Recht und Justiz

Aufklärungsdrohnen im Polizeieinsatz

Grundgesetzliche Vorgaben und Grenzen beim präventiv-polizeilichen Einsatz von Drohnen

III. Verfassungsrechtliche Vorgaben


1. 
Verfassungsrechtliche Vorfragen und gesetzliche Anwendungsfelder


Entsprechend jenen Szenarien werden im Folgenden die verfassungsrechtlichen Fragen der Einsätze zu Aufklärungszwecken im Vordergrund stehen.6 Ein solcher kann schon nach den erwähnten Fallgestaltungen sowohl präventiv- wie auch repressiv-polizeilicher Natur sein. Die allgemeine Frage nach dieser Abgrenzung ist – auch für doppelfunktionelle Einsatzmöglichkeiten – in jüngerer Zeit wieder in die Diskussion geraten. Dabei geht es primär um die Anwendbarkeit der vorhandenen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen, wobei nach einem temporären präventiven Turn in jüngerer Zeit anscheinend wieder etwas stärker auf prozessuale Normen zurückgegriffen wird. Stichworte hierfür sind insbesondere die ausgeweitete Strafbarkeit von Vorbereitungshandlungen im Bereich der Schwerkriminalität und die verstärkte Betonung auch präventiver Wirkungen des repressiven Instrumentariums.7 Für die Praxis behalten die tradierten Abgrenzungskriterien nach der „Schwerpunkttheorie“ jedoch weiterhin ihre Anwendbarkeit – mit allen ihren Unklarheiten und der an ihr zu Recht geübten Kritik. Für die maßgeblichen Verfassungsfragen spielt diese Unterscheidung allerdings eine abnehmende Rolle – dieselben Grundrechtsgarantien gelten in beiden Bereichen, und sie gelten mit denselben Schutzbereichen und weitestgehend derselben Dogmatik. Die Aufklärung schwerer Kriminalität weist hinsichtlich ihres Ranges und ihrer grundgesetzlichen Bedeutung mit der Aufklärung entsprechend schwerwiegender Gefahren weitgehend Parallelen auf. Hier sollen daher die Verfassungsfragen im Vordergrund stehen. Exemplarisch werden zur Illustration das Landespolizeirecht und die dazu entwickelte Rechtsprechung herangezogen. Die strafprozessualen Fragen, welche partiell einer ähnlichen Logik folgen, sollen nur kurz gestreift werden.

2. Gesetzgebungskompetenzen


Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen richtet sich nach den allgemein geltenden grundgesetzlichen Kriterien. Danach ist der Bund für die Rechtsgrundlagen seiner eigenen Behörden und darüber hinaus für die Regelung des Rechts der Landesbehörden zuständig, soweit ihm letztere durch Art. 73, 74 und 87 GG ausdrücklich zugewiesen sind. Im Übrigen sind die Länder für die Rechtsverhältnisse ihrer eigenen Exekutiven zuständig. Daraus folgt:

  • Bundesrechtlich einschlägig sind neben der repressiven StPO namentlich die präventiv-polizeilichen Spezialgesetze für die Bundespolizeibehörden und die Zollverwaltung.
  • Landesrechtlich einschlägig sind die Länderpolizeigesetze, jetzt einschließlich der Materie des Versammlungsrechts.

