
Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot im Lichte der Verwaltungsakzessorietät
4 Regelungsansätze im Vergleich
Korrespondierende Regelwerke zu § 17 VersFG SH befinden sich in § 17a BVersG, Art. 16 BayVersG, § 9 NVersG, § 17 SächsVersG und § 15 VersammlG LSA. Problematisch ist allerdings, dass die einzelnen Normen sehr unterschiedlich ausgestaltet sind und zum Teil, abhängig von den jeweiligen politischen Mehrheitsverhältnissen, auch nur eine geringe Halbwertszeit aufweisen. So wurde das Schutzwaffen- und Vermummungsverbot in Bayern zunächst mit Gesetz vom 22.7.2008 grundsätzlich als Straftatbestand ausgewiesen, mit Änderungsgesetz vom 22.4.2010 zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft und mit Gesetz vom 23.11.2015 erneut zu kriminellem Unrecht erhoben. In Niedersachsen ist wie in Schleswig-Holstein, dem Vorbild des MEVersG folgend, der Ansatz der Verwaltungsakzessorietät gewählt worden. Rechtsgrundlage für erforderliche Verwaltungsmaßnahmen ist § 10 II NVersG. Allerdings stellte dort gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 4 und 5 NVersG eine Zuwiderhandlung gegen vollziehbare Administrativakte zunächst eine Straftat dar. Mit Änderungsgesetz vom 6.4.2017 wurde dann allein das Vermummungsverbot auf Initiative der regierungstragenden Koalition zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft, während es in der Vereinbarung der neu gebildeten Koalition für die 18. Wahlperiode der Niedersächsischen Landtages nunmehr heißt: „Der Verstoß gegen das Vermummungsverbot wird wieder zu einer Straftat“. Inzwischen liegt auch ein Novellierungsentwurf der regierungstragenden Fraktionen vor. § 17a BVersG, § 17 SächsVersG und § 15 VersammlG LSA weisen das Schutzwaffen- und Vermummungsverbot als Straftatbestand aus und verzichten auf das Erfordernis einer vorausgehenden exekutiven Verfügung.
5 Befund
Die Ausgestaltung des VersFG SH führt unter Berücksichtigung der sehr unterschiedlichen Landesregelungen in der Gesamtschau zu nachfolgendem Befund:
5.1 Klarheit für Grundrechtsträger
Mit Aufnahme der Verwaltungsakzessorietät wird „Unsicherheiten und Fehleinschätzungen hinsichtlich der im Einzelfall geltenden Anforderungen“ der Grundrechtsträger überzeugend entgegengewirkt. Ohne vorausgehende Verwaltungsmaßnahmen liegen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen keine ahndungsrelevanten Normverletzungen vor. Dem Verwaltungsakt kommt insofern eine besondere „rechtsstaatliche Funktion“ zu, denn ein wesentliches Ziel des Staates muss gerade in der Verhütung von Verhaltensweisen liegen, die zu repressiven Sanktionen führen können. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um kriminelles Unrecht oder Verwaltungsunrecht handelt, das ebenfalls zu einer „empfindliche[n] Belastung“ für die Betroffenen führen kann.
5.2 Stärkung der Gestaltungs- und Typenfreiheit
Die Entkriminalisierung des Versammlungsgeschehens durch eine Zurückführung von Straftatbeständen stärkt die Gestaltungs- und Typenfreiheit und ist als Ausdruck einer grundlegenden und selbstbestimmten Freiheitsausübung zu betrachten. Ein bereichsspezifisches Versammlungsgesetz stellt nicht vorrangig Gefahrenabwehr-, sondern vielmehr Grundrechtsgewährleistungsrecht dar. Der schleswig-holsteinische Gesetzgeber hat sich von dieser Grundannahme leiten lassen und die Verbotsnormen sowie die darauf aufbauenden Ahndungstatbestände unter besonderer Beachtung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen des Grundgesetzes geregelt.
5.3 Handlungsleitende Wirkung wird in Frage gestellt
Ahndungsbestimmungen im demokratischen Rechtsstaat kommt eine handlungsleitende Wirkung zu. Der Einzelne soll die Grenzen seines Handelns eindeutig erkennen können, und damit in die Lage versetzt werden, sich an diesen Rahmenbedingungen zu orientieren. Diesem Grundsatz stehen nunmehr die sehr unterschiedlich ausgeformten Ländergesetze entgegen und es ist bereits heute eine föderale Zersplitterung zu konstatieren. Dabei wird es Veranstaltern, Leitern und Teilnehmern von Versammlungen als im Regelfall juristischen Laien kaum zuzumuten sein, sich mit teilweise stark auseinanderdriftenden Bestimmungen auseinanderzusetzen, sie differenziert abzugleichen und die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.
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