Die Klimaschutzbewegung und der Linksextremismus 2.0

Von Dr. Udo Baron, Hannover

4 „Letzte Generation“


Die „Letzte Generation“ (LG) ist die jüngste der maßgeblichen Klimaschutzgruppierungen. Sie ging als neues Bündnis in Deutschland und Österreich im August 2021 aus „Extinction Rebellion“ (XR) hervor. Aufgrund des fortschreitenden Klimawandels befürchten ihre Akteure das Aussterben der Menschheit. Mit ihrer Selbstbezeichnung wollen sie zum Ausdruck bringen, dass sie die letzte Generation vor dem Auslöschen der Menschheit wären, die einen Klimakollaps noch aufhalten könne. Mit mehreren Kampagnen wie der Aktion „Hungerstreik 2021“ versuchte sie die Politik zu Zugeständnissen regelrecht zu erpressen. Ihr zentrales Anliegen ist wie bei FFF, XR und EG der bundesweite Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe. Auf dem Weg dahin fordert die LG zurzeit die Einführung eines dauerhaften 9-Euro-Monatstickets für die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, ein Tempolimit von 100 km/h auf deutschen Autobahnen und die Einrichtung von Gesellschaftsräten zur Bekämpfung des Klimawandels. Die Mitglieder dieser Räte sollen per Losverfahren bundesweit ausgewählt werden und dann – frei von Lobbyeinflüssen – konkrete Maßnahmen erarbeiten, wie die Nutzung fossiler Brennstoffe bis 2030 sozial gerecht beendet werden kann. Die Regierung soll wiederum öffentlich zusagen, die „mit den erarbeiteten Maßnahmen verbundenen Gesetzesvorhaben in das Parlament einzubringen.“32

 


Aktion der „Letzten Generation“ in Berlin.


Um Aufmerksamkeit zu generieren und um die eigenen Interessen erfolgreich durchsetzen zu können, betreibt die LG wohl kalkulierten Alarmismus. Sie bedient sich dabei Weltuntergangsszenarien wenn sie beispielsweise behauptet, „gemeinsam sind wir die letzte [Generation], die noch etwas ändern kann“.33 Mit solchen Äußerungen spricht sie die Menschen nicht rational, sondern in erster Linie emotional an. Um deren vermeintliche Verblendung zu durchbrechen bedient sie sich gezielt weitverbreiteter, apokalyptische Züge annehmender Ängste vieler Menschen vor den Folgen des Klimawandels.34 Mit Hilfe verschiedener Aktionsformen des zivilen Ungehorsams versucht sie maximale mediale Aufmerksamkeit zu erzielen, um dadurch den Druck auf die Politik zu erhöhen.35 So blockiert die LG quasi in einer Dauerschleife bundesweit Autobahnen und Verkehrsknotenpunkte in allen größeren Städten ebenso wie Häfen und Flughäfen. Begleitet werden diese Aktionen von Farbanschlägen auf Symbole der Demokratie wie auf das gläserne Grundgesetzdenkmal „Grundgesetz 49“ oder auf wertvolle Gemälde in Museen und Kunstgalerien. Auch zu Manipulationen an der Öl- und Gasinfrastruktur ist es schon mehrfach gekommen.36


Bei ihrer Vorgehensweise überlässt die LG nichts dem Zufall. Alle Aktionen werden minutiös vorbereitet und sind zumeist mit Ultimaten an die Bundesregierung verknüpft. Basis aller Maßnahmen ist ein „Protestkonsens“, der sich im Sinne eines Gewaltverzichts gegenüber Menschen als „absolut gewaltfrei – sowohl in unseren Handlungen als auch in unserer Sprache (auch keine Beleidigungen)“ versteht.37


Strukturell ist die LG straff organisiert. Dutzende Arbeitsgemeinschaften beschäftigen sich mit Fragen des Aufbaus einer funktionsfähigen Infrastruktur, angefangen von der Eröffnung von Bankkonten über die Einrichtung von Abrechnungsstrukturen und Websites bis hin zur Protestplanung.38 Damit die Aktivisten es sich finanziell erlauben können, ihr Studium bzw. ihre Arbeit für die Proteste zu unterbrechen oder gar aufzugeben, können sie monatliche Gehälter bis zu 1.300 Euro erhalten – offiziell nicht für Blockadeaktionen, sondern für Bildungsarbeiten zur Klimakrise. Die Finanzierung erfolgt dabei über verschlungene Wege. Die in den USA ansässige Nichtregierungsorganisation „Climate Emergency Fund“ (CEF) erhält u.a. Gelder von der Enkelin des US-amerikanischen Erdöl-Tycoon Jean Paul Getty, der Tochter des ermordeten US-Präsidentschaftskandidaten Robert Kennedy und von dem Filmregisseur Adam McKay. Gelder aus diesem Fonds gehen dann an das in Berlin ansässige Wandelbündnis und von dort an die LG. 2022 sollen laut dem Finanzbericht der LG so etwa 900.000 Euro geflossen sein – neben Zuwendungen des CEF auch Gelder aus Direktüberweisungen, Sammelspenden und Crowdfunding Webseiten.39


