Der schwierige Umgang mit der Prostitution
oder wie man heiße Eisen verdrängt
Prof. Dr. Joachim Renzikowski
Professur für Strafrecht
und Rechtsphilosophie
/Rechtstheorie
Problemstellung
Wenige Gesetze sind so umstritten wie das „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten„ vom
20. 12. 2001 (ProstG). Im Grundsatz herrschte zwar über alle Parteigrenzen hinweg Einigkeit darüber, dass die rechtliche und soziale Situation von Prostituierten dringend verbessert werden sollte.1 Über den Weg dazu besteht jedoch bis heute Dissens. Den einen geht die Reform nicht weit genug, denn das Ende der Diskriminierung von Prostituierten kann ihrer Ansicht nach nicht bei der Beseitigung der Sittenwidrigkeit enden. Vielmehr werden weitere Schritte bis hin zur Anerkennung als normaler Beruf gefordert.2 Für seine Kritiker hat das ProstG die Situation der Prostituierten keineswegs verbessert, sondern die Freiräume der Zuhälter erweitert. Hinzu komme, dass die Entkriminalisierung der Förderung der Prostitution nach § 180 a Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. die polizeilichen Möglichkeiten zur Kontrolle des Milieus einschränke und dadurch Zwangsprostitution und Menschenhandel begünstige.3 Die Rechtsordnung müsse nach dem Vorbild Schwedens deutlich machen, dass Prostitution mit der Menschenwürde der Frauen unvereinbar sei.4 Die Bundesregierung hat in ihrem Bericht zu den Auswirkungen des ProstG vom Januar 2007 betont, dass die freiwillig ausgeübte Prostitution in einem liberalen Rechtsstaat als autonome Entscheidung des Einzelnen vom Recht respektiert werden muss, so lange keine Rechte anderer verletzt würden5, und sich damit – jedenfalls im Grundsatz – zu einem Reglementierungsansatz bekannt, wie er dem niederländischen Modell entspricht.6 Gleichzeitig räumt der Bericht ein, dass das ProstG die selbstgesteckten Ziele nur zu einem begrenzten Teil erreicht habe und weiterer Handlungsbedarf bestehe.7 Im Folgenden sollen wichtige Defizite bei der Reglementierung der Prostitution benannt und Abhilfen sowie alternative Strategien diskutiert werden.
Frage der Entkriminalisierung
Ein zentraler Punkt der Reform war die weitgehende Entkriminalisierung des Umfelds der Prostitution, nicht nur bei
§ 180 a StGB, sondern auch bei § 181 a StGB. Hierin offenbarte sich ein grundlegender Wandel in der rechtspolitischen Einstellung weg vom „Schutz vor Prostitution„ hin zum „Schutz in der Prostitution„. Die Rechtsprechung hat den liberalen Ansatz des ProstG übernommen und den Anwendungsbereich der §§ 180 a, 181 a Abs. 2 StGB weiter eingeschränkt. Die Festsetzung von Arbeitszeiten, Einsatzorten und Preisen ist nicht länger strafbar. Vielmehr muss in jedem Einzelfall nachgewiesen werden, dass die von solchen Maßnahmen betroffene Prostituierte in einer Abhängigkeit gehalten wird, der sie sich nicht ohne weiteres entziehen kann.8 An dieser Zurückdrängung des Strafrechts aus dem Milieu hat sich die Kritik besonders heftig entzündet. Um ihre Berechtigung zu reflektieren, ist allerdings ein genaueres Hinschauen geboten. Entkriminalisierung hat immer zwei Aspekte: Repressive Strafverfolgung wird zurückgenommen, präventive Gefahrenabwehrmöglichkeiten werden beschränkt.
