Intensivtäterorientierung

– Polizeiliche Konzepterfahrungen einer Flächendirektion

Die Polizeidirektion Landau startete im September 2006 ein Projekt, welches die Implementierung einer Intensivtäterorientierung in die Organisationsstrukturen der Polizeidirektion im April 2007 erreichte. Nach einem Jahr Echtbetrieb in der polizeilichen Praxis kann nachfolgendes Fazit gezogen werden.

Konzeptioneller Ansatz der Polizeidirektion Landau in der Pfalz
Ausgangspunkt dieser Projektarbeit war die These, dass ein kleiner Teil der Straftäter für einen überproportional größeren Teil an Straftaten verantwortlich ist. Untersuchungen sprechen von circa zehn Prozent der polizeilich ermittelten Tatverdächtigen, die für ungefähr 50% der bekannt gewordenen Straftaten verantwortlich sind.1 Bei der Polizeidirektion (PD) Landau sind 34,4% der Tatverdächtigen rückfällige Täter, denen bereits im Vorjahr Straftaten zugeordnet werden konnten.2 Empirische Erhebungen der Jugendsachbearbeiter der einzelnen Inspektionen berichteten direktionsweit von einer auffallend hohen Tatperseveranz Jugendlicher aus ländlich strukturierten Wohngegenden insbesondere bezüglich der Tatorte. So bereisen Jugendliche aus Dörfern zumeist mit öffentlichen Verkehrsmitteln die Region und hinterlassen allerorts (über polizeiliche Zuständigkeitsgrenzen hinweg) strafrechtliche Spuren.

Brigitte Nilges,
Kriminaloberrätin
Kriminalinspektion Landau

Die Polizeidirektion Landau gliedert sich in fünf Polizeiinspektionen, eine Polizeiwache und eine Kriminalinspektion, die im Gesamten für ungefähr 280.000 Bürger auf 1250 qkm in 14 Verbandsgemeinden und zwei kreisfreien Städten zuständig sind. Der Direktionsbereich grenzt im Osten an das Bundesland Baden-Württemberg und südwestlich an das Hoheitsgebiet des Staates Frankreich. Diese kriminalgeografischen Besonderheiten bedürfen bei allen kriminalistischen Konzepten der besonderen Berücksichtigung. Die meisten der empirischen Untersuchungen zum Thema Intensiv- und Mehrfachtäter orientieren sich an den polizeilichen Strukturen einer Großstadt. Aus diesem Grund bedurfte die Anwendung eines adäquaten polizeilichen Konzeptes im Bereich einer ländlichen Flächendirektion einer gründlichen Anpassung und Vorbereitung.
Entsprechend der Zielsetzung der Polizeidirektion Landau, sich im Rahmen des kriminalstrategischen Konzeptes der Kontrolle der überörtlichen Mehrfach- und Intensivtäter zu widmen, wurde beginnend im September 2006 ein Problemaufriss formuliert. Dieser bildete die Grundlage zur Diskussion innerhalb der Dienststellen. Im Anschluss wurde eine Projektgruppe, gesplittet in vier Teilabschnitte, ins Leben gerufen, deren Projektplan das Vorgehen zur Erarbeitung eines für die PD Landau geeigneten Konzeptes Intensivtäterorientierung (ITO) beschreibt. Am gesamten Projekt waren somit über 30 Beamte aller Dienststellen der PD beteiligt. Dies sollte sich nicht nur bei der Ideenvielfalt nachträglich von Nutzen zeigen, sondern bereitete die angestrebte breite Akzeptanz bei den Dienststellen vor, eine beabsichtigt tragende Säule des Konzepts. Schwierigster Punkt der Projekt-arbeit war die Definition des Begriffs „Intensivtäter„. Eine bundeseinheitliche oder wissenschaftliche Definition existiert bisher nicht.3 Im Ergebnis wurden Grenzen des Begriffs so weit gefasst, dass eine spätere Eingrenzung im Rahmen der Bearbeitung möglich blieb. Eine Beschränkung auf jugendliche Straftäter sollte zudem nicht stattfinden, auch wenn diese höhere Aufmerksamkeit erfahren dürften.

