Sexualität online: riskantes Verhalten, Cybermobbing, Onlinesexsucht
5. Cybersex: sexuelle Kontakte online
Über das Betrachten von Pornografie hinaus bietet das Internet vielfältigste Formen von Cybersex, virtueller, sexueller Interaktion. Das Spektrum reicht von der Betrachtung pornographischer Bilder, oft begleitet von Masturbation, der Teilnahme an sexuell anzüglichen Chats, dem Austausch erotischer E-Mails bis hin zur sexuellen Stimulation mit Hilfe von Datenhelmen oder -handschuhen oder auch Verabredungen zu Begegnungen „offline“. Generell ermöglicht Cybersex auf vielfältige Weise ein Experimentieren zwischen Fantasie und „Real-life“-Verhalten mit der Einnahme virtueller Identitäten auf einer potentiell weltweiten Bühne. Schnellere Selbstöffnung und ständige Erreichbarkeit bei der Onlinesexualität macht die Frage nach dem Realitätscheck dringlich: Werden Jugendschutz und sexuelle Selbstbestimmung gewahrt, ist sexueller Kontakt selbstgewollt und intendiert, oder ungewollt bzw. erzwungen (etwa auf Drängen des Partners)? Die sozialen Netzwerke des web 2.0 bedürfen neuer Regeln, ein Beispiel ist der Beziehungsstatus auf Facebook. Als neuen Service offeriert Facebook mit „bang your friends“ aber auch die scheinbar ungefährliche Möglichkeit, explizite sexuelle Wünsche gegenüber Freunden auf Facebook zu registrieren, die aber nur übermittelt werden, falls diese ihrerseits sexuelles Interesse geäußert haben (http://www.