Zwecks weiterer Professionalisierung ihrer Tätigkeit gründete die LG in Hamburg eine gemeinnützige Gesellschaft mit dem Titel „Klima- und Umweltaufklärung für den Erhalt der lebenssichernden Ökosysteme gemeinnützige GmbH“. Zugleich steht sie im engen Kontakt mit einigen Politikern, Journalisten, Kirchenvertretern und Polizisten.40 Ferner versucht sie sich international zu vernetzen. So fand Anfang 2023 ein virtuelles Vernetzungstreffen namens „International Mobilisation – Finance 101“ zwischen der LG und Vertretern von „Just stop oil“ aus Großbritannien, „Ultima Generazione“ aus Italien und „Derniere Renovation“ aus Frankreich statt. In jüngster Zeit gibt es laut Medienberichten offenbar auch Überlegungen, eine eigene Partei ins Leben zu rufen, um so die politische Arbeit besser zu schützen und noch effektiver Spendeneinnahmen generieren zu können.41


Linksextremisten sind immer daran interessiert, Einfluss auf nichtextremistische Organisationen und Gruppierungen zu nehmen. Für eine intensive linksextremistische Beeinflussung der LG gibt es gegenwärtig aber keine Anzeichen. Zwar solidarisieren sich Linksextremisten wie beispielsweise das Bündnis uG mit ihnen.So geschehen beispielsweise nach dem Tod einer Radfahrerin in Berlin am 31. Oktober 2022 für den zeitweise Aktivisten der LG verantwortlich gemacht wurden.42 Deren Straßenblockade habe – so der Vorwurf – dazu geführt, dass notwendige Hilfe möglicherweise nicht mehr rechtzeitig am Unfallort eintreffen konnte. Mittlerweile haben die Ermittlungen ergeben, dass das Leben der Radfahrerin auch ohne die Blockadeaktionen der LG nicht mehr hätte gerettet werden können.43 Die IL hat nicht nur diesen Aufruf unterschrieben, sondern darüber hinaus unter dem Motto „Klima Schützen ist kein Verbrechen“ eine eigenständige Solidaritätsbekundung für sie abgegeben. Darin versichert sie ihr: „Wir stehen an der Seite der Letzten Generation“.44 Für eine daraus zu schließende Zusammenarbeit gibt es jedoch keine ausreichenden Hinweise. Höchstwahrscheinlich ist die LG den weitgehend multithematisch aufgestellten, von ihrem Selbstverständnis her struktur- und hierarchiefeindlichen sowie klandestin agierenden Linksextremisten zu monothematisch aufgestellt, zu straff und hierarchisch organisiert und zugleich zu transparent, als dass die LG für sie politisch von ernsthaftem Interesse wäre. Umgekehrt sind ihr die Autonomen bzw. Postautonomen u.a. zu unorganisiert und zu gewaltorientiert, als dass sie ernsthafte Ambitionen auf ein Zusammenwirken hätten.


Diese Zustandsbeschreibung sagt aber nichts darüber aus, ob die LG nicht extremistische Züge aufweist. So verstoßen ihre Aktivisten z.B. mit ihrer Vorgehensweise gegen das Demokratieprinzip, indem sie Mehrheitsentscheidungen ablehnen, außer sie entsprechen den eigenen Vorstellungen. Auch gegenüber Parlamenten haben sie eine kritische bis ablehnende Haltung. Parlamentarische Meinungsbildungsprozesse sind ihnen zu sehr auf Kompromisse ausgerichtet und daher zu langwierig und nicht radikal genug. Stattdessen fordern sie Gesellschaftsräte, die demokratisch gewählte Parlamente durch nicht legitimierte Räte ersetzen könnten.45 Zudem stellt die LG das Rechtsstaatsprinzip und somit die Bindung an Recht und Gesetz durch ihre Aktionen in Frage.