Falko Grote,
Polizeioberkommissar
Kriminalinspektion Landau

Umsetzung des Konzepts
Alle vorangestellten Überlegungen zielten auf zwei Grundsätze ab, die als Leitlinie für das gesamte Konzept fortgeführt wurden. Erstens sollten die signifikant auffälligen Straftäter beidseitig in den Fokus der polizeilichen Anstrengungen gerückt werden. Auf der einen Seite sollten jene Täter innerhalb der Polizeibelegschaft bekannt werden, um eine Vielzahl von Augen auf diese zu richten und die Kontroll- und Beobachtungsanzahl zu erhöhen. Auf der anderen Seite müssen die Delinquenten auch einen verstärkten polizeilichen Fahndungsdruck zu spüren bekommen. Die Verfolgungsbehörden, insbesondere ihr polizeilicher Ansprechpartner, muss omnipräsent wirken, über sämtliche Vorkommnisse Bescheid wissen und Maßnahmen gegen die Personen einleiten können. Diese polizeiliche Bemühung erhöhte die Aufklärungsquote und erschwert dem Intensivtäter aufgrund häufiger polizeilicher Begleitung den Zugang zu kriminellen Strukturen. Zweitens – und dieser Punkt schließt sich hier an – müssen alle polizeilichen Maßnahmen aus einer Hand geführt werden, was zu gleichen Teilen der polizeilichen Arbeitsökonomie und der koordinierten Strafverfolgung (Prozessökonomie) dienen soll. Das Vermeiden von mehrfachen Vernehmungen und Ermittlungen durch verschiedene Beamte entlastet die einzelnen polizeilichen Sachbearbeiter. Zugleich erhöht eine gesammelte, geschlossen aufgebaute Anzeige/Anklage die Verurteilungsmöglichkeit immens. Sogar noch günstiger fördert dieser Weg den präventiven Gedanken des polizeilichen Wirkens. Begleitet ein Polizeibeamter einen Straftäter bei seiner kriminellen Karriere, hat er weit größeren Einfluss auf eine mögliche Abkehr von der Straffälligkeit, als verschiedene sporadisch agierende Beamte; einem erklärten polizeilichen Ziel. Für den eingesetzten Beamten dürfte die geplante und nachhaltige Anwendung seiner sozialen und kriminologischen Fähigkeiten eine persönlich erfüllendere Tätigkeit sein.




Bestimmung und Bewertung der Intensivtäter
Als inspektionsübergreifende Einrichtung wurde eine zentrale Entscheidungs- und Bewertungsstelle bei der Führungsgruppe der Polizeidirektion angesiedelt. Die zentrale Bewertungsstelle hat die Aufgabe, Vorschläge für potentielle Intensivtäter aus den Reihen der Sachbearbeiter und der Dienststellen aufzunehmen und diese zu prüfen. Eine solche Prüfung umfasst zum einen objektive Aspekte (Straftaten, Punktewertung, Prüfung weiterer Verfahren in Poladis aller PI’en und bei der StA, Auswertung von Fallgrunddaten) sowie einen subjektiven Anteil (Einschätzung des Sachbearbeiters, weiterer beteiligter Beamte, Jugendsachbearbeiter, Kontaktbereichsbeamter, Erstellen einer Prognose). Weitere Aufgaben dieser Stelle sind die Teilnahme an inspektionsinternen Besprechungen, die den Intensivtäterbereich tangieren, Auswertung von Tagesberichten und Lagebildern, Weiterleiten von Erkenntnissen an die Operativen Einheiten und den jeweiligen Sachbearbeiter.
Als Intensivtäter im weiteren Sinne werden alle Beschuldigten betrachtet, die innerhalb eines Jahres mindestens 10 Straftaten oder innerhalb eines halben Jahres 5 Straftaten aus den Deliktsbereichen Raubdelikte, Roheitsdelikte, Eigentumsdelikten oder Vermögensdelikten begangen haben und bei welchen eine ungünstige Zukunftsprognose vorliegt. Zusätzlich müssen die Maßnahmen der ITO für die polizeiliche Bearbeitung erfolgsversprechend sein. Hierbei überwiegt im Einzelfall die Einschätzung und Bewertung der Dienststelle und der zentralen Bewertungsstelle. Zusätzlich wurde der Zugang in die Datei nachträglich für besondere Straftäter geöffnet, die durch besondere polizeiliche Brisanz oder sehr hohe Erfolgswahrscheinlichkeit für eine Intensivtäter-Bearbeitung prädestiniert sind.
Die Dienststellen und Beamten der PD Landau melden potentielle Intensivtäter bei Erkennen in eigener Zuständigkeit formlos an die zentrale Bewertungsstelle. Zusätzlich werden durch die eigene Auswertung der örtlichen und überörtlichen Lagebilder von der zentralen Bewertungsstelle potentielle Tatverdächtige geprüft.