Ob und inwieweit Strafverfolgung geboten ist, richtet sich üblicherweise danach, ob und inwieweit bestimmte Rechtsgüter geschützt werden müssen. Im Hinblick auf die hier einschlägige sexuelle Selbstbestimmung, d.h. die Freiheit, über das „Ob„, das „Wann„ und das „Wie„ einer sexuellen Begegnung zu bestimmen9, hat sich das ProstG dafür entschieden, die eigenverantwortlich ausgeübte Prostitution als Ausdruck der freien Selbstbestimmung der Prostituierten rechtlich anzuerkennen. Insofern ist die Entkriminalisierung konsequent. Sie wäre nur zu kritisieren, wenn Prostitution grundsätzlich nicht als Ausfluss einer eigenverantwortlichen Entscheidung angesehen werden kann.10
Freilich wird die Strafverfolgung im Milieu dadurch erschwert. Die Strafvorschriften gegen Zwangsprostitution (§ 181 a StGB) und Menschenhandel (§ 232 StGB) sind kompliziert; der Nachweis ihrer Voraussetzungen, insbesondere der Abhängigkeit gegenüber Zuhältern und anderen Hinterleuten der Prostitution, bereitet häufig größte Schwierigkeiten.11 Ein abstraktes Gefährdungsdelikt wie § 180 a Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F., welches unabhängig vom Nachweis einer tatsächlichen Freiheitseinschränkung vor allem solche Einrichtungen und Maßnahmen erfassen soll, die typischerweise die Unabhängigkeit der Prostituierten beeinträchtigen, kann bei Beweisproblemen als Auffangtatbestand weiterhelfen.12
Indes gehört es nicht zu den Aufgaben eines rechtsstaatlich-liberalen Strafrechts, auf Verdacht hin Auffangtatbestände zu schaffen, wonach etwa besonders niedrige Abgaben auf die Einnahmen der Prostituierten oder das Betreiben eines exklusiven Clubs zur Auswahl besonders finanzkräftiger Kunden13 als Förderung der Prostitution bestraft werden. Tatsächlich hatte § 180 a Abs. 1 Nr. 2 StGB eine andere Funktion als die unnachsichtige Strafverfolgung aller Bordellbetreiber und Zuhälter.14 Durch den permanenten Anfangsverdacht gegenüber jedem Bordellbetreiber ermöglichte das Strafgesetz der Polizei die effektive Kontrolle einer befriedeten Szene – ganz im Sinne der Gesetzesmotive, wonach die Norm den Betreiber von Einrichtungen, in denen Prostitution ausgeübt wird, dazu veranlassen sollte, „zu seiner Absicherung ein einigermaßen vertrauensvolles Verhältnis zur Polizei anzustreben.„15 Beklagt wird weiterhin, dass die Legalisierung der Prostitution eine effektive Kontrolle der Bordelle durch die Polizei verhindere, so dass man die mit der Prostitution verbundene Begleitkriminalität und vor allem den Menschenhandel nicht mehr aufdecken könne.16 Aber es ist auch nicht die Aufgabe einer Strafnorm, Eingriffstatbestände zur Gefahrenabwehr oder zur Ermittlung anderer Gesetzesverletzungen zu schaffen.
Der fehlende Regelungsrahmen für die Ausübung der Prostitution
Die Kritik ist indes im Kern durchaus berechtigt: Das ProstG hat sich mit der Schaffung eines zivilrechtlichen Rahmens für die Ausübung der Prostitution begnügt, aber die Kontrolle seiner Einhaltung völlig vernachlässigt. Unter der früheren Rechtslage war das nicht unbedingt besser, denn angesichts der Sittenwidrigkeit der Prostitution war eine rechtliche Regulierung schon von vornherein ausgeschlossen. Dass durch Unterbindung von Reklameleuchten oder der Werbung in Zeitungsannoncen17 eine angemessene Regulierung von Prostitution durchgesetzt werden sollte, wird man kaum vertreten können.
