Einige Anmerkungen zum Einsatz des Tasers

Berliner Rechtslage

 

3 Verfassungsrechtliche Bedenken zu der Berliner Rechtslage


Zu berücksichtigen ist, dass mit dem Gebrauch des Tasers schwerwiegende Beeinträchtigungen der Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit verbunden sind bzw. sein können, wobei in erster Linie das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit betroffen ist. Der Einsatz des Tasers kann aber auch in Einzelfällen tödlich wirken, man denke z.B. hierbei an herzkranke oder schwangere Personen.20 In aller Regel wird eine getroffene Person aufgrund der ausgesendeten Stromstöße schlagartig zusammensacken. Sie kann dabei unglücklich stürzen, so dass irreparable Verletzungen am Schädel die Folge sein können. Allein diese Beispiele verdeutlichen, dass existierende Gedankenspiele bei der Berliner Innenverwaltung und bei den Gewerkschaften, den Taser als bloßes Hilfsmittel der körperlichen Gewalt i.S.d. § 2 Abs. 3 UZwG Bln einzustufen, sich von vornherein aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (§ 4 UZwG Bln) verbieten. Diese Beispiele verdeutlichen, dass zudem eine formal-gesetzliche Vorschrift dringend notwendig ist, die den Gebrauch – die tatbestandlichen Voraussetzungen (!) – des Einsatzes eines Tasers explizit regeln muss.21 Ob und inwieweit zusätzlich auch eine Verletzung der Menschenwürde in Betracht kommen kann – durch den Taser-Beschuss beim Getroffenen setzt immerhin ein Kontrollverlust durch Muskelkrämpfe ein, der zur Folge haben kann, dass die betroffene Person uriniert bzw. Exkremente ausscheidet – kann durchaus kontrovers diskutiert werden. In einer Reihe von Entscheidungen brachte die Rechtsprechung jedenfalls zum Ausdruck, dass Art. 1 Abs. 1 GG die Degradierung eines Menschen zum Spielball staatlicher Machtentfaltung verhindert.22 Ob der Betroffene infolge des Taser-Beschusses und der insoweit beschriebenen Folgen zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht wird und ob darin auch tatsächlich ein Akt der Geringschätzung zu erblicken ist (sog. „Objektformel“), ist nach hier vertretener Auffassung strittig, eröffnet jedoch einmal mehr die Notwendigkeit, dass der zuständige Gesetzgeber gefordert ist, den Einsatz des Tasers normenklar und eindeutig zu regeln, mithin die Voraussetzungen festzulegen, wann und unter welchen Voraussetzungen dessen Gebrauch erfolgen darf. Zudem müssen derartige Eingriffe für den Betroffenen „messbar“ und „vorhersehbar“ sein. Das zu leisten, vermag nur eine normenklare gesetzliche Regelung. Diesbezüglich ist vom verfassungskräftigen Bestimmtheitsgebot, einer Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips, die Rede. Das Gebot ausreichender Bestimmtheit von Rechtsvorschriften23 verlangt stets normenklare gesetzliche Regelungen. Diesem rechtsstaatlichen Erfordernis wird dann entsprochen, wenn der zuständige Gesetzgeber die zulässige Polizeibewaffnung – nach Inhalt, Umfang bzw. Ausmaß – festlegt, kurzum, diese Festlegung nicht der Verwaltung überlässt. Man spricht hierbei auch vom Parlamentsvorbehalt.24 Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten also den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen; dabei besteht eine Pflicht zum Tätigwerden des Gesetzgebers nicht erst dann, wenn mehrdimensionale, komplexe Grundrechtskonstellationen betroffen sind.25 Zum Kernbestand des Rechtsstaates gehört zudem die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Das darin aufgehobene Prinzip vom Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) verlangt „kein Handeln ohne einGesetz“. Es verlangt, dass staatliches Handeln vorhersehbar und berechenbar ist.26 Dem folgend, ist nach dem Rechtsstaatsprinzip und dem dieses Prinzip prägenden Art. 20 Abs. 3 GG ein derart belastender Eingriff in die körperliche Unversehrtheit nur zulässig, wenn dieser in einem förmlichen Gesetz geregelt ist.27 Diese Rechtsschutzgarantie bedeutet: Ein Hoheitsträger darf ggü. einem Bürger nur dann einen belastenden Eingriff vornehmen, wenn es dafür eine gesetzliche Grundlage gibt.28 Für den Eingriff bedarf es zwingend einer eigenständigen formal-gesetzlichen Rechtsgrundlage. Das ist der Vorbehalt des Gesetzes.29 Dieser Aspekt der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verlangt demnach, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen durch ein förmliches Gesetz legitimiert wird.30