Intensivtäterdatei
Begleitend zu den oben aufgeführten Konzeptideen erschien eine zentrale Datei für den Erfolg der Maßnahmen von großer Bedeutung. Dabei soll sichergestellt werden, dass alle Polizeibeamten jeder Dienststelle der Polizeidirektion ständigen Zugriff auf die Daten der tagesaktuellen Datei haben. Die Intensivtäterdatei wurde mit einer Kurzanmeldung gem. § 28 LDSG, gestützt auf die Generalerrichtungsanordnung (GEA) „ÜEK – überörtliche Eigentumskriminalität„, angemeldet. Eine Einzelerrichtungsanordnung über die Möglichkeiten der GEA ÜEK hinausgehend war nicht erforderlich. Die GEA ÜEK spricht auch von „sogenannten Logistiktaten bis hin zum Raub„, so dass auch der Deliktsbereich der Gewalttaten erfasst ist. Die GEA ÜEK beinhaltet die Speicherung und Verarbeitung von Täterdaten einschließlich Lichtbildern und Hinweisdaten sowie Daten zu Nichtverdächtigen/ Hinweisgebern und lässt Verknüpfungen und Beziehungen zu.
Die Intensivtäterdatei besteht aus einer Liste der von der zentralen Bewertungsstelle ausgewählten Intensivtäter mit den dazugehörigen Personal- und Polizeikerndaten. Von der Rangliste führt eine elektronische Verknüpfung zu dem Steckbrief der Person. Dieser enthält ausführliche Informationen zu der Zielperson, alle verfügbaren Lichtbilder, sowie einen Hinweis auf die sachbearbeitende Stelle.
Die zentrale Eingabestelle der Intensivtäterdatei ist organisatorisch an die örtliche Fahndung angebunden und wird dort gepflegt. Die Pflege beinhaltet Maßnahmen wie die Eingabe neuer Datensätze, Löschungen, Änderungen und Aktualisierungen. Für die Pflege der Steckbriefe (z.B. Ergänzung einer Erkenntnis aus einer neuen Anhaltemeldung, Vernehmungen,...) ist die sachbearbeitende Stelle für den jeweiligen Intensivtäter verantwortlich. Diese meldet Änderungen und Ergänzungen an die festgelegte Dateneingabestelle.
Das Gesamtprojekt wurde jedem einzelnen Beamten der PD Landau persönlich in Papierform oder über Outlook in Verteilerlisten vorgestellt. Umgekehrt wurde eine einzige Mailadresse generiert, die von jedem Beamten leicht gefunden und benutzt werden kann. Jede Mail, die an diese Stelle gerichtet ist, geht dann gleichzeitig an die Akteure der Führungsgruppe, der Fahndung und der Sachbearbeiter für die Intensivtäterrangliste.
Die Liste der Intensivtäter - mit Bild - wird im werktäglich erscheinenden Lagebericht der PD Landau („Laura Aktuell„ – ein Medium in Zeitungsformat) eingestellt. Jeder Beamte hat Einsicht in die Gesamtliste, den Einzelfall wie auch den Steckbrief zum Einzelfall und in die Lichtbilder. Wesentliche Erkenntnisse zu den Intensivtätern werden in Laura Aktuell tagesaktuell veröffentlicht. Beamte, die Hinweise oder Kontakte zu einem Intensivtäter hatten, melden dies über den oben beschriebenen Weg. Wichtig ist, dass jeder Hinweisgeber von der Führungsgruppe, der Fahndung oder dem Sachbearbeiter eine persönliche Rückmeldung über die Verwertung seines Hinweises erhält. Dies soll die hohe Bedeutung der Hinweisgebung unterstreichen.