Nun aber wird das Defizit erst so richtig deutlich. Das ProstG räumt den Prostituierten zwar erstmals zivilrechtliche Ansprüche gegen Freier und Bordellbetreiber ein. Die vom Gesetzgeber dadurch erhoffte Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Prostituierten18 ist jedoch illusorisch, denn im Bereich der Sexindustrie stehen sich die „Werktätigen„ und die Zuhälter bzw. Bordellbetreiber nicht als gleich starke Marktteilnehmer gegenüber. Die Marktübermacht der „Manager„ des Sexgewerbes, die vielfältigen Abhängigkeiten, in denen Prostituierte verstrickt sind – und die strafrechtlich ebenso wenig als „Unfreiheit„ erfasst werden können wie bei „normalen„ Berufen – sowie häufig auch die Lebensgeschichte der Prostituierten dürften oft eine effektive Inanspruchnahme der neuen rechtlichen Möglichkeiten erschweren oder gar verhindern und gleichzeitig das Risiko der Ausbeutung unter schlechten Arbeitsbedingungen begründen.19 Allerdings ist das Ungleichgewicht zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein generelles Problem des Arbeitsmarktes, das nicht auf Prostitution beschränkt ist. Nur wird dieses Ungleichgewicht in den meisten anderen Bereichen durch ein System der gegenseitigen Kontrolle (z.B. zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften) sowie durch öffentlich-rechtliche Berufsausübungsregelungen ausbalanciert. Hinzu kommen weitere Gefahren, die mit der Ausübung der Prostitution verbunden sind. Neben den psychischen und physischen Auswirkungen auf die betroffenen Personen sind Prostituierte schon allein aufgrund ihrer vielen Kontakte mit Freiern einem höheren Risiko sexueller Übergriffe ausgesetzt. Häufig üben sie ihre Tätigkeit in einem kriminogenen Umfeld aus. Die Verdrängung der Prostitution in die städtischen Randgebiete verringert die soziale Kontrolle und macht sie anfällig für Eigentums-, Vermögens- und Gewaltdelikte.20 Schließlich ist Prostitution aufgrund der Häufigkeit der Freierkontakte und der verbreiteten Nachfrage nach ungeschütztem Sex ein Risikofaktor für sexuell übertragbare Krankheiten. Alle diese Gefahren sind nicht zwangsläufig mit allen Formen der Prostitution in gleichem Ausmaß verbunden, sondern hängen maßgeblich von den Bedingungen ab, unter denen die Prostitution ausgeübt wird. Daher lassen sich die Risiken dadurch vermindern, dass die Bedingungen der Prostitution im Interesse der Prostituierten selbst reguliert und kontrolliert werden. Es bedarf also einer Instanz, die die Regeln der Ausübung der Prostitution (z.B. Begrenzung der Arbeitszeit, Verbot von ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder sadistischen Praktiken an der Prostituierten) festsetzt und ihre Einhaltung kontrolliert. Mit anderen Worten: Wegen des mit ihr verbundenen Gefährdungspotentials muss die Ausübung der Prostitution geregelt werden – und sie kann nunmehr auch geregelt werden, weil sie nach dem ProstG nicht länger sittenwidrig ist.21
Abhilfe und alternative Strategien zur Kriminalitätsbekämpfung
Plädoyer für eine gewerberechtliche Reglementierung der Prostitution
Die Notwendigkeit einer öffentlich-rechtlichen Reglementierung der Prostitution folgt aus der Akzessorietät des Strafrechts. Demzufolge reglementiert das Strafrecht nicht selbst einen bestimmten Lebensbereich, indem es Handlungsspielräume zuweist oder einschränkt, sondern knüpft an die Regelungen des Zivil- und des öffentlichen Rechts an. Anders ausgedrückt: Das Strafrecht sichert als ultima ratio – und das auch nur fragmentarisch – die Verhaltensnormen des Zivilrechts und des öffentlichen Rechts ab, aber es implementiert selbst keine Primärordnung.22
Eine gewerberechtliche Reglementierung der Prostitution ist nichts völlig Neues, sondern kann an ein rechtshistorisches Vorbild anknüpfen: die Konzessionierung von Bordellen gemäß § 999 des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten.23 Aktuell ist auf das „Dortmunder Modell„ zu verweisen, das ein Beispiel für einen Erfolg versprechenden Ansatz zur Reglementierung der Prostitution darstellt. Die Stadt Dortmund behandelt die selbständige Ausübung der Prostitution als Gewerbe. Prostituierte müssen sich deshalb beim Finanzamt anmelden und erhalten einen Ausweis, den sie bei Kontrollen durch die Zollverwaltung (zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und Missbrauch von Sozialleistungen) vorlegen müssen. Bordelle oder Wohnungen, in denen der Prostitution nachgegangen wird, müssen als Betriebe beim Ordnungsamt angemeldet werden. Damit bietet sich die Möglichkeit, bestimmte Standards (z.B. bei der Hygiene) zum Schutz der Allgemeinheit, der Freier und der Prostituierten