Ultranationalismus, Rechtsextremismus und Islamismus: Die Grauen Wölfe in Deutschland
Auftreten und Vereinswesen in Deutschland
Längst sind die Grauen Wölfe auch in Deutschland angekommen. Bereits 1978 wird die Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland (türkisch: Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu), kurz ADÜTDF oder Türk Federasyon, also die Auslandsabteilung der MHP, in Frankfurt am Main und mit Unterstützung aus der deutschen Politik gegründet. Bereits im Jahr 2000 wurden die Mitgliederzahlen auf bis zu 80.000 Personen geschätzt.5 Genaue Zahlen sind allerdings nicht bekannt, die Einschätzungen zum Personenpotential gehen sehr weit auseinander. Die ADÜTDF orientiert sich an der Ideologie und Politik der MHP. Sie ist dem türkischen rechtsextremistischen Spektrum zuzurechnen und wird deshalb vom Verfassungsschutz beobachtet. Offiziell lehnen die Funktionäre Gewalt als Mittel zur Durchsetzung ihrer ideologischen Überzeugungen ab. Nach eigener Darstellung sind sie ein Interessenverband für türkisch stämmige Menschen. Ihre Aufgabe sehen sie in der Förderung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Belangen und in der Vermittlung türkischer Geschichte und Werte bei gleichzeitiger Integrationsarbeit. Die Ansichten über Integration sind allerdings einseitig zu sehen, wenn sie aus Perspektive der ADÜTDF so kommuniziert werden: „Als Türken wollen wir weitere Zugeständnisse an unsere Lebensart, Würde und Identität erreichen. Das verstehen wir unter Integration.“6 Auch sei die Haltung gegenüber der deutschen Gesellschaft von Distanz geprägt und vom Fernhalten von den „Ungläubigen”. Diese Einstellung wird letztendlich mit dem Koran begründet, in dem es in Sure 5, Vers 51 heißt: „Ihr Gläubigen! Nehmt nicht die Juden und Christen zu Freunden! Sie sind untereinander Freunde (aber nicht mit euch). Wenn einer von euch sich ihnen anschließt, gehört er zu ihnen (und nicht mehr zur Gemeinschaft der Gläubigen).”7 Insofern muss Agitation und Zielsetzung eher als separativ, denn als integrativ betrachtet werden.
Foto: A. Lemberger
Strittig bleibt die Haltung bezüglich Gewalt. Gewaltakte, die Anhängern der Grauen Wölfe zuzurechnen sind, sind nicht automatisch den Mitgliedern der ADÜTDF nachzuweisen. Gleichzeitig existieren keine Distanzierungen von gewalttätigen Angriffe durch türkische Rechtsextreme, gerade auch in der jüngeren Vergangenheit, beispielsweise am 12. September 2015 in Hannover, bei der u.a. ein Kurde mit einem Messer durch einen türkischen Rechtsextremisten schwer verletzt wurde. Diese hassmotivierte Gewalt wird nicht thematisiert und deutsche Medien fordern zumeist auch keine Stellungnahmen des Verbandes ein. Hier zeigen sich Medienvertreter wie auch Politiker sehr zurückhaltend. Während in der Türkei die Aktivitäten und der Ultranationalismus zeitweise mit großer Sorge beobachtet und die MHP sogar in den Jahren 1981 bis 1987 verboten wurde, entstanden in Deutschland just zwei weitere Organisationen. Die Ülkücüs gründeten die ATIB in Köln und die ATB (Avrupa Türk Birligi = Verband der türkischen Kulturvereine in Europa) in Frankfurt am Main, die seither die türkische Partei BBP (s.o.) in Europa vertreten soll.
Von Facebook auf die Straße
Neben diesen Vereinen und seinen Mitgliedern verbreiten sich ihre Ansichten aktuell nahezu unabhängig. In Deutschland treten gerade die jugendlichen Anhänger der Grauen Wölfe meist nicht-organisationsgebunden, jedoch in sozialen Netzwerken verbunden und in kurzfristig verabredeten Zusammenschlüssen auf. Auf Facebook hat sich nun auch eine neue Gruppe gebildet, die AYTK (Almanya Yeni Türk Komitesi = Das neue Türkenkomitee für Deutschland oder: das Komitee für «Neu-Türken“ in Deutschland).8 Die Assoziationen an „Yeni Türkiye“ die „neue“ Türkei Erdogans und oder an die Jungtürken des osmanischen Reiches erscheinen gewollt. Denn tatsächlich vereinen sich hier zunehmend die jungen Anhänger von AKP, MHP und BBP. Sie präsentieren sich islamistisch-nationalistisch mit Parolen, die sich klassisch mit „ein Vaterland, eine Religion, eine Fahne“ zusammenfassen lassen und bringen damit womöglich eine neue Jugendbewegung hervor. Auch Mitglieder der DITIB (Diyanet Isleri Türk Islam Birligi = Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.), Dachverband der türkisch-sunnitischen Moscheegemeinden sind involviert und aktiv.
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