Polizeiliche Sachbearbeitung
Sofern durch die zentrale Bewertungsstelle ein Tatverdächtiger als Intensivtäter benannt worden ist, wird diesem eine sachbearbeitende Stelle bei der für den Wohnort zuständigen Dienststelle zugeteilt. Jeder Intensivtäter erhält somit einen „eigenen„ Sachbearbeiter, was das oben angeführte Prinzip der Personalität gewährleistet. Dieser Sachbearbeiter wird über die ITO-Konzeption und deren Möglichkeiten und Ziele beschult und bei seinem Vorgehen durch die zentrale Bewertungsstelle beraten. Jener Sachbearbeiter wird ab der Übernahme über alle Ermittlungen und Maßnahmen gegen den Intensivtäter unterrichtet.

Dem Sachbearbeiter werden folgende Aufgaben übertragen:

  • abschließende Bearbeitung aller Delikte, die nicht in die Bearbeitungszuständigkeit der KI Landau fallen (unter Berücksichtigung des OrgPol), innerhalb der PD Landau, unabhängig vom Tatort
  • Entscheidung/Mitsprache über operative Maßnahmen in oben genannten Verfahren
  • Durchführung von Gefährderansprachen
  • Ermittlungen bzgl. des persönlichen Umfeldes oder Beauftragung operativer Einheiten
  • im Bedarfsfall Erstellen einer Zukunftsprognose
  • enge Absprache insbesondere mit der Staatsanwaltschaft aber auch anderen beteiligten Einrichtungen.

Der Sachbearbeiter erstellt für Intensivtäter, die sich in Haft befinden bzw. in Heimen aufhalten, eine Zukunftsprognose. Kurz vor Ende des Haft- bzw. Heimaufenthalts hat eine Warnanzeige in der Datei und Laura Aktuell über den Entlassungstermin zu erfolgen. Erkenntnisse aus der Zukunftsprognose sind hier zu integrieren. Die umfassende Betreuung zeigt dem Straftäter deutlich die Entschlossenheit und Nachhaltigkeit des polizeilichen Wirkens und sorgt so für eine Abkehr von weiteren Straftaten oder zumindest erschwerte Begehungsbedingungen.
Eine frühzeitige Absprache mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ist unerlässlich.



Informationsmanagement
Eine Kontrolle der Aktualität der in die Datei eingestellten Informationen erfolgt regelmäßig durch den zugeteilten Sachbearbeiter. Die werktägliche Einstellung neuer Informationen in die Datei obliegt der zentralen Eingabestelle. Die Überprüfung der gemeldeten Intensivtäter durch die zentrale Bewertungsstelle erfolgt innerhalb eines Werktages. Wesentlich zum Erfolg der Intensivtäterdatei tragen eine möglichst große Anzahl an Hinweisen zu den Tatverdächtigen bei. Nur so kann ein ausführliches Informations- und Bewegungsbild des Intensivtäters entstehen. Um die Hinweisbereitschaft bei den Beamten der Polizeidirektion fortlaufend zu stärken, muss jeder Hinweisgeber zeitnahe Rückmeldung über die Verwertung seines Beitrages erhalten. Dies steigert zudem nachhaltig die Akzeptanz einer solchen Datei.