Diese allgemeine Kompetenzverteilung erfährt für den Bereich der Drohnen keine wesentliche Modifikation durch speziellere Kompetenznormen. Namentlich seit dem kostspieligen Debakel um den Euro-Hawk ist auch in der Öffentlichkeit allgemein bekannt: Der Drohneneinsatz hat auch seine luft(verkehrs)rechtliche Dimension. So wichtig diese sind: Die bundesrechtlichen Zuständigkeiten aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG (Luftverkehr) und Art. 87d Abs. 1 S. 3; Abs. 2 GG8 betreffen auch in ihrer Ausgestaltung durch das jüngst geänderte Gesetzesrecht9 verkehrs- und verwaltungsorganisatorische Fragen. Sie lassen damit hinreichend Raum für Regelungen anderer Fragen des Drohneneinsatzes, etwa der Zweckbestimmungen und der Ausgestaltung von Einzelheiten ihres Einsatzes zu polizeilichen Zwecken.10 Hier können der Bund und die Länder im Rahmen ihrer jeweils eigenen Gesetzgebungszuständigkeiten im Rahmen und nach Maßgabe der verkehrsrechtlichen Vorgaben legislativ tätig werden.Auch die Exekutivzuständigkeiten bleiben grundsätzlich unverändert. Die Länderbehörden sind grundsätzlich zuständig. Bundesbehörden dürfen nur im Rahmen ihrer allgemeinen Aufgabenzuweisung tätig werden und sind dabei an deren gesetzliche Grenzen gebunden. Dies gilt im Allgemeinen wie für den Drohneneinsatz im Besonderen. Wechselseitige Unterstützungsleistungen – wie auch die Unterstützung durch andere Stellen, etwa die Bundeswehr – unterliegen den jeweils bereichsspezifischen Bestimmungen über die Amtshilfe.11 Für technische Hilfsleistungen Privater gilt im Verhältnis zu diesen grundsätzlich das Zivilrecht (Miete, Dienstvertrag u.a.) oder im Extremfall das Recht der Inanspruchnahme von Nichtstörern.12 Dadurch werden die Privaten aber weder zu Trägern öffentlicher Verwaltung noch zu Behörden. Gegenüber potentiell Betroffenen richtet sich der Einsatz demnach nach den für die Polizei selbst geltenden Bestimmungen. 

3. Anwendungsfragen der Grundrechte

Die Informationserhebung mittels Videoüberwachung war schon am Boden grundrechtlich äußerst umstritten.13 Das gilt erst recht in der Luft.14 Als Ausgangspunkt bleibt zunächst festzuhalten: Ohne Grundrechtsberührung ist der polizeiliche Drohneneinsatz allein im Rahmen der Aufgabennormen zulässig. Allein maßgeblich ist danach, ob der Einsatz zu Zwecken der Gefahraufklärung, der Aufklärung von Straftaten bzw. zur Unterstützung der jeweils zu diesen Zecken zu treffenden Maßnahmen geschieht. Dies ist nach den genannten Szenarien nicht selten der Fall. Beispiele dafür sind die temporäre Überwachung von Gebäuden, Plätzen, Orten (Grenzen u.a.), die Beschaffung von Infrastrukturinformationen (etwa über Geländeformationen, mögliche Verstecke, Hindernisse u.a.) sowie die Beschaffung oder Sicherung von Beweisen (durch Fotoaufnahmen), Aufklärung von Tatorten und der Dokumentation von Straftaten. Nach gegenwärtig verbreiteter Auffassung greift die Überwachung von Grundstücken und Liegenschaften nicht in das Grundrecht aus Art. 14 GG (Eigentumsgarantie) ein.15 
Einschlägiges Abgrenzungskriterium der grundrechtsfreien von der grundrechtsgebundenen Drohnenaufklärung kann sein, dass bei ersterer der Eingriff von konkreten Personen ohne ihren Willen weder bemerkt noch aber auch konkrete Personen ohne ihren Willen auf Aufnahmen erkennbar sein dürfen. Dieses Kriterium wird sogleich weiter aufgefächert.
Vorab auszugrenzen ist noch eine weitere Fallgruppe grundrechtsfreien Drohneneinsatzes: Dies ist der Fall, wenn der Einsatz auf Veranlassung, im Interesse oder im mutmaßlichen Interesse betroffener Personen stattfindet. Das gilt etwa, wenn vermisste, hilflose oder sonst in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigte Personen aufgespürt und dabei bildlich erfasst werden. Dies geschieht nicht ohne ihren Willen, sondern – erst recht aus der polizeilich relevanten ex-ante-Perspektive – mit ihrer tatsächlichen oder mutmaßlichen Zustimmung. Auch solche Umstände schließen die Anwendbarkeit von Grundrechten regelmäßig aus. 
Damit ist ein erheblicher, wenn nicht der überwiegende Teil der bisher relevanten Drohneneinsätze nicht grundrechtsrelevant.
Anderes ist allerdings anzunehmen, wenn individualisierbare Personen den Drohneneinsatz bemerken oder aber von Bildaufnahmen erfasst werden können. Maßgebliche Grundrechte können hier insbesondere sein:

