Organisierte Kriminalität – Facetten der OK

Handlungsbedarf auf nationaler Ebene

Das noch immer bestehende krasse Missverhältnis zwischen den durch OK verursachten Schäden bzw. erzielten Gewinnen und den vorläufig gesicherten Vermögenswerten gilt es zu beheben.
Über den rechtlichen Handlungsbedarf hinaus müssen Polizei und Zoll gemeinsam handeln. Konkret bedeutet dies: Formen der OK rechtzeitig erkennen, sie analysieren, und ihre Bekämpfung in gemeinsamen Schwerpunkten festlegen. Hierzu bedarf es einer Neujustierung der OK-Bekämpfung – und zwar als gemeinsames „Unternehmen“ der Polizeien von Bund und Ländern sowie des Zolls. Der Kommission Organisierte Kriminalität, in der alle Landeskriminalämter, das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei und der Zoll vertreten sind, kommt dabei eine maßgebliche Rolle zu: Quartalsweise tauschen sich die Experten in dieser Kommission zu aktuellen Lageentwicklungen aus, gleichen die jeweiligen Trends ab, beraten sich und beschließen gemeinsam, in welchen Handlungsfeldern Schwerpunkte gesetzt werden.
Wie lassen sich in einer föderalen Struktur mit bundesweit unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Handlungsmöglichkeiten erkannte Schwerpunkte aber gemeinsam bekämpfen? Die Lösung ist ein projektorientierter Ansatz, bei dem die identifizierten Kriminalitätsschwerpunkte von den betroffenen und handlungsbereiten Polizeien aus Bund und Ländern durch gezielte Auswertungen oder abgestimmte, arbeitsteilige oder auch gemeinsame Ermittlungen bekämpft werden. OK-Bekämpfung erfolgt damit priorisiert und koordiniert, mit konkreter Zielsetzung und abgestimmten Bekämpfungsmaßnahmen, die in einem festgelegten Zeitraum umgesetzt werden.
Diese Vorgehensweise ermöglicht ein gesteuertes, effizientes und effektives Handeln in einer föderalen Struktur – gerade auch mit Blick auf zunehmend limitierte Ressourcen der Polizei.
Die ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder hat daher im Juni 2015 beschlossen, die Bekämpfung der OK mit diesem Bekämpfungsansatz zu stärken. Der Bundesminister des Innern unterstützt dieses Vorgehen. Das Bundeskriminalamt hat daher im April 2015 die Koordinierungsstelle OK (KOST OK) eingerichtet. Diese unterstützt den Koordinationsprozess von Bund und Ländern und bereitet aufgrund der aktuellen Lageabgleiche und Kriminalitätstrends in den Bundesländern die Entscheidungen für die Kommission Organisierte Kriminalität vor. Flankiert wird dies im Bundeskriminalamt zusätzlich durch die ebenfalls erfolgte Einrichtung eines Referates, in welchem deliktsübergreifende Phänomene gebündelt bearbeitet und projektorientierte Ansätze entwickelt werden, z.B. zur Bekämpfung der russisch-eurasischen Kriminalität.
Auf polizeilicher Ebene sind darüber hinaus auch die Lageerkenntnisse zu verbessern. Das Bundeslagebild „Organisierte Kriminalität“ liefert eine wichtige Grundlage, kann aber nicht mit der Dynamik Schritt halten, mit der sich Organisierte Kriminalität in all ihren Facetten verändert. Auch hier unterstützt die beschriebene gemeinsame Schwerpunktsetzung. Der vierteljährliche bundesweite Abgleich polizeilicher Entwicklungen und Trends eröffnet die Möglichkeit, Lage nicht mehr „retrograd“ sondern aktuell zu erfassen.
In diesen Prozess einzubeziehen sind auch die OK-Staatsanwaltschaften. Schwerpunktsetzung in der Polizei bedeutet die Notwendigkeit, gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft „an einem Strang zu ziehen“. Die einzelfallbezogene Sachbearbeitung von Wohnungseinbrüchen ist dabei ein gutes Beispiel: Setzt die Polizei einen Schwerpunkt, um steuernde OK-Strukturen zu zerschlagen, die Einbrüche organisieren, den Vertrieb der Hehlerware regeln und die Profite einstreichen, kann dies nur gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft zum Erfolg führen. Die spätere Abtrennung von Verfahren gegen einzelne Beschuldigte oder die Anklage wegen einzelner Straftaten sollte zugunsten von Struktur- und Sammelverfahren vermieden werden. Die Einrichtung spezialisierter OK-Staatsanwaltschaften ist heute auch unter diesem Gesichtspunkt unverzichtbar.
Organisierte Kriminalität zu bekämpfen ist, wie die Kriminalitätsbekämpfung insgesamt, nicht länger eine ausschließliche Angelegenheit der Strafverfolgungsbehörden. Andere Behörden sind zwingend einzubeziehen – auf örtlicher und regionaler Ebene, aber auch auf Landes- und Bundesebene. Derartiges behördenübergreifendes Arbeiten erfordert jedoch Engagement auf allen Seiten und den gelebten Willen zur Kooperation.
Gleiches gilt für Arbeitsbündnisse und Allianzen mit der Wirtschaft und der Wissenschaft. Strategische und operative Partnerschaften sind gerade im (informations-) technischen Bereich mehr und mehr erfolgskritisch.
Bei der Bewältigung von Massendaten, umfassenden IT-Projekten und der forensischen Untersuchung ist Polizei auf externe Expertise angewiesen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Vernetzung, der Bündelung der Fähigkeiten. Jeder der meint, alle erforderlichen Fähigkeiten alleine bereithalten zu können, wird sich schnell im Abseits wiederfinden.
Unabhängig davon muss Polizei auch selbst „aufholen“:
Intensive Fortbildungen für Auswerter und Ermittler, der gezielte Einsatz von IT-Spezialisten in Ermittlungen und in der Forensik sowie technische Ressourcen auf Höhe der Zeit sind unabdingbar.
Forscher und Wissenschaftler müssen bei der Problemanalyse im Bereich OK eng mit den Sicherheitsbehörden zusammenarbeiten. Gerade das Dunkelfeld der OK bedarf auch einer Erhellung durch wissenschaftliche Ansätze.

