Strafrechtliche Rechtsprechungsübersicht
§ 177 Abs. 2 Nr. 5, §§ 22, 23 StGB – Versuchsbeginn der sexuellen Nötigung; hier: Drohung mit Veröffentlichung von Nacktbildern. §§ 185 ff. StGB – Beleidigung; hier: Innerhalb des engsten Familienkreises durch WhatsApp-Nachrichten, sog. privilegierte Äußerungen. § 239 StGB – Freiheitsberaubung; hier: Verschlossene Wohnungstür. (...)
II Prozessuales Strafrecht
§ 100a StPO – Telekommunikationsüberwachung; hier: Mitwirkungspflicht des Providers. Wurde gem. § 100a StPO eine Überwachung des E-Mail-Verkehrs angeordnet, so umfasst der Umfang der vom TK-Dienstleistungsanbieter bereitzustellenden Daten gem. § 5 Abs. 1, 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 TKÜV auch die bei der Telekommunikation anfallenden IP-Adressen als „andere Adressierungsangabe“. Dass § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 TKÜV i.d.F.v. 11.07.2017 nunmehr IP-Adressen ausdrücklich erwähnt, ändert wegen der lediglich klarstellenden Funktion der Änderung hieran nichts. Dass der Betreiber eines Telekommunikationsdienstes aufgrund des Einsatzes einer auf NAT basierenden Systemstruktur nicht unmittelbar auf die externen IP-Adressen der Nutzer zugreifen kann, steht einer solchen Verpflichtung nicht entgegen, wenn die fehlende Zugriffsmöglichkeit darauf beruht, dass sich der Betreiber bewusst dazu entschlossen hat, die Daten nicht zu protokollieren. § 100g Abs. 1 StPO verdrängt hinsichtlich der (Echtzeit-)Überwachung künftiger Telekommunikation die Vorschrift des § 100a StPO nicht; vielmehr sind beide Regelungen nebeneinander anwendbar. (BVerfG, Beschl. v. 12.12.2016 –
2 BvR 2377/16)
§ 112a Abs. 1 StPO – Haftgrund der Wiederholungsgefahr; hier: Anforderungen an die Prognose. Die Wiederholungsgefahr im Sinne des § 112a Abs. 1 StPO muss durch bestimmte Tatsachen begründet sein, die eine so starke Neigung des Angeschuldigten zu einschlägigen Straftaten erkennen lassen, dass die naheliegende Gefahr besteht, er werde noch vor rechtskräftiger Verurteilung in der den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens bildenden Sache weitere gleichartige Taten begehen. Diese Gefahrenprognose erfordert eine hohe Wahrscheinlichkeit der Fortsetzung des strafbaren Verhaltens. Dabei sind auch Indiztatsachen zu berücksichtigen und zu würdigen, wie die Vorstrafen des Angeschuldigten und die zeitlichen Abstände zwischen ihnen, sowie Persönlichkeitsstruktur und Lebensumstände des Angeschuldigten (OLG Bremen, Beschl. v. 7.9.2017 – 1 Ws 111/17, Ws 112/17)
§§ 127 Abs. 2, 128 Abs. 1 S. 1 StPO – Vorläufige Festnahme; hier: Richterliche Vorführung. Die Angeklagten wurden nach ihrer vorläufigen Festnahme (hier: Raub mit Todesfolge) vor der Vorführung vor den Ermittlungsrichter zunächst polizeilich mehrfach vernommen.
§ 128 Abs. 1 S. 1 StPO verlangt, dass der Beschuldigte „unverzüglich“ dem Richter vorgeführt wird. Jedoch darf die Vorführung nach vorläufiger Festnahme durch die Ermittlungsbehörden hinausgeschoben werden, soweit dies sachdienlich erscheint. Denn anders als bei der Festnahme auf der Grundlage eines bereits vorliegenden Haftbefehls, bei dem die Ermittlungsbeamten – mitunter ohne nähere Sachverhaltskenntnis und Entscheidungsbefugnis – den richterlichen Beschluss lediglich vollziehen und deshalb den Festgenommenen „unverzüglich“ dem Richter vorzuführen haben, war der Richter bei der vorläufigen Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO mit der Sache noch nicht befasst. In diesen Fällen verbleibt den Ermittlungsbehörden ein gewisser zeitlicher Spielraum, in dem sie vor einer möglichen Vorführung des Beschuldigten vor den Richter weitere Ermittlungsbefugnisse und -pflichten haben. Denn die mit der Aufklärung des Sachverhalts betraute festnehmende Behörde hat zunächst – je nach Sachlage unter Vornahme weiterer Ermittlungen – zu entscheiden, ob die vorläufig festgenommene Person wieder freizulassen oder tatsächlich dem Ermittlungsrichter vorzuführen ist; im letzteren Fall muss sie dem Richter eine möglichst umfassende Grundlage für seine Entscheidung unterbreiten. (BGH, Urt. v. 28.6.2018 − 3 StR 23/18)
§ 136 Abs. 1 S. 5 Hs. 2 StPO – Erste Vernehmung; hier: Unterbliebener Hinweis auf die Möglichkeit einer Pflichtverteidigerbestellung. Eine nach § 136 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 StPO a.F. bzw. § 136 Abs. 1 S. 5 Hs. 2 StPO n.F. unterbliebene Belehrung des Angeklagten auf die Möglichkeit einer Pflichtverteidigerbestellung bei einer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung begründet kein absolutes Verwertungsverbot.
Auch ein relatives Verwertungsverbot scheidet aus, wenn das staatliche Verfolgungs- und Aufklärungsinteresse besonders hoch ist (hier: Verdacht eines Tötungsdelikts), die Belehrung nicht bewusst oder willkürlich, sondern aus Unkenntnis der Vernehmungsbeamten über die Neuregelung unterblieben ist, und zudem jegliche Anhaltspunkte für die Annahme fehlen, die Angeklagten hätten im Rahmen ihrer ersten Vernehmung Angaben zur Sache gemacht, weil sie mangels wirtschaftlicher Mittel keine Möglichkeit gesehen hätten, sich eines Verteidigers zu bedienen. (BGH, Beschl. v. 6.2.2018 – 2 StR 163/17)
III Sonstiges
Ein bereichernder Beitrag zum Thema „Der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO in der Praxis: Zur rechtsstaatlichen Überprüfung von Fluchtprognosen“ von Richter am KG Berlin Detlef Lind finden Sie im Strafverteidiger, StV 02/19, S. 118-132 (samt Übersichtstabelle).
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