REZENSION

Bürger, Die Rolle der Polizei bei Versammlungen. 1. Auflage 2022

Bernd Bürger ist ein erfahrener Polizeipraktiker, der in unterschiedlichsten Funktionsebenen über lange Jahre innerhalb von unzähligen Versammlungs- und Veranstaltungslagen eingesetzt war. Diese Lagen umfassten sämtliche Dimensionen und Intensitäten, die im bundesdeutschen Geschehen bislang vorgekommen sind. Innerhalb solcher Einsätze wirken vielfältige Prozesse auf alle beteiligten Menschen ein und bestimmen einen unbestimmbaren Verlauf. Diese Prozesse haben ihren jeweiligen Ursprung in unterschiedlichsten Einzelwissenschaften, die jedoch alle miteinander verschmelzen und nicht vorhersehbare Quer- und Fernwirkungen aufweisen. Wenn in großen Teilen der Polizei über lange Jahre die große Komplexität von Lagen einzig und allein innerhalb der klassischen Sonderlagen gesehen wurde, hilft Bürger diesem Gedanken mit seinem Werk ab. Mit dem Herausgeberband versucht er, theoretische Grundlagen mit polizeilicher Einsatzpraxis zu verknüpfen – und der Versuch gelingt auf anerkennenswerte Weise. Hierfür greift Bürger als Autor nicht nur auf seine eigene beeindruckende Expertise zurück, sondern er hat als Herausgeber eine große Expertenschar gewinnen können, die sich mit ihm gemeinsam dieser Aufgabe gestellt haben. In vier sinnvoll aufgeteilten Abschnitten werden theoretische Grundlagen erörtert, Ethik und Recht beleuchtet, best practice Beispiele vorgestellt und schließlich das Thema Kommunikation vertiefend dargestellt. Das inhaltliche Spektrum ist so breit gefächert, dass es hier nur bei der beispielhaften Nennung weniger Punkte bleiben kann:


Die Psychologie und damit das Verhalten der Menschenmenge steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der inneren Grundeinstellung der Einsatzkräfte, die gegenüber den Versammlungsteilnehmern grundsätzlich positiv und unterstützend sein sollte. Dabei macht Bürger gleichzeitig und unmissverständlich klar, dass eine Polizeikette keinen Empfehlungscharakter hat.


Die Mythen, die sich um kollektive Gewaltanwendung oder das Verhalten im Allgemeinen von Menschenmengen gebildet haben und in der Polizei unverändert weit verbreitet sind, werden aufgegriffen und korrigiert.


Bekannte kriminologische Theorien werden in Bezug zur polizeilichen Praxis gesetzt und so wird auch aus diesem Blickwinkel heraus deutlich, welche verschiedenen Wirkungen polizeiliche Maßnahmen haben können. So zeigt sich beispielsweise, dass kleine Gesten gegenüber den Demonstrationsteilnehmern die Wahrnehmung ermöglichen, dass sich in der Uniform Menschen verbergen; was die Rechtfertigung für Gewalt erschwert.


Die rund 380 Seiten, die von Bernd Bürger zusammengestellt wurden, sind ein lesenswerter Gewinn für alle Polizeipraktiker und jede Person, die sich auf wissenschaftlicher wie auch einsatzstrategischer und -taktischer Ebene mit dem Phänomen Mensch in Ansammlungen, Versammlungen oder Veranstaltungen beschäftigt. Und ich stimme dem Herausgeber in seiner Einschätzung zu, dass die Inhalte in dieser komprimierten Form und hohem Transferanteil zur Praxis bislang nicht Gegenstand von praxisorientierten Curricula sind. Es bleibt damit jeder verantwortungsbewussten Führungskraft zunächst selbst überlassen, sich mit diesem Werk weiterzubilden und die Inhalte auf geeignete Weise zu vermitteln, um die eigene und die Sicherheit der ihr anvertrauten Einsatzkräfte wirksam zu erhöhen.


Rudi Heimann, Polizeivizepräsident des Polizeipräsidiums Südhessen




Herausgeber: Bernd Bürger

Titel: Die Rolle der Polizei bei Versammlungen

Auflage: 1. Auflage 2022

Format: 378 Seiten, 16,8 x 24,0 cm, Softcover

Preis: 49,99 Euro

ISBN: 978-3-658-37493-8

Verlag: Springer Gabler