Diese verfassungsrechtliche Formel wird zudem noch durch die Wesentlichkeitstheorie, besser „das Wesentlichkeitsprinzip“, erweitert. Danach ist der Gesetzgeber verpflichtet, „im Bereich der Grundrechtsausübung“ – soweit diese einer staatlichen Regelung überhaupt zugänglich ist – alle wesentlichen Entscheidungen (normenklar) selbst zu treffen.31 Hierzu zählt zweifelsohne die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch den Gebrauch des Tasers, der in die körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG eingreift. Der Vorbehalt des Gesetzes statuiert letztlich auch den bereits oben angesprochenen Parlamentsvorbehalt. Ohne gesetzliche Regelung verstößt, so Arzt mit seiner berechtigten Kritik,32 die Berliner Rechtslage zum Gebrauch des Tasers zudem gegen die EMRK.33 Bereits Wacke, einer der vier Autoren des bekanntesten Werkes deutscher Polizeiliteratur, und zwar das Lehrbuch der Gefahrenabwehr von Drews/Wacke/Vogel/Martens, 9. Auflage (1986),34 quasi die „Bibel“ des Polizeirechts für den Verwaltungsbeamten, Richter, akademischen Lehrer sowie für den Studierenden, ein Werk, das sich aus dem verwaltungsrechtlichen Schrifttum nicht mehr fort denken lässt, in seiner Tradition bis in die Weimarer Republik zurückgeht, hat schon kurz nach In-Kraft-Treten des UZwG Bund die Form der „dienstlichen Zulassung“ der Polizeiwaffen kritisiert. „Das Waffengebrauchsgesetz, (Anm.: z.B. das UZwG Bln), muss also selbst mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 GG nicht nur die Zulässigkeit des Waffeneinsatzes, sondern auch die zulässigen Waffen selbst bestimmen. Erst wenn diese gesetzlichen Bestimmungen geschaffen sind, kann der einzelne Polizeibeamte oder polizeiliche Einheitsführer ‚auf Grund‘ dieses Gesetzes nach Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG in das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit eingreifen. Erst dann ist ihm sein Handwerkszeug, die Waffen, vom Gesetzgeber in die Hand gegeben. Die Überantwortung der Waffenbestimmung an die ‚dienstliche Zulassung‘ entspricht also nicht der Verfassung, weil diese ein förmliches Gesetz verlangt. So ergibt sich, dass sowohl nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen (‚Eingriffe in Freiheit und Eigentum‘), wie nach unserer positiven Verfassungslage eine nur ‚dienstliche‘,d.h. verwaltungsseitige Zulassung nicht angängig ist“.35 In Teilen der Literatur wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass § 2 Abs. 4 UZwG (Bund) und somit auch die inhaltlich korrespondierende Vorschrift des UZwG Bln sprachlich missglückt ist; „denn man wird den Begriff der Waffe nicht von einer dienstlichen Zulassung abhängig machen können.“36 Anders stellt sich die Rechtslage bei den Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt dar. Das Wort „insbesondere“ macht deutlich, dass die Aufzählung nicht abschließender Natur, sondern ergänzbar ist.37 Es sind aber stets nur solche Gegenstände – außer den in § 2 Abs. 3 UZwG Bln „insbesondere“ genannten – als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt zu verwenden, deren Wirkung in einem angemessenen Verhältnis (§ 4 Abs. 2 UZwG Bln) zu dem entsprechenden Erfolg steht. § 36 Abs. 4 ME PolG 197738 sieht folgerichtig vor, dass die Polizeibewaffnung gesetzlich abschließend festgelegt wird. Diese Vorschrift bestimmt, dass „als Waffen Schlagstock, Pistole, Revolver, Gewehr, Maschinenpistole, Maschinengewehr und Handgranate zugelassen sind“.39 Es fehlt – völlig zu Recht – die Formulierung „dienstlich zugelassene“ Waffen mit anschließender Aufzählung.

 

4 Folgerungen


Der Gebrauch des Tasers ist keine Minusmaßnahme – er ist dem Grunde nach auch keine mildere Maßnahme – ggü. dem Schusswaffengebrauch, insb. jenem mit einer Pistole. Sein Gebrauch ist vielmehr ein Aliud und bedarf daher einer eigenen gesetzlichen Regelung. Die Ausführungsvorschriften zum UZwG Bln vom 20.6.2016 sind zwar an einer Stelle inhaltlich geändert worden.40 Die AV Pol UZwG Bln Nr. 43a zu § 9 UZwG Bln hat insofern eine Änderung erfahren, als in dieser Ausführungsvorschrift der Gebrauch des Tasers nicht mehr nur „Einsatzkräften des SEK“ gestattet ist, sondern nunmehr auch all jenen „Vollzugsdienstkräften gestattet sein soll, die nach spezieller Ausbildung dienstlich damit ausgestattet sind und grundsätzlich einen planvollen Geräteeinsatz (Schusssicherung, Fallsicherung und Fixierung der betroffenen Person) gewährleisten können“. Diese behördeninterne Regelung vermag die existierende gesetzliche Regelungslücke zum Gebrauch des Tasers jedoch nicht zu schließen.


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