Ganzheitliches Vorgehen
Die Polizei steht bei der Betreuung der Delinquenten nicht alleine da. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die sozialen Dienste, Bewährungshelfer, Jugendämter und vergleichbare Einrichtungen haben ein Interesse an der Resozialisierung der Täter. Deshalb müssen diese Stellen über das Konzept der ITO informiert und ihre Beteiligungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Die Staatsanwaltschaft Landau erkannte bereits bei der Vorstellung des polizeilichen Konzeptes zahlreiche Synergieeffekte und konnte auch auf Mängel aus prozessualer Sicht hinweisen. Eine einvernehmliche koordinierte Zusammenarbeit trug bereits in einigen Fällen zu schnellen und verfahrensökonomischen Erfolgen bei. So konnten zwei penetrant straffällige Jugendliche bereits bei der Ankündigung weiterer eingeleiteter Verfahren und noch vor der Ausermittlung in Gewahrsam genommen und weitere Taten verhindert werden.

Erfahrungsberichte

Probelauf
Nach abgeschlossener Projektarbeit warteten entsprechend alle Dienststellen gespannt auf die erfolgreiche Umsetzung des Konzepts in den Echtbetrieb des Polizeialltages. Trotz dieser Erwartungshaltung haben wir uns dazu entschlossen, vorab einen Probelauf über einen Monat durchzuführen. Sicher kann man nicht alle „Kinderkrankheiten„, insbesondere einer neukonzipierten Software oder der internen Verwaltungsabläufe, abschließend testen, aber ein Probelauf versprach uns die nötige Anfälligkeitsresistenz des ITO-Projekts vorab zu überprüfen. Probleme taten sich in dieser Phase insbesondere im elektronischen Bereich auf. Das verwendete Programm ist nicht mit der Bearbeitungssoftware der Polizei Rheinland-Pfalz vernetzbar. Problematisch ist zudem, dass Erkenntnisse aus Strafanzeigen einer Nachbardienststelle innerhalb der Polizeidirektion nicht auswertbar sind. Begeht ein Straftäter also ein Delikt in Wörth am Rhein, kann man die Daten dazu im benachbarten Landau erst nach elektronischem Bearbeitungsabschluss (dies kann sich bekanntlich über Monate ziehen) einsehen. Doch genau hier sollte die ITO-Datei früher ansetzen und diese Informationslücke über die aktuell betriebenen Verfahren und aktuelle Erkenntnisse für alle Polizeibeamte innerhalb der PD schließen. Im Ergebnis werden nun Erkenntnisse aller Dienststellen von Hand mit Hinweis auf den Informationsgeber in die Datei eingegeben.

Konzepterfahrung
Die Darstellung der Verlaufsstatistik und der herausragenden Fälle der ITO-Datei machen deutlich, dass die Anwendung der ITO-Konzeption insbesondere in der zentralen Sachbearbeitung und Betreuung der Delinquenten positive Auswirkung zeigt. Bei der PD Landau waren von April bis Februar 2008 25 potentielle ITO-Kandidaten gemeldet und jeweils fünf bis neun Personen aus fünf verschiedenen Dienstbezirken in der Datei aufgenommen worden. Hiervon konnte gegen neun Personen Haftbefehle erlassen werden. Zwei überdurchschnittlich auffällige Straftäter konnten seit Juli bzw. September 2007 ohne weitere Tatbegehungen geführt werden (präventiver Erfolg). Durch Observationen konnten vier ITO-Täter auf frischer Tat überführt und in Untersuchungshaft gebracht werden. Trauriger Höhepunkt war der Drogentod eines ITO-betreuten Straftäters wenige Wochen nach Haftentlassung kurz vor einer erneuten Inhaftierung. Eine Vorstellung des ITO-Konzeptes bei der Staatsanwaltschaft Landau stieß auf großes Interesse, insbesondere bezüglich des Ausbaus der beabsichtigten Zusammenarbeit. Die durch die StA eingebrachten Verbesserungsvorschläge konnten in das Gesamtkonzept integriert werden. Der Verlauf der bisherigen Beispielfälle wurde als mustergültig und besonders verfahrensökonomisch betrachtet.

