Auslandseinsatz in der EU Mission - EULEX Kosovo

3. Aufgabenbereich Eulex Executive Police

3.1 Besondere Lage


Der Norden des Kosovo stellt einen Schwerpunkt des Einsatzraumes für den Bereich Eulex Executive Police dar. Insofern umschreiben die vorgenannten Ausführungen den Rahmen für die polizeiliche Lagebeurteilung sowie den Einsatz der mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteten internationalen Polizeibeamten. Die Bedingungen hier unterscheiden sich im Norden gravierend vom Rest des Landes insofern die Kräfte ausschließlich in gepanzerten Fahrzeugen ihren Dienst versehen. Dies geht zurück auf einen tödlichen Anschlag gegen einen internationalen Zollbeamten, dessen Fahrzeug auf dem Weg zum Dienst von Mitrovica zu einem nördlichen Grenzübergang unter AK 47 Feuer genommen wurde (Abb. 8).
Während meiner Missionszeit wurden im April 2014 Begleitschutzkräfte auf dem Weg zu einem nördlichen Grenzübergang erneut mit einer AK 47 beschossen, gefunden wurden 25 Patronenhülsen. Dank der Panzerung mit Schutzklasse B 6 und des besonnenen Verhaltens der Fahrer entstand nur Sachschaden. Die Vermutung liegt nahe, dass der Anschlag eine Reaktion auf kurz zuvor durchgeführte Festnahmen von Eulex Executive Police im Norden darstellt. Das Beispiel zeigt auf, dass bei der Planung und Durchführung von Einsatzmaßnahmen immer auch das Potenzial für einer Verschärfung der Sicherheitslage sowie eine Erhöhung der generellen Gefährdung für Beamte der Eulex Police in die Beurteilung der Lage einzubeziehen ist.

3.2 Organisation Executive Police

Dem Head of Executive Police ist neben der Direktion Ermittlungen (Executive Criminal Investigation Department) auch die Direktion Einsatz (Special Police Department) sowie die Direktion Zeugenschutz (Witness Security Department) unterstellt (Abb. 9). Als Unterstützung stehen ihm neben seinem Abwesenheitsvertreter, eine persönliche Referentin sowie das Liaison and Coordination Office mit drei Verbindungsbeamten und einer lokalen Verwaltungsangestellten zur Verfügung.
Die Direktion Ermittlungen (Abb. 10) setzt sich einerseits aus den Einheiten zur Ermittlung von Kriegsverbrechen sowie Organisierter Kriminalität bzw. Korruption und andererseits als unterstützende Elemente aus der Einheit Internationale Zusammenarbeit sowie Beschaffung und Analyse von ermittlungs- und lagerelevanten Informationen zusammen.
Während sich die Ermittlung organisierter Kriminalität in ihrem Wesen wenig von Deutschland unterscheidet, ist die Ermittlung von Kriegsverbrechen eher außergewöhnlich und den zurückliegenden Kriegshandlungen geschuldet. Die Ermittlungen und Gerichtsverfahren sind sensibel und von polemisierenden politischen Statements sowie ideologischer Berichterstattung in den Medien begleitet, insbesondere wenn es sich bei den Tätern um der serbischen oder albanischen Ethnie zugehörige gefeierte Kriegshelden handelt. Dabei haben in der öffentlichen Wahrnehmung nur Täter der jeweils anderen Ethnie anerkannt Kriegsverbrechen begangen. Die Gerichtsverfahren werden in der Hauptsache bei wiederkehrenden Haftprüfungen zur Bestätigung der Untersuchungshaft oder bei Gelegenheit der Urteilsverkündung von öffentlichen Protesten mit erhöhtem Potenzial zur Gewalttätigkeit begleitet. Darüber hinaus sind täterseitige Maßnahmen zur Gefangenenbefreiung sowie zur Beeinflussung oder Beseitigung relevanter Zeugen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Betracht zu ziehen.


Abb. 8 Anschlag auf internationalen Zollbeamten


Des Weiteren sichert die Direktion Ermittlungen den Informationsaustausch mit der serbischen Polizei sowohl für eigene Zwecke als auch als Vermittler für die kosovarische Polizei. Ein unmittelbarer Kontakt zwischen den beiden Polizeien gestaltet sich angesichts der Nichtanerkennung des Kosovo als schwierig bis unmöglich. Da verhindert schon ein Briefkopf mit den Insignien der Republik Kosovo jeden weiteren Bearbeitungsschritt. Dringend benötigten gemeinsamen Ermittlungsgruppen zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität steht die Frage der Unabhängigkeit immer wieder im Weg.
Die im Süden der Stadt Mitrovica untergebrachte Direktion Einsatz (Abb. 11) ist schwerpunktmäßig im Norden des Kosovo eingesetzt und setzt sich aus einem Einsatzzug (Supplementary Police Unit) mit einer SEK-Komponente sowie einer Einsatzhundertschaft (Formed Police Unit) zusammen. Das Aufgabenfeld erstreckt sich von Streifentätigkeit, Begleitschutz für Einsatzkräfte sowie Richter und Staatsanwälte über geschlossene Einsätze bei gewalttätig verlaufenden Demonstrationen bis zur Durchführung von Festnahmen bewaffneter Straftäter.
Darüber hinaus zählt eine Einheitmit Grenzschutz- und Zollaufgaben (Border Boundary Unit North) zur Direktion Einsatz. Sie setzt sich aus internationalen Grenzschutzbeamten sowie Zöllnern zusammen und unterstützt die kosovarische Grenzpolizei bei der Aufgabenwahrnehmung an den beiden Übergangsstellen im Norden. Im Wesentlichen versuchen die Beamten unter den bekannten politischen Rahmenbedingungen zur Statusfrage des Kosovo eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen serbischer und kosovarischer Grenzpolizei und Zoll zu fördern.
Die ebenfalls bei EXPOL angesiedelte Direktion Zeugenschutz gewährleistet das Zeugenschutzprogramm für Zeugen in von Executive Police und internationalen Staatsanwälten geführten Verfahren. Der gesetzliche und taktische Rahmen entspricht im Wesentlichen den in Westeuropa und Deutschland bekannten Standards.


Abb. 9 Organisation Executive Police (EXPOL)

Abb. 10 Direktion Ermittlungen (Executive Criminal Investigation Department)

Abb. 11 Direktion Einsatz (Special Police Department)