Maßnahmen zur Förderung von Zivilcourage
Verantwortlich ist man nicht nur für das, was man tut, sondern auch für das, was man nicht tut. Laotse (4.-3. Jh. V. Chr.)
Peggy Schmidt
Diplom-Psychologin,
Berlin/Brandenburg
In der Öffentlichkeit ist der Begriff Zivilcourage sehr stark verbreitet und es wird an die Bürger appelliert, sich zivilcouragiert zu verhalten. Immer wieder werden in den Medien aktuelle Beispiele für Situationen dargestellt, die ein Eingreifen bzw. Zivilcourage erforderlich machen. So auch der äußerst brutale Fall in München vom 12.09.2009. Der Unternehmer Dominik Brunner zeigte Zivilcourage und bezahlte dafür mit seinem Leben. Keine der in der Nähe befindlichen Personen kam Dominik Brunner zur Hilfe. Dieser Vorfall und andere Beispiele sind erschreckender Weise Realität und gestalten zum Teil unser gesellschaftliches Klima. So auch ein Schüler, der wochenlang körperlich und seelisch von seinen Mitschülern gequält, misshandelt und dabei mit einem Handy gefilmt wurde oder ein junges Mädchen, dem ein Handy geklaut wurde, indem man es zuvor brutal zu Boden getreten hatte. Auch bei diesen beiden Vorfällen gab es zuschauende Personen, die nicht in die Notsituation eingriffen und Hilfe leisteten. Es zeigt sich, dass nur allein der Aufruf zu Zivilcourage kein Garant dafür ist, dass Menschen auch wirklich in entsprechenden Notsituationen eingreifen und helfen. Hierfür sind ganz unterschiedliche Strategien und Handlungsabläufe notwendig, die durch Trainings gezielt erlernt werden können.
Zum Begriff Zivilcourage
Zivilcourage ist nicht mehr nur ein einzelner Begriff, den Bismarck als erster Deutscher im Jahre 1864 erwähnte. Wie die nachfolgende, in Anlehnung an unterschiedliche Autoren entwickelte Grafik zeigt, gibt es viele verschiedene Begriffe, die erst zusammen betrachtet eine genauere Definition von Zivilcourage ermöglichen, da in der Literatur keine einheitliche Definition von Zivilcourage existiert. So wird Zivilcourage unter anderem als eine besondere Form von Mut gesehen (Meyer, 2004), welche an demokratischen Werten orientiert ist, als Tapferkeit (Höffle, 1981), wobei sich Zivilcourage hierbei auf soziale und politische Bedrohungen bezieht und als Bürgermut (Heuer, 2002), den Mut einer Person in einer Minderheitsposition. Durch Definitionen der Autoren Gerd Meyer (2004) und Andju Sarah Labuhn (2004) konnten weitere eindeutige Merkmale, die Zivilcourage kennzeichnen, verdeutlicht werden. Zwischen den unterschiedlichen Konzepten Zivilcourage, Altruismus, prosozialem Verhalten und Hilfeverhalten gibt es in der wissenschaftlichen Literatur oftmals fließende Übergänge oder die Einstufung der Begriffe in eine jeweilige Unterkategorie (vgl. Frey et al., 2001, in Bierhoff & Fetchenhauer, 2001, S. 94).
Seit Beginn der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts ist aus dem Schlagwort Zivilcourage eine umfangreiche Handlungskategorie entstanden. Unterschiedliche Interessengemeinschaften, wie zum Beispiel Privatpersonen, private oder öffentliche Vereine, soziale Einrichtungen und vor allem Polizeidienststellen haben breit gefächerte pädagogische Projekte, praktische Trainings und flächendeckende Kampagnen ins Leben gerufen. Ziel dieser Maßnahmen ist der Aufruf zu zivilcouragiertem Handeln und vor allem das Aufzeigen von Möglichkeiten der Prävention und Intervention, um Zivilcourage bzw. sozial mutiges Handeln, Hilfs- und Einsatzbereitschaft zu unterstützen und zu fördern. Im wissenschaftlichen Kontext sind seitdem zumeist sozialpsychologische Studien zu Zivilcourage durchgeführt und psychologisch-pädagogische Trainings zur Förderung zivilcouragierten Handelns entwickelt worden.
Gründe für zivilcouragiertes Handeln
Aggressives und gewalttätiges Verhalten kann durch Eingreifen und Hilfe verhindert werden. Insbesondere unter Kinder und Jugendlichen sinkt die Hemmschwelle, wenn aggressives und gewalttätiges Verhalten ohne Konsequenzen für den/die Täter bleibt und niemand helfend eingreift. Somit entsteht ein negatives „Vorbildverhalten„ bzw. das negative Verhalten der/des Täter/s wird lerntheoretisch gesehen verstärkt. Daher ist es von zentraler Bedeutung, dass man sich selbst und andere auffordert, Verantwortungsgefühl zu übernehmen und sich aktiv für ein friedliches Zusammenleben einsetzt. Außerdem ist es wichtig, Menschen die bereits Opfer von Gewalt oder aggressivem Verhalten geworden sind – oder Opfer werden könnten – zu schützen, da aggressives und gewalttätiges Verhalten bei Opfern und Zeugen der Vorfälle erhöhte soziale Angst erzeugt (vgl. Frey, Schäfer & Neumann, 1999, S. 265). Kinder und Jugendliche können aufgrund von wiederholt auftretendem, aggressiven und gewalttätigen Verhalten im Laufe ihrer Sozialisation lernen, ihre Empathie für Mitmenschen zu reduzieren. Das bedeutet, dass sie sich beispielsweise bei Gewalttaten immer passiver verhalten und mit immer geringerer Wahrscheinlichkeit eingreifen (vgl. Gilligan, 1984, zitiert nach Frey et al., 1999, ebd.).
Zivilcourage ist nicht angeboren, aber schon bei Kindern gibt es bezüglich ihrer sozialen Umwelt Unterschiede in Hinblick auf Aufgeschlossenheit, Aufmerksamkeit und Courage. Demnach ist Zivilcourage im Wesentlichen ein Sozialisationsprodukt, eine Verhaltensdisposition, die man erlernt und verlernt. Entscheidend ist dabei nur, dass es bestimmte Standards und Regeln gibt, die in erforderlichen Situationen jeden für aktives Eingreifen verantwortlich machen, da zivilcouragiertes Handeln auch ohne die Gefährdung der eigenen Person möglich ist (vgl. Frey et al., 1999, S. 266).
Damit Menschen in beobachteten Notsituationen aktiv eingreifen und nicht Zuschauer bleiben, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Die Veränderung von Verhaltensweisen ist hierbei besonderes wichtig. In unterschiedlichen Situationen weiß die helfende Person, dass sie eingreifen muss und warum. Es handelt sich also um deklaratives Wissen. Zudem muss die Person aber auch wissen, wie sie konkret helfen kann. Deshalb ist es ebenfalls wichtig, dass die helfende Person über prozedurales Wissen verfügt. Das Erlernen von Zivilcourage ist nach Ansicht von Frey, Schäfer und Neumann (1999) abhängig von den fünf Basisvariablen der Verhaltensänderung. Dabei handelt es sich um das Erkennen/ Kennen, Können, Wollen, Sollen und Dürfen. Diese Basisvariablen sollen im Folgenden näher erläutert werden, da sie wesentliche Ansatzpunkte für Maßnahmen zur Förderung von Zivilcourage beinhalten.
Beim Erkennen und Kennen geht es um die bewusste Wahrnehmung des Alltags. Das Kennen bezieht sich auf die Kenntnis bestimmter Verhaltensweisen und Handlungsmöglichkeiten in den unterschiedlichsten Situationen und ist eine grundlegende Voraussetzung für jede Verhaltensänderung. Erkennen bezieht sich auf das unbewusste oder bewusste Wahrnehmen von unterschiedlichen Situationen (Notsituationen) um uns herum.
Mit Können ist gemeint, dass einer Person die Möglichkeiten des alternativen Handelns sowie deren Umsetzung bekannt sind. Zum Handeln kann es nur kommen, wenn sich die Person auch traut, die Möglichkeiten des Handelns in die Tat umzusetzen (z. B. Selbstwirksamkeitserwartungen, aber auch situative Bedingungen). Entscheidend ist dabei, dass eine Person eine Notsituation nicht nur wahrnimmt, sondern weiß, dass diese Situation sie selbst betrifft und sie verantwortlich ist, zu helfen. Weiterhin sollte die Person wissen, welche individuellen Verhaltensoptionen in einer bestimmten Notsituation sinnvoll sind und welche nicht. Diese Verhaltensoptionen müssen erlernt und geübt werden. Außerdem müssen sie auf die eigene Persönlichkeit abgestimmt werden. Aus bewusst werdenden Ängsten und Hemmungen entsteht die Erkenntnis individueller Handlungsmöglichkeiten. Dieses praktische Können kann ebenfalls in Trainings und Rollenspielen sowie mittels Filmen und Videos in unterschiedlichen schulischen und dienstlichen Bereichen gefördert werden. Dabei soll die Vermittlung von theoretischem Wissen nicht im Vordergrund stehen, sondern die Vermittlung von Wissen aus Erfahrung. Das Gelernte soll reflektiert und kritisch hinterfragt werden. Frey et al. (1999) verweisen zudem auf Multiplikatoren und das Vorbildverhalten.
Abb.1 Konkrete Merkmale von Zivilcourage
Weitere, wichtige entwicklungspsychologische Bedingungen für aktives Hilfeverhalten sind Empathie und Perspektivenwechsel. Insbesondere bei Stress ist es wichtig, seine eigene Aufmerksamkeitsfähigkeit und Wahrnehmungsfähigkeit zu intensivieren, um Empathie entwickeln zu können. In Schulen, Universitäten und Betrieben kann durch entsprechende Thematisierung und konkrete Auseinandersetzung mit den hier genannten psychologischen Abwehrmechanismen die Fähigkeit der Empathie und des Perspektivenwechsels gefördert werden (vgl. Frey et al., 1999, S. 270-271).
Bandura beschreibt in seiner Lerntheorie (1971), dass ein großer Teil unseres Verhaltens reines Imitationsverhalten ist. Unsere Verhaltensweisen lernen wir demnach durch die Beobachtung von anderen. In Bezug auf Zivilcourage ist es besonders wichtig, Vorbilder zu beobachten, die bei Verletzungen von Normen einschreiten, andere zum Helfen motivieren, Täter aufhalten und Opfern Schutz bieten. Personen, die eine Vorbildposition haben, wie zum Beispiel Eltern, Lehrer oder Vorgesetzte in Betrieben, wirken daher ständig als Multiplikatoren und Vorbilder, ob positiv oder negativ. Das Vorbildverhalten auch mit negativer Ausprägung sehr wirkungsvoll sein kann zeigen die Experimente des Sozialpsychologen Stanley Milgram (1965; 1974), an denen insgesamt etwa 2000 Menschen teilnahmen. Bei diesen Untersuchungen, die als Lernexperiment getarnt waren, sollte eine Versuchsperson in der Lehrerrolle eine andere Versuchsperson in der Schülerrolle für falsch wiedergegebene, zuvor gelernte Wortpaare mit Elektrostößen in unterschiedlicher Intensität bestrafen, die in Realität bis zum Tod hätten führen können. Hierbei gab es 30 Schalter von 15 Volt (leichter Schock) bis 450 Volt (Lebensgefahr). Der Versuchsleiter des Experiments war gleichzeitig die Autoritätsfigur, welche Anweisungen für die Elektroschocks gab und Personen in der Lehrerrolle anleitete weiterzumachen, wenn diese sich widersetzen wollten. Mit diesem Experiment wollte Milgram den Ungehorsam und Widerstand amerikanischer Bürger und Bürgerinnen gegen unmenschlichen Autoritätsdruck nachweisen. Erschreckender Weise verteilten jedoch zwei Drittel der Versuchspersonen in der Lehrerrolle den stärksten Elektroschock, der den Tod bedeutet hätte und keine Lehrerversuchsperson, die sich im Bereich der letzten fünf Schalter befand, verweigerte die weitere Bestrafung mit den tödlichen Stromstößen (vgl. Zimbardo,1995, S. 714-715). Ein weiterer bedeutender Aspekt in diesem Zusammenhang ist das Lernen aus Positivbeispielen. Da Menschen von Vorbildern lernen, ist es wichtig, dass insbesondere die Medien von positiven Beispielen berichten, bei denen Opfern geholfen wurde und andere Personen mobilisiert wurden, einzugreifen. Auch in Schulen, Betrieben und Universitäten sollten solche Beispiele thematisiert werden, gefördert und transparent gemacht werden. Menschen werden nur aktiv, wenn sie anhand von Positivbeispielen gesehen haben, dass ein Eingreifen möglich ist (vgl. Frey et al., 1999, ebd.). Bedeutungsvoll ist also, dass es viele Menschen gibt, die eine positive Vorbildfunktion gegenüber anderen Menschen haben. Aus dem Bereich der Minoritätentheorie geht aber auch hervor, dass schon eine einzelne Person sehr viel bewirken kann und durch konsistente und flexible Argumentation auf die Mehrheit Einfluss haben kann (vgl. Maass, West & Clark, 1993, zitiert nach Frey et al., 1999, in Schäfer & Frey, 1999, S. 273).
Zivilcourage ist gefragt: Szene eines tätlichen Angriffs gegen einen Passanten
im U-Bahnhof (Foto: Löhr)
Erkennen, Kennen und Können reicht nicht allein für eine Verhaltensänderung aus. Zivilcouragiertes Handeln und Verantwortungsübernahme muss auch gewollt sein. Dies kann nach Ansicht der Autoren durch Positivmodelle und eine Verstärkungs- und Anerkennungskultur erzielt werden. Unterschiedliche Strategien können helfen, Menschen zu motivieren. Die Auszeichnung von Positivmodellen, aber auch Perspektivenwechsel und Aufrufe an die eigene Verantwortung sind hier ganz entscheidend. Oft ist das Aktivwerden in Notlagen beängstigend, weil man selbst Opfer werden könnte. In solchen Situationen wegzuschauen, kann zur Gewohnheit werden. Eine Veränderung von Gewohnheiten gestaltet sich oftmals als schwierig. Aus diesem Grund ist es hilfreich, die Konsequenzen des passiven Verhaltens aufzuzeigen, indem man die Tatsache verdeutlicht, dass jeder einmal zum Opfer werden könnte und die Wahrscheinlichkeit dafür steigt, wenn keiner dem anderen hilft.
Eine weitere, wichtige Grundlage für das Aktivwerden von Menschen in Notsituationen bilden die so genannten Bewältigungskognitionen. Menschen können zu Bewältigungskognitionen oder zu Hilflosigkeitskognitionen neigen. Dabei ist unter Bewältigungskognitionen zu verstehen, dass eine Person an sich selbst glaubt und optimistisch ist, ein Problem lösen zu können. Das Problem wird als Herausforderung betrachtet. Personen mit Hilflosigkeitskognitionen haben hingegen eine pessimistische Einstellung gegenüber Problemen. Oft grübeln sie und zweifeln an sich selbst. Die Indizierung von Bewältigungskognitionen ist dementsprechend ein weiterer bedeutsamer Aspekt, um zivilcouragiertes Verhalten zu fördern. Auf diese Weise kann Intervention in Notsituationen als Herausforderung durch antizipierte Bewältigung betrachtet werden. Auch hier sind Multiplikatoren wichtig. Durch mehrere, aktive Multiplikatoren können Bewältigungskognitionen auch bei anderen Menschen trainiert werden (vgl. Frey et al., 1999, S. 274-275). Die vierte Basisvariable der Verhaltensänderung ist Sollen. Hierbei wird an die persönliche Verantwortung eines jeden Bürgers unser Gesellschaft appelliert, sich für zivilcouragiertes, aktives Handeln einzusetzen, wenn die Situation es erfordert. Dazu müssen bestimmte Werte und Regeln, die zivilcouragiertes Handeln ausmachen, wieder neu aktiviert werden. Perspektivenwechsel und Empathie wurden hierfür bereits genannt. Die Autoren beziehen sich hierbei auf die Grundidee des Sollens, welche durch eine Bewegung des Kommunitarismus aus den Vereinigten Staaten Amerikas hervorgebracht wurde. Ziel dieser Bewegung bzw. der Grundidee des Sollens ist es, eine neue zivile Gesellschaft zu prägen, mit Wertvorstellungen wie Gemeinsinn, Verantwortung und Fürsorglichkeit.
Bezogen auf Deutschland würde es eine Gemeinschaft von Bürgern geben, die Tätigkeitsfelder zwischen Privatwirtschaft und Staat ausfüllen, soziale Netze verknüpfen und eine Art moralische Instanz bilden. Mit anderen Worten soll der Beitrag, den der einzelne Bürger oder die kleine Gemeinschaft leisten können, nicht mehr nur höheren Ebenen zugeteilt sein. Insgesamt betrachtet, ist es entscheidend, dass jeder Bürger sich fragt, welchen Beitrag er zur Förderung von Zivilcourage leisten kann. Von grundlegender Bedeutung sind dabei einerseits das globale Denken und das friedliche Zusammenleben nach bestimmten Normen, Regeln und Menschenrechten. Andererseits ist es wichtig zu überlegen, wie auch auf lokaler, sozialer Ebene einzelne Bürger zivilcouragiert handeln können. Die intensive Auseinandersetzung mit bestimmten „Spielregeln„ des Umgangs miteinander sollte daher in gesellschaftlichen Institutionen, wie der Schule, Universität und in Betrieben angestrebt werden. Durch die Auseinandersetzung mit Werten und Normen unserer Gesellschaft kann ein Überschreiten der Grenzen des friedlichen Zusammenlebens frühzeitig und wirksam eingegrenzt werden (vgl. Frey et al., 1999,
S. 275-277).
Die fünfte Basisvariable ist Dürfen. Damit ist gemeint, dass einer Hilfe leistenden Person auch Fehler oder ein Irrtum passieren kann, der nicht gleich angemahnt werden sollte, da somit in akuten Notfallsituationen keine Hilfe erfolgt. Insbesondere der Selbstwert und das Selbstvertrauen von Menschen muss gefördert und nicht unterdrückt werden, weil nur Menschen mit Selbstvertrauen auch zivilcouragiert handeln bzw. sich für andere Menschen in Notlagen einsetzen können. Insbesondere im Rahmen der Familienerziehung, aber auch in unterschiedlichen gesellschaftlichen Institutionen ist die Förderung von Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein, Angstfreiheit und Optimismus von grundlegender Bedeutung. Das Selbstvertrauen des Einzelnen wächst durch Respekt, Wertschätzung und Anerkennung im eigenen sozialen Netzwerk. Für Kinder und Jugendliche ist es deshalb wichtig, dass sie Explorations- und Übungsfelder haben, in denen sie Handlungswissen wie zum Beispiel bei Konflikten oder Misserfolgen nicht nur durch das Vorbildverhalten der Eltern erwerben, sondern nach eigenen Regeln untereinander (vgl. Frey et al., 1999, S. 277-278).
Ansatzpunkte für Zivilcourage-Maßnahmen
In Hinblick auf die Gestaltung von Maßnahmen zur Förderung von Zivilcourage können hier wesentliche Aspekte benannt werden: Damit eine Person zivilcouragiert handelt, müssen bestimmte Kompetenzen (Fähigkeiten und Fertigkeiten) gefördert bzw. gestärkt werden. Wie bereits zuvor erwähnt, gibt es schon bei Kindern Unterschiede hinsichtlich der Aufgeschlossenheit, Aufmerksamkeit und Courage, welche durch die individuelle Entwicklung und individuelle Interaktion mit der Umwelt (Sozialisation) entstehen. Die Möglichkeit, sozial angemessen zu handeln, ist demnach auf die individuellen Entwicklungs- und Sozialisationsprozesse eines jeden Individuums zurückzuführen. Menschen interpretieren unterschiedliche Situationen auf verschiedene Art und Weise. Daran orientiert sich auch das Handeln. Dementsprechend sind Vorbilder (z. B. Eltern, Lehrer, Vorgesetzte oder auch Multiplikatoren von Zivilcourage-Trainings
u. a.) wichtig, die bei der Verletzung von Normen in unserer Gesellschaft eingreifen, sich dadurch für Werte wie zum Beispiel Verantwortung und Hilfsbereitschaft einsetzen und so andere Menschen auch zum Helfen motivieren. Hier kommt auch den Medien die bedeutende Rolle zu, indem verstärkt in der Öffentlichkeit von Positivbeispielen bezüglich zivilcouragierten Handelns berichtet werden sollte.
Albtraum vieler Frauen: Szene eines Handtaschenraubes im Parkhaus (Foto: Löhr)
Der Fall von Dominik Brunner stellt einerseits solch ein Positivbeispiel für Zivilcourage dar, schreckt aber durch das äußerst brutale Vorgehen der Täter viele Menschen ab, helfend einzugreifen. Einen ganz wesentlichen Ansatzpunkt für Maßnahmen zur Förderung von Zivilcourage bildet dementsprechend die Vermittlung von konkretem Handlungswissen, bzw. die Vermittlung von bestimmten Verhaltensweisen, Handlungsmöglichkeiten und Handlungsroutinen (jederzeit abrufbares Verhalten) in unterschiedlichen Notsituationen. Damit Menschen zivilcouragiert handeln, sollten Maßnahmen zur Förderung von Zivilcourage insbesondere auch das Empathievermögen, die eigene Wahrnehmungsfähigkeit und Aufmerksamkeitsfähigkeit fördern. Auch die Förderung des Selbstwertes, Selbstvertrauens und der Selbstsicherheit bilden wichtige Grundlagen für solche Maßnahmen. Nur Menschen mit Selbstvertrauen, dem Glauben und Willen daran, etwas bewirken zu können, setzen sich auch für andere Menschen in Notsituationen ein. Im zweiten Teil werde ich deshalb ausgewählte von mir bundesweit recherchierte Maßnahmen zur Förderung von Zivilcourage vorstellen, darunter auch ein Training aus dem deutschsprachigen Raum (Schweiz).
Im Polizeikurs für Jugendliche „zammgrauft- von Antigewalt bis Zivilcourage„ in München, beim Training „Kleine Schritte statt Heldentaten„ aus Zürich, im „Anti-Gewalt-Projekt„ der Berliner Polizei, im Theaterprojekt „DOMINO- Zivilcourage im Rampenlicht„ in Halle oder dem „Göttinger- Zivilcourage-Impuls-Training„ und vielen weiteren Trainings und Projekten, werden die zuvor benannten wichtigen Kompetenzen für zivilcouragiertes Handeln (wie z. B. Empathie, Aufmerksamkeitsfähigkeit, Wahrnehmungsfähigkeit, Selbstvertrauen, Selbstsicherheit, Handlungswissen) gefördert. Darüber hinaus wird in der nächsten Ausgabe der sogenannte „Bystander-Effekt„ näher betrachtet, der unterschiedliche Erklärungsansätze für die zentrale Frage im Kontext von Zivilcourage liefert: Warum bleiben Menschen in Notsituationen anderer oft nur Zuschauer und handeln nicht zivilcouragiert?
Weiterführende Informationen
Auf PolizeiDeinPartner.de finden Sie Beispiele für persönliche Zivilcourage und auch Informationen über Polizeikurse, bei denen man Zivilcourage lernen kann.
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