Täterstrukturen
Das ITO-Konzept zielt hauptsächlich auf Intensiv- und Mehrfachtäter der einfachen und mittleren Kriminalität ab, da diese meistens nicht durch Fachkommissariate und besondere Einheiten zur Bekämpfung schwerer Kriminalität besonders betreut werden. Dahingehend sollte auch keine konkurrierende Bearbeitung erfolgen. Vielmehr sollten eben solche Täter ins polizeiliche Rampenlicht gerückt werden, die diese Schwelle in der Qualität nicht überschritten haben, durch Quantität begründet aber nicht minder intensiv den Polizeiapparat beschäftigen. Gerade solche Täter rutschen erfahrungsgemäß oftmals unbemerkt durch diverse polizeiliche Raster, ohne in den Fokus als Intensiv- und Mehrfachtäter zu geraten. Bei den durch die PD Landau bearbeiteten Intensiv- und Mehrfachtätern konnten gegen öffentlich präsente Täter die meisten erfolgreichen Maßnahmen getroffen werden. Deren Tatzeiten lagen überwiegend in den Tag- und frühen Abendstunden und die Delinquenten hielten sich oft in Stadtgebieten auf, nutzten öffentliche Verkehrsmittel oder gehörten Gruppen mit festen Treffpunkten an. Über diese Personen ließen sich nach dem Erhöhen des Bekanntheitsgrades innerhalb der Polizei leicht Informationen durch Beobachtungen verschiedener Polizeibeamter machen. Die Kontrollhäufigkeit der Personen nahm zudem stark zu. Auf diesem Wege kamen diese Personen auch häufiger als Tatverdächtige in Betracht und die Überführungsquote stieg beträchtlich. Nicht selten (siehe oben) verschwanden diese Intensiv- und Mehrfachtäter nach wenigen Monaten in die Obhut der Justiz. Schwieriger war die Bearbeitung jener Intensiv- und Mehrfachtäter, die überwiegend im Verborgenen, nachts oder alleine ohne soziale Struktur handeln.

Erfahrungen der Sachbearbeiter
Mehrheitlich wurde die ITO-Sachbearbeitung von den beteiligten Beamten als sinnvoll angesehen. Die zusätzliche dienstliche Mehrbelastung für die Sachbearbeiter sei überschaubar, effektiver und entlaste andere Kollegen. Die ITO-Sachbearbeiter sind überdurchschnittlich motiviert und brachten nachfolgende Vorschläge ein: Ein probates Mittel auch bei der ITO-Sachbearbeitung seien weiterhin Anhalte- und Beobachtungsmeldungen (ABM). Der Rückgang solcher polizeilicher Maßnahmen in den letzten Jahren wurde bedauert. Der Versuch der ITO-Konzeption, vereinfachte Email-Meldungen zu den ITO-Delinquenten zu etablieren, zeige, wie wertvoll diese für die polizeiliche Ermittlungsarbeit sind. Im Bereich der PD Landau zeigt die ITO-Bearbeitung nicht bei allen Täterprofilen gleiche Wirkung. Ein bereits in der Konzeption beschriebener Tätertypus sollte vorrangig bei der Bearbeitung berücksichtigt werden. Nicht bewährt hat sich die Punktebewertung des ITO-Konzeptes. Sie ersetzt eine Diskussion zwischen den Verantwortlichen nicht. In einer Absprache zwischen den sachbearbeitenden Dienststellen und den ITO-Verantwortlichen ließen sich die Schwerpunkte und Bewertungen am Besten herausarbeiten.
Nach dem Start der ITO-Datei konnte durch eine Protokoll-Datei ein sehr reges Interesse durch Zugriffe von Kollegen unterschiedlicher Arbeitsbereiche festgestellt werden. Der Rücklauf an Meldungen lag im Erwartungskorridor. Nach einigen Monaten stagnierte sowohl die Anzahl der Zugriffe auf die Datei wie auch die Rückmeldungen zu den Tätern auf ein akzeptables Arbeitsniveau. Aus diesem Grund bedarf es bei besonderer Brisanz einer erneuten Erinnerung und Werbung für die Mitarbeit an der ITO-Datei. Dazu werden die Kollegen möglichst wirksam und unaufdringlich animiert. Verschiedene bereits erprobte Erinnerungsnachrichten (beispielsweise Popup-Fenster oder Mails) können auch regional begrenzt gesteuert werden. Der aktualisierte POLIS-Vermerk der Z-Gruppe „Intensivtäter / PD Landau ITO-Datei„ jedes Kandidaten wurde positiv bewertet.

