritten;
  • hinreichend bestimmte Regelungen des Verfahrens (Mitwirkung von Behördenleitern oder Richtern, Dokumentationspflichten, Mitteilungspflichten u.a.).

Diese Anforderungen gelten für grundrechtseingreifende Drohneneinsätze unabhängig davon, ob es sich um einen polizeieigenen, einen von anderen Bundesländern oder privaten ausgeliehenen Flugkörper handelt. 
Solche Regelungen müssen im Polizeirecht ebenso wenig wie in der StPO ganz neu erfunden werden. Regelungsmodelle finden sich für zahlreiche andere offene und verdeckte Eingriffe. Von ihnen lassen sich die sachlich einschlägigen, verfassungsgemäßen Vorbilder weitgehend übernehmen. Doch obliegt diese Entscheidung dem Gesetzgeber selbst. Eine Gesamtanalogie iS eines Mosaiks aus schon bislang geltenden, aber nicht unmittelbar einschlägigen Regelungen ist Exekutive und Justiz gerade wegen des Gesetzesvorbehalts und des Bestimmtheitsgebotes verwehrt. 
Die Diskussion der Voraussetzungen und Folgen von Drohneneinsätzen einschließlich ihrer gesellschaftlichen Rückwirkungen würde dadurch dahin gelangen, wohin sie gehört: In das Parlament.