vorzuschreiben. Die Stadt informiert in einem Faltblatt des Polizeipräsidiums („Hinweise zur Ausübung der Prostitution„) und benennt die Ansprechpartner bei den Behörden.Die allseitigen Vorteile eines solchen Modells liegen auf der Hand.24 Ein verlässlicher Rahmen schafft Rechtssicherheit. Wenn er von staatlichen Behörden kontrolliert und durchgesetzt wird, entfällt für die Prostituierten die Notwendigkeit, sich ihre Beschützer in der Infrastruktur des Milieus zu suchen. Durch vertrauensvolle Kooperation können „schwarze Schafe„ eher ermittelt und isoliert werden. Mittelfristig muss es nicht unbedingt das Image – und damit den Umsatz – eines Etablissements fördern, wenn ihm Verbindungen zum Menschenhandel nachgesagt werden und es infolgedessen häufigeren polizeilichen Kontrollen ausgesetzt ist, durch die erhoffte seriöse und zahlungskräftige Kundschaft vergrault wird. Es ist daher nicht zu erwarten, dass die einschlägigen Deliktszahlen im Stadtgebiet von Dortmund zurückgehen, sondern im Gegenteil: Sie werden zunehmen, weil die Anzeigebereitschaft aus dem Milieu heraus wächst. Das aber ist kein Beleg für ein Scheitern des Dortmunder Modells, sondern dafür, dass es erfolgreich gelingt, dass Milieu transparenter zu machen. Das wirkt sich dann auch auf das Hellfeld der Zwangsprostitution und des Menschenhandels aus. Bislang ist das Dortmunder Modell vereinzelt geblieben. Die Diskussion über eine gewerberechtliche Reglementierung der Prostitution hat jedoch längst begonnen, zumal sie nach dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung nicht länger als sozial unwertige Tätigkeit pauschal vom Gewerberecht ausgeschlossen werden kann.25 Die Fronten sind allerdings noch ziemlich verhärtet: Während von Seiten der Strafverfolgungsbehörden derartige niedrigschwellige Kontrollmöglichkeiten nachdrücklich gefordert werden, weil die Unterscheidung zwischen konzessionierten und illegalen Bordellen neue Ermittlungsansätze zur Bekämpfung des Frauenhandels eröffnet26, lehnt der Bund-Länder-Ausschuss „Gewerberecht„ die Anwendbarkeit des Gewerberechts nach wie vor entschieden ab.27 Neben dem Gewerberecht stellt etwa das Gaststättenrecht – namentlich über die Erlaubnispflicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG und die Möglichkeit von Auflagen zum Schutz der Gäste und Beschäftigten sowie der Nachbarschaft nach
§ 5 Abs. 1 GastG – Regelungsansätze zur Verfügung. Ebenfalls soll auf das Baurecht hingewiesen werden, wobei die BauNVO als Alternative zu dem bisher recht groben Instrument der Sperrbezirksverordnungen in Betracht kommt.28 Nicht zuletzt würde sich auch für den rechtspolitischen Streit über die Freierstrafbarkeit eine neue Lösungsmöglichkeit eröffnen. Die Konzessionierung sexueller Dienstleistungen stellt ein klares Unterscheidungskriterium für erlaubte und unerlaubte Prostitution zur Verfügung. Wer illegale sexuelle Dienstleistungen nachsucht, kann leichter straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, als wenn die sexuelle Ausbeutung eines Menschenhandelsopfers nachgewiesen werden muss.29
Verlagerung strafrechtlicher Ansätze
Aus der Liberalisierung der Prostitution ergeben sich schließlich neue Ansätze zur Strafverfolgung. Dazu ein Beispiel: Bordellbetreiber sind nach dem ProstG verpflichtet, Lohnsteuer, Rentenversicherungsbeiträge, Krankenversicherungsbeiträge und Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abzuführen. Wer diese Pflichten verletzt, begeht eine Ordnungswidrigkeit oder sogar eine Straftat nach § 266 a StGB. Hier wäre es durchaus aufschlussreich, die Kriterien der Scheinselbständigkeit30 an einschlägige Betriebe anzulegen, zumal gemäß § 3 ProstG das eingeschränkte Weisungsrecht des Bordellbetreibers der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegensteht. Die Ermittlungsansätze haben sich also nur verlagert: vom klassischen Strafrecht ins Arbeitsrecht, ins Sozialrecht oder ins Steuerrecht.
Ein Umdenken ist ferner bei der Anwendung von § 180a Abs. 2 Nr. 2 StGB geboten, wonach die Ausbeutung von Prostituierten durch die Gewährung von Wohnung strafbar ist. Als Maßstab für ein deutliches Missverhältnis zwischen den Leistungen des Vermieters und dem Mietpreis bieten sich die Grundsätze des Mitwuchers (§ 291 Abs. 1 Nr. 1 StGB) an. Tatbestandsmäßig ist demnach ein Überschreiten der Vergleichsmiete um mehr als 50 %. Somit macht sich strafbar, wer für ein Zimmer in einem „Laufhaus„ Preise verlangt, wie sie für Luxushotels üblich sind. Der von der – früheren – Rechtsprechung anerkannte „Unbequemlichkeitszuschlag„ für die Entwertung der Räumlichkeiten31 ist nicht mehr zeitgemäß.