Fazit


Es sind oft andere Bedrohungen als die Organisierte Kriminalität, die die Gesellschaft momentan bewegen und oft sorgenvoll in die Zukunft blicken lassen. Die Krisenherde rund um den Globus, drohende Anschläge, die zunehmende Radikalisierung von religiösen Fanatikern, die massive Zuwanderungsbewegung und rechte Gewalt gegen Flüchtlinge – aber auch Bilder von Hooligans gegen Salafisten, die brutal aufeinander und die Polizei einschlagen – vieles mehr bewegt die Öffentlichkeit und es bindet in hohem Maße polizeiliche Ressourcen.
Organisierte Kriminalität verfolgt keine aktive Medienstrategie, sie meidet die Aufmerksamkeit, agiert im Verborgenen und ist nur selten unmittelbar sichtbar. Darin liegt auch die Gefahr ihrer Unterschätzung. Die Auswirkungen bleiben jedoch nicht im Verborgenen, sondern treffen eine zunehmend wachsende Zahl von Bürgerinnen und Bürgern ganz unmittelbar.Grundvoraussetzung für eine effektive Bekämpfung der OK ist, dass Gesellschaft, Politik und Medien, Justiz, Zoll und Polizei auf allen Ebenen für das Vorhandensein dieser Strukturen sensibel sind und dass die Polizei die zeitgemäßen Werkzeuge und Mittel an die Hand bekommt, die für eine wirkungsvolle Kriminalitätsbekämpfung unabdingbar sind.

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