  • Art. 8 Abs. 1 GG (Versammlungsfreiheit): Er umfasst das Recht, Versammlungen zu veranstalten und an ihnen teilzunehmen.
  • Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG (Meinungsfreiheit): Er erfasst das Recht, eine Meinung zu bilden und – in welcher Form auch immer – kundzugeben.
  • Art. 13 Abs. 1 GG, sofern die Aufnahme in oder aus Wohnungen16 stattfindet; sofern also der Drohneneinsatz in einer Wohnung stattfindet oder von außen Vorgänge in einer Wohnung ausforscht;17
  • Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungsfreiheit), sofern der Drohneneinsatz betroffene Personen von der Vornahme oder Unterlassung einer Handlung abzuhalten geeignet ist.
  • Art. 2 Abs. 1 GG in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bzw. des Rechts am eigenen Bild, sofern die Aufnahmen geeignet sind, Informationen über Personen zu ermitteln, aufzuzeichnen oder bildlich festzuhalten.18

4. Grundrechtsrelevanz und Grundrechtseingriffe


Relevant werden jene Grundrechte stets dann, wenn ihr Schutzbereich berührt ist, wenn also eine staatliche Maßnahme die Ausübung einer grundrechtlich garantierten Freiheit erschwert oder unmöglich macht. Die früher grundsätzlichen Differenzen über das Konzept des Grundrechtseingriffs sind inzwischen in eine bereichsspezifische Dogmatik eingemündet.19 Hinsichtlich der Einschränkung von Freiheitsrechten gilt: Die Freiheitsausübung ist individuell, und ebenso ist es der Freiheitsschutz. 

a)
Für Handlungsfreiheiten (etwa: Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit u.a.) gilt: Maßgeblich ist demnach, ob Grundrechtsträger von der Ausübung ihrer Freiheiten abgehalten werden können. Dies ist nicht allein bei staatlichen Anordnungen der Fall, sondern auch dann, wenn Kontrollen oder Überwachungsmaßnahmen Menschen davon abhalten können, von ihnen garantierten Freiheiten Gebrauch zu machen. In diesen Fällen verläuft der Eingriff gewissermaßen zweistufig: (1) Zunächst findet eine staatliche Handlung statt, aufgrund derer (2) Betroffene von der Grundrechtswahrnehmung absehen. Die letzte Handlung nehmen also die Grundrechtsträger selbst vor. Aber wann ist unter diesen Umständen die Entscheidung der Menschen noch dem Staat zuzurechnen? Hier kommen die früher sehr umstrittenen Formeln von der „Finalität“ (Zweckrichtung) bzw. der Unmittelbarkeit zur Anwendung. Maßgeblich ist also, ob die staatliche Handlung den Grundrechtsverzicht intendiert oder unmittelbar herbeiführt. Dies ist nach der Rechtsprechung insbesondere der Fall, wenn die staatlichen Maßnahmen „exzessiv“ oder „prohibitiv“ sind und schon deshalb den Aufwand für die Grundrechtswahrnehmung unvertretbar hoch gestalten können.20 Weiter ist dies dann der Fall, wenn für die Grundrechtsträger eine Situation geschaffen wird, welche ihnen die Folgen ihrer Grundrechtswahrnehmung als unvorhersehbar und daher unvertretbar riskant erscheinen lassen.21 Schließlich kann dies der Fall sein, wenn die Grundrechtsausübung gezielt beobachtet wird und Betroffene dies wissen können. Der maßgebliche Grund für ihren dadurch bewirkten Freiheitsverzicht liegt darin, dass Menschen unter Beobachtung sich anders Verhalten als Personen, die sich unbeobachtet fühlen. Zwar ist hier die ältere psychologische Lehre von der „objektiven Selbstaufmerksamkeit“ inzwischen in den Hintergrund getreten und von neueren, differenzierteren Theoriebildungen abgelöst worden.22 Doch betreffen diese eher die Modalitäten der Anwendung jener Lehren als deren gemeinsame Grundlage. Wer beobachtet wird, verhält sich regelmäßig anders als derjenige, der sich unbeobachtet weiß. Maßgeblich für diese Form der Grundrechtseinschränkung ist hier, dass Grundrechtsträger gezielt beobachtet werden oder aber ihnen jedenfalls der Eindruck vermittelt wird, sie würden beobachtet (etwa durch das Vorzeigen von Kameras, die aber abgestellt sind, ohne dass die Betroffenen dies wissen).23 Maßgeblich ist demnach, ob die Grundrechtsträger im Einzelfall konkret wissen, dass sie beobachtet werden, oder aber abstrakt wissen, dass sie beobachtet werden können, ohne aber das konkrete Beobachtungsmedium im gegenwärtigen Zeitpunkt konkret identifizieren zu können; kurz: wenn sie mit der Möglichkeit einer Überwachung durch Drohnen im Einzelfall rechnen müssen.
b)
Für den grundrechtlichen Privatheitsschutz gilt: Eine Grundrechtseinschränkung liegt vor, wenn individualisierbare Grundrechtsträger in ihrer Selbstbestimmung beeinträchtigt werden können. Maßgeblich dafür ist die persönliche Betroffenheit einzelner Grundrechtsträger, um deren Bild, deren Wohnung oder deren Daten es geht. Bekannteste Ausprägung dieses Merkmals ist die Lehre von der „personenbezogenen Information“, welches nicht nur § 3 BDSG, sondern auch der Verfassungsdogmatik zugrunde liegt.24 Es kommt demnach darauf an, ob individuelle Grundrechtsträger als Betroffene ausmachbar sind, indem Bilder, Aufzeichnungen oder Tonaufnahmen25 ihnen persönlich zugeordnet werden können. Das hängt maßgeblich von der Identifizierbarkeit der Grundrechtsträger auf den Aufnahmen ab. Dazu zählen bloße Übersichtsaufnahmen nicht, wenn einzelne Personen nicht erkennbar sind und auch nicht durch technische Hilfsmittel erkennbar gemacht werden können. Umgekehrt kommt es nicht darauf an, ob die Identifikation einzelner Personen im Moment der Aufnahme oder aber erst später stattfindet (durch gezieltes Erfassen mit der Kamera, Heranzoomen oder die nachträgliche Erhöhung der Bildauflösung durch technische Mittel) und ob die Identifikation Einzelner schon im Zeitpunkt der Aufnahmen intendiert war oder nicht, wenn sie nur zu einem späteren Zeitpunkt noch stattfinden kann. Ebenso wenig maßgeblich ist, ob Betroffene im konkreten Einzelfall ihre Beobachtung wahrgenommen haben oder nicht, wenn diese nur überhaupt stattgefunden hat.

Diese Identifizierbarkeit stößt gegenwärtig noch an technische Grenzen, weil die Kameratechnik insbesondere bei leichten Drohnen noch nicht so weit elaboriert ist, dass eine solche in einer Entfernung von mehr als 10 Metern nur schwerlich oder gar nicht möglich ist. Die technische Entwicklung ist offen, und mit ihr die Möglichkeit von Verbesserungen auch der Kameratechnik. Es wäre demnach unzulänglich, mit den rechtlichen Diskussionen an den zufälligen technischen Grenzen der Gegenwart zu enden. Der Gestaltungsanspruch des Rechts ist kein punktueller, es sollte auch für zukünftige Entwicklungen offen sein und diese nicht ignorieren, sondern ihnen verlässliche Rahmenbedingungen setzen, soweit dies in der Gegenwart möglich ist. 
Beide Eingriffskonzepte stehen nebeneinander. Die fehlende Relevanz eines Kriteriums bei einer konkreten Maßnahme schließt die Relevanz des anderen Kriteriums also nicht aus. Das gilt stets dann, wenn die Aufzeichnung nicht mit dem expliziten oder mutmaßlichen Willen des Betroffenen stattgefunden hat.