Islamismus – Die Herausforderungen einer Weltanschauung



Islamische Weltrevolution – oder die Islamisierung der Welt


Die dritte Säule des Islamismus ist nichts weniger als die Einführung einer islamischen Weltordnung, die nach eigener Vorstellung den Weltfrieden sichert. Diese Vorstellung vom Weltfrieden im Rahmen einer Pax Islamica soll theoretisch eine Alternative zum heutigen System internationaler Beziehungen darstellen.35 Diese Ordnung zielt in erster Linie darauf, eine Friedensordnung zu implementieren, die den Machtanspruch der Islamisten manifestieren soll. Die Lektüre islamistischer Ideologen macht jedoch deutlich, dass „the idea of a revolutionary new Pax Islamica is too eccentric to have a chance of successful implementation.”36 Zwar schreibt Qutb davon, dass die islamische Revolution Recht und Gerechtigkeit für die gesamte Menschheit walten lassen wird und führt fort, dass die Botschaft, die der Islam bringe, eben die Führung der Menschheit in die Sphäre des Lichtes beinhaltet.37 Diese doch so großen utopischen Vorstellungen werden jedoch keineswegs mit einem Konzept untermauert.38 Diese Gerechtigkeit drücke sich schließlich in der Beziehung des Einzelnen zu Gott aus, die letztlich hohe moralische Qualitäten produziere, die das gerechte Verhalten der Menschen bestimmen würden.39 Der Friedenszustand, den der einzelne in der Begegnung mit Gott erreiche, führe schließlich zu Konstituierung eines Friedenszustandes auf der persönlichen Ebene, der sich natürlich positiv auf den Weltfrieden auswirken würde.40 Diese Gedanken sind zunächst ungefährlich, wären sie nicht mit einer aggressiven Vorstellung von Mission verbunden. Die Voraussetzung ist eben, dass alle Menschen Muslime sind, die alle von den Islamisten definierten moralischen Vorstellung erfüllen. Diese totalitaristische Vorstellung hat Maududi ebenfalls betont, in dem er schreibt:
„Der islamische Staat ist ein totalitärer Staat, der das gesamte menschliche Leben bestimmt […] Kein Bereich des Lebens wird ausgenommen […] So dass er Ähnlichkeiten mit dem Faschismus und den Kommunismus aufweist […]“41
Die Islamisten definieren entsprechend Bedingungen, die erfüllt werden müssen, damit der Friedenszustand erreicht werden kann42:

  • Freiheit der islamischen Mission
  • Durchsetzung von Gottes Gesetz
  • Akzeptanz des Islams in seinem universalistischen Anspruch
  • Schaffung von Gerechtigkeit auf der Grundlage der Schari´a


Das Selbstverständnis der Islamisten bezüglich Staat, Staatlichkeit und internationalen Beziehungen baut auf vormodernen Gedankenstrukturen.43 Ihre Argumentation erinnert daran, dass sie die Welt dualistisch wahrnehmen, so dass sie gemäß ihrer Ideologie eine Einheitslösung vorstellen, die alle Probleme der Menschheit mühelos lösen soll. Ihre Vorstellung basiert darauf, dass sie, sobald sie an der Macht sind, in einem Zustand der „permanenten Revolution44 geraten, der durch die göttliche Führung, die Lösung aller Probleme produziert. Trotzki baute seine Theorie auf der Annahme, dass:
„Der Abschluss einer sozialistischen Revolution … im nationalen Rahmen undenkbar [ist]. [...] Die sozialistische Revolution beginnt auf nationalem Boden, entwickelt sich international und wird vollendet in der Weltarena. Folglich wird die sozialistische Revolution in einem neuen, breiteren Sinne des Wortes zu einer permanenten Revolution: sie findet ihren Abschluss nicht vor dem endgültigen Siege der neuen Gesellschaft auf unserem ganzen Planeten.“45
Ähnliche Gedankenzüge vertritt der Islamismus, allerdings nicht mit sozialistischen Zielsetzungen, sonder mit der Idee, dass die weltweite Implementierung des revolutionären Islams, einen neuen göttlichen Friedenszustand herbeiführt, denn:
„Das Ziel des Djihad ist, eine Weltrevolution (thaura ´alamiya) zu verwirklichen … und durch diese Revolution verwirklicht der Islam … am Ende den Frieden der Menschheit … Das bedeutet, dass der Islam ein permanenter Djihad ist, der nie unterbrochen wird, bis Allahs Wort auf dem gesamten Globus Geltung findet und damit die Rechtgeleitete Ordnung Wirklichkeit wird.“46
Hier wird übersehen, dass es nur selten Beispiele dafür gibt, dass Islamisten in der politischen Verantwortung selbst auf der Mikroebene gesellschaftliche Probleme positiv gelöst haben. Die Zelebration ihres Unvermögens im Iran, im Sudan, in Afghanistan usw. verdeutlicht den utopischen Charakter ihrer politischen Antworten auf die Herausforderungen der Gegenwart.
Abschließend muss man feststellen, dass die islamistische Ideologie im Friedensbegriff nicht den Zustand des Nicht-Krieges sieht, sondern einen Zustand in dem ihre Vision vom Islam die Welt dominiert. Die Geltung göttlicher Gesetze für die gesamte Menschheit ist das Ziel. Dieses ist jedoch eine totalitaristische Vorstellung, die dem westlichen Verständnis von Freiheit und Demokratie diametral entgegensteht.47
Der Idealzustand der Islamisten ist die islamische Vergangenheit und spezifisch der Ur-Islam des Propheten, damit ist ihre Utopie rückwärts gerichtet und basiert auf eine Rekonstruktion der Geschichte. Die Ursache für ihr Elend verorten sie im Westen. Dabei entsteht Hass und ein damit korrespondierendes „Feindbild Westen“. In seiner anti-westlichen Orientierung dient der Islamismus als eine Artikulationsform einer Protestbewegung, die sowohl hilft, die Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen, als auch das erlittene Elend zu kompensieren.