Schlussfolgerungen
Die Defizite des ProstG sind Folgen eines politischen Kompromisses. Die spärlichen Regelungen des Gesetzes beschränken sich auf ein Minimum, da jede weitergehende Reglementierung, z.B. im Gewerbe-, Gaststätten- und Baurecht an die nicht erreichbare Mitwirkung des Bundesrates gebunden war. Bis heute unterscheidet sich die Praxis der Verwaltungsbehörden in den einzelnen Bundesländern erheblich voneinander, weil die Bereitschaft, die verwaltungsrechtlichen Konsequenzen aus der rechtlichen Anerkennung der Prostitution zu ziehen, vielerorts nicht sehr ausgeprägt ist. Im europäischen Vergleich zeigt sich indes, dass regional unterschiedliche Rechtsstandards für einen angemessenen Umgang mit der Prostitution nicht förderlich sind, sondern den illegalen Sexmarkt begünstigen. Ein warnendes Beispiel liefert in diesem Zusammenhang Österreich: Dort ist in sieben Bundesländern die Straßenprostitution verboten. In sechs Bundesländern sind Bordelle erlaubt. Anderswo ist nur die selbständig ausgeübte Prostitution zulässig. Mancherorts besteht eine Pflicht zur Registrierung und zu regelmäßigen Gesundheitskontrollen. Dass sich der Markt die jeweils günstigsten Bedingungen sucht, liegt auf der Hand.32 Die einzige Lehre, die daraus gezogen werden kann, lautet – Föderalismus hin, Föderalismus her: Geboten sind ein einheitlicher Rechtsrahmen und eine einheitliche Praxis im Umgang mit der Prostitution!
Fußnoten:
1 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BT-Drs. 14/7174, S. 8.
2 S. den Entwurf eines Gesetzes zur beruflichen Gleichstellung von Prostituierten und anderer sexuell Dienstleistender der PDS, BT-Drs. 14/4456.
3 S. den Entwurf eines „Strafrechtsänderungsgesetzes – Menschenhandel„ des Freistaats Bayern vom 24. 2. 2005, BR-Drs. 140/05, S. 7 f.; BT-Drs. 16/1343, S. 7 f.; näher ausgeführt von Schmidbauer, NJW 2005, S. 871 (872 f.); vgl. auch Holm, „Luftnummer im Puff„, Der Spiegel 6/2005, S. 52 f
4 So der Entschließungsantrag der CDU/CSU zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation der Prostituierten, BT-Drs. 14/6781, S. 2, 8. Zum „schwedischen Modell„ s. näher Di Nicola/Orfano/Cauduro/Conci, Study on National Legislation on Prostitution and the Trafficking in Women and Children, 2005, S. 39 f., 99 ff.; Hamdorf/Lernestedt, KJ 2000, 358 ff.; Svanström in: Outshoorn (Hrsg.), The Politics of Prostitution, 2004, S. 225 ff.
5 BMFSFJ, Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz – ProstG), 2007, S. 9.
6 Näher dazu Di Nicola/Orfano/Cauduro/Conci (Fn. 4), S. 40 f., 116 ff.; Outshoorn in: Outshoorn (Fn. 4), S. 185 ff.
7 Bericht (Fn. 5), S. 80 f.
8 Vgl. BGHSt 48, S. 314 (319 f.); StV 2003, S. 617; OLG Düsseldorf, StV 2003, S. 165 f.; BayObLG, StV 2004, S. 210 ff.
9 Renzikowski in: Münchener Kommentar zum StGB, Bd. 2/2, 2005 Vor §§ 174 ff. Rn. 8.
10 So noch der Gesetzgeber der Strafrechtsreform in den 70er Jahren, BT-Drs. 6/1552, S. 25.
11 S. Schmidbauer, NJW 2005, S. 872.
12 Vgl. BT-Drs. 7/514, S. 9; s. auch Horstkotte, JZ 1974, S. 84 (87).
13 Vgl. BayObLG, NJW 1985, S. 1567; OLG Köln, NJW 1979, S. 728; weitere Rechtsprechungsnachweise zu § 180 a Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. bei Renzikowski, ZRP 2005, S. 213 (216).
