„Die spinnen, die Germanen!“

Die Auswirkungen des neuen Arbeitszeiterlasses auf die (Kriminal-)Polizei

7 Ruhezeiten zwischen zwei Arbeitseinheiten


Die Mindestruhezeit zwischen zwei Arbeitseinheiten bzw. Diensten soll elf Stunden dauern; so fordert es das EU-Recht13. Und so macht der „echte Norden“14 das auch. Nach der Arbeitszeitverordnung des Landes SH kann die oberste Dienstbehörde hierbei jedoch Ausnahmen für Bereiche zulassen, in denen die Kontinuität des Dienstes gewährleistet sein muss und in denen die Arbeitszeiten über den Tag verteilt sind.15 Unstrittig ist beides bei der Landespolizei der Fall. Die Frage ist indes, ob man die bestehenden Ausnahmemöglichkeiten tatsächlich nutzen muss. Bislang wurde das vielerorts so gesehen und zugelassen. Nicht zuletzt vor den aktuellen Diskussionen um gesundheitliche Entlastungen und gesundheitsorientierte Schichtmodelle kam der Erlassgeber allerdings zur Überzeugung, die „EU-Empfehlung“ einschränkungslos umzusetzen. Dies folgte zwar im Wesentlichen den Interessen von Personalvertretungen und Berufsverbänden, stieß in der Mitarbeiterschaft aber nicht überall auf Verständnis. Gerade dort, wo Dienststellen noch mit sogenannten „rückwärts rollierenden Schichtfolgen“16 arbeiten, wurden die elf Stunden Mindestruhe zwischen den Spät- und Frühdiensten häufig unterschritten. Um diesen Einheiten den notwendigen Zeitraum für die Umstellung zu geben, wurden Übergangsregelungen gefunden. Ab dem 1.1.2021 werden allerdings keine Ausnahmen mehr zugelassen. Die handwerkliche Lösung kann hier im Übrigen nicht darin bestehen, den Regelnachtdienst dann eben kurzerhand von neun oder zehn auf elf Stunden zu verlängern. Das wäre im Kontext einer zu optimierenden gesundheitsorientierten Ausrichtung polizeilicher Arbeitszeiten geradezu kontraproduktiv, um nicht zu sagen absurd. Die Lösung sollte in der Umstellung von einem rückwärts in ein vorwärts rollierendes Schichtmodell liegen. Die Frage, ob Doppeldienste (z.B. Früh- und Nachtdienst an einem Tag) erlaubt sein sollten, hat sich mit der konsequenten Anwendung der 11-Stunden-Mindestruhe im Prinzip erledigt. Ein „Doppelschlag“ erscheint kaum noch organisierbar! Formell untersagt der Arbeitszeiterlass dies daher auch gar nicht, spricht aber die Empfehlung aus, hiervon Abstand zu nehmen.

 

8 Weitere Neuregelungen im Blitzlicht …

 

  • Für die Fortentwicklung von Schicht- und Arbeitszeitmodellen wurden keine strikten Vorgaben gemacht, sondern Leitlinien aufgenommen und mit Musterdienstplänen visualisiert. Sofern nicht gegen die rechtlichen Bestimmungen des Arbeitszeiterlasses bzw. die rahmengebenden arbeitszeit- und arbeitsschutzrechtlichen Gesetze und Verordnungen verstoßen wird, kann jede Dienststelle nach einem Schichtrhythmus arbeiten, der am besten zu ihr passt (Mitarbeiterzufriedenheit, Altersdurchschnitt, Teilzeiten, Wohnsituationen, besondere Schwerpunkte usw.).
  • Bereits seit 2016 garantiert die Landespolizei allen Mitarbeitern des Schicht- und Schwerpunktdienstes einen 72-Stunden-Freiblock pro Monat, vornehmlich an Wochenenden (oder alternativ zwei Blöcke à 60 Stunden). Diese Dienstvereinbarung wurde nunmehr in den Arbeitszeiterlass integriert.
  • In Schicht- und Schwerpunktdiensten darf innerhalb von 28 Tagen bis zu neunmal länger als 10 Stunden gearbeitet werden, wenn dadurch zusätzliche Freischichten oder längere Regenerationsphasen an anderer Stelle entstehen.17
  • Wird eine Teilzeitbeschäftigung aufgegeben, kann eine erneute Teilzeit frühestens erst wieder nach drei Monaten beginnen. Hier gilt es nicht zuletzt Teilzeitunterbrechungen zu Urlaubszwecken vorzubeugen.
  • Der Arbeitszeiterlass trifft Aussagen zur Verbindlichkeit des Dienstplans. Zu einem bestimmten Zeitpunkt brauchen die Mitarbeiter verlässliche Klarheit, um z.B. kostenträchtige Rechtsgeschäfte eingehen zu können (Konzertkarten kaufen, Reisen buchen u.Ä.). Unter bestimmten Voraussetzungen können sie nunmehr Schadenersatz durch den Dienstherrn beanspruchen, wenn sie trotz einer für sie abgeschlossenen Dienstplanung kurzfristig in den Dienst geholt werden und ggf. auf bereits entstandenen Kosten „sitzen bleiben“.
  • Für den Abbau unzulässig hoher Mehrarbeitsstundenstände bis Ende 2022 ist ein abgestuftes Verfahren beschrieben.
  • Es wurden erforderliche Sonderregelungen für den Bootsdienst der Wasserschutzpolizei auf der Nord- und der Ostsee sowie für den polizeilichen Präsenzdienst auf den Inseln Helgoland, Amrum, Föhr und Pellworm aufgenommen.

 

9 Resümee


Der Erlassgeber und die Mitbestimmungsgremien sind davon überzeugt, mit dem Arbeitszeiterlass für die Landespolizei SH ein modernes Regelwerk geschaffen zu haben, das eine Vielzahl widerstreitender Interessen zu vermittelbaren Lösungen vereint hat. Ziel war die Schaffung eines „Werkzeugkastens“, aus dem sich die Mitarbeiter bzw. die Einheiten, denen sie angehören, die für sie am besten passenden Instrumente auswählen können. Dass Kollegen mit geringerer Kompromisskompetenz, die ihre Standpunkte nicht zu einhundert Prozent durchsetzen durften, unzufrieden sein könnten, gehört zum (demokratischen) Geschäft. Es wird wohl immer Mitarbeiter geben, denen man es nie recht machen kann.


Oder wie sagte einmal ein Dienststellenleiter: „Da könnten wir die Dienststelle auch in die Karibik verlegen – nach spätestens zwei Tagen gäbe es die ersten Beschwerden […] entweder weil das Meer zu warm und die Fische zu bunt sind oder weil das Zitroneneis zuneige geht“.