Ermutigung durch erste Erfolge
Den oben angeführten Vorsätzen, Intensiv- und Mehrfachtäter effektiver und effizienter zu begegnen, konnten wir mit unserem Konzept ITO in Landau gerecht werden. Dazu mussten wir keine vollkommen neuen Ideen entwickeln, sondern gute und einfache Grundsätze geschickter in den polizeilichen Alltag implementieren. Dies ist uns mit dem Konzept ITO auch deshalb geglückt, weil wir in erster Linie die Bedürfnisse der polizeilichen Sachbearbeiter innerhalb der PD Landau erhoben und berücksichtigt haben. Die kriminalgeografischen Besonderheiten boten in unserem Fall ein stärkere Vernetzung der Dienststellen nicht erst bei Abschluss von Ermittlungsverfahren. Die Veröffentlichung der kriminellen Laufbahn, Tatbegehungsweisen und Hintergrundinformationen zu den Tätern förderte nicht nur das Wissen um den Täter und dessen stärkere Beachtung, sondern auch die Kommunikation zwischen den Polizeibeamten verschiedener Einheiten. So berichteten die ITO-Sachbearbeiter erfreulicherweise von zahlreichen Anfragen verschiedener polizeilicher Stellen zu der betreuten Person. Sowohl die Sachbearbeiter als auch die Staatsanwaltschaft erkannten die Arbeitsersparnis des Gesamtkonzeptes, weswegen wir eines unser ursprünglichen Primärziele, die Bearbeitungsökonomie, erfüllt sehen. Der große organisatorische Aufwand, ein solches Konzept alltagstauglich zu gestalten, zahlt sich erst auf Dauer durch viele kleine Schritte und Erfolge aus. Erwartungsgemäß erreichten wir auch mit aufwendigen Werbeaktionen für das neue Projekt noch nicht jedermann innerhalb der Polizeidirektion. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass sich ein solches neues Aufgabenfeld an den Erfordernissen und Grenzen der täglichen Arbeit orientiert und als „wachsendes Projekt„ verstanden werden muss. Nicht alle Bedingungen und Ziele sind im ersten Schritt zu erreichen. Bis auch der letzte Beamte sich inhaltlich mit der ITO auseinandersetzt und die Hinweise und Akteninformationen wie selbstverständlich an die richtige Stelle geleitet werden, werden wir noch etwas Überzeugungsarbeit leisten müssen. In unserem Fall gaben uns die kleinen Rückmeldungen aus dem Polizeibereich, oftmals von stark engagierten Beamten des Wechselschichtdienstes, Recht, denn genau diese Hinweise führten am Ende zu den berichtenswerten Festnahmen oder Überführungen der Täter. Der durch das Konzept messbare präventive Erfolg darf ebenfalls nicht vergessen werden. Im Gesamtergebnis reduzierte sich zum einen die Zahl der durch Intensivtäter begangenen Straftaten, zum anderen konnten einigen kriminogene Strukturen gelöst werden. Der Stolz eines unserer Bezirksbeamten, der durch sein konsequentes Bemühen einen Intensivtäter nach über 50 Taten innerhalb eines Jahres wieder in gefestigte soziale Strukturen (bislang straffrei) brachte, sollte uns Motivation genug sein.



Fußnoten
1 Dr. Wiebke Steffen, LKA Bayern, ZJJ 2003, S152, Mehrfach- und Intensivtäter
2 PKS 2005, PD Landau, Kriminalitätsaufkommen in der Südpfalz
3 Vgl. Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Offenbach vom 27.04.2005