14 Wie die niedrige Verfolgungsquote beweist: Die Zahl aller polizeilich registrierten Fälle nach § 180 a Abs. 1 StGB a.F. lag bis zum Jahr 2001 deutlich unter 1.500 pro Jahr, die Verurteilungszahl nochmals weit darunter. Angesichts der Ubiquität der Prostitution – Schätzungen gehen von 200.000 bis 400.000 Prostituierten aus, s. nur Hofmann, Menschenhandel, 2002, S. 79 ff. – ist dies kaum nachvollziehbar.
15 BT-Drs. 6/1442, S. 27; näher dazu Gleß, Die Reglementierung von Prostitution in Deutschland, 1999, S. 109 f.
16 So BR-Drs. 140/05, S. 7 f.; BT-Drs. 16/1343, S. 7 f.; Schmidbauer, NJW 2005, S. 872 f.;
krit. dazu Renzikowski, ZRP 2005, S. 217.
17 Vgl. OLG Köln, NJW 1974, S. 1831; BayObLG, NJW 1985, S. 1567.
18 S. BT-Drucks. 14/5958, S. 4 f.
19 Vgl. O`Connell Davidson, Prostitution, Power and Freedom, 1998, S. 20 ff., die zutreffend darauf hinweist, dass Marktbedingungen nicht „naturgegeben„, sondern auch Folge staatlicher Regulierung sind.
20 Vgl. O`Connell Davidson (Fn. 19), S. 63 ff.
21 Vgl. auch die Schlussfolgerungen der Untersuchung des niederländischen Modells von Daalder, Prostitution in the Netherlands since the lifting of the brothel ban, 2007, S. 83 ff.
22 Rechtstheoretisch verbindet sich damit die Unterscheidung zwischen primären Verhaltensnormen, die sich an den Bürger richten (z.B.: „Du sollst nicht töten!„), und sekundären Sanktionsnormen, die an den Richter adressiert sind (z.B.: § 212 Abs. 1: „Wer einen Menschen tötet, … , wird mit Freiheitsstrafe … bestraft …„). Näher dazu Renzikowski, FS Gössel, 2002, S. 3 ff.; diese Unterscheidung erklärt übrigens auch, weshalb Strafe – im Gegensatz etwa zu einer Steuer – als Übelszufügung für schuldhaft begangenes Unrecht zu verstehen ist.
23 Näher dazu Gleß (Fn. 15), S. 25 ff.
24 Und werden auch durch die Evaluation des niederländischen Modells von Daalder (Fn. 21) bestätigt.
25 S. von Galen, Rechtsfragen der Prostitution, 2004, Rn. 426 ff.; Gurlit, VerwArch 2006, S. 409 (423); nunmehr auch Landmann/Rohmer-Marcks, GewO, 47. Lief. (Stand: Novembre 2005), § 14 Rn. 15 a.
26 Vgl. Herz/Minthe, Straftatbestand Menschenhandel. Verfahrenszahlen und Determinanten der Strafverfolgung, 2006, S. 231; Herz, Menschenhandel. Eine empiriche Untersuchung zur Strafverfolgungspraxis, 2005, S. 252 f.; s. auch Sieber/Bögel, Logistik der Organisierten Kriminalität, 1993, S. 308 f.
27 S. Schönleiter, GewArch 2002, S. 319; Schönleiter/Stenger, GewArch 2007, S. 320 (322).
28 Zu den Einzelheiten s. von Galen (Fn. 25), Rn. 489 ff.; Gurlit, VerwArch 2006,
S. 427 f.; krit. zu den Sperrbezirksregelungen Leopold/Steffan/Paul, Dokumentation zur rechtlichen und sozialen Situation von Prostituierten in der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1997, S. 306 ff.
29 In diese Richtung zielt ein Gesetzentwurf des Bundesrates, BR-Drs. 1343, wonach die Ausnutzung einer Lage nach § 232 StGB bestraft werden soll. Einer gesonderten Strafdrohung für Leichtfertigkeit – krit. dazu Renzikowski, ZRP 2005,
S. 213 ff. – bedürfte es dann nicht.
30 Näher zur Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbständigen Budde, Die Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes auf die Sozialversicherung, 2006, S. 87 ff.; von Galen (Fn. 25), Rn. 147 ff.; Reiserer/Fieckmann, NJW 2003, S. 180 ff.
31 S. BayObLG, NJW 1955, S. 1198 f.; GA 1961, S. 86; zust. Fischer, StGB, 55. Aufl. 2008, § 180 a Rn. 27.32 S. Di Nicola/Orfano/Cauduro/Conci (Fn. 4), S. 16 f., 105 ff.; Sauer in: Outshoorn (Fn. 4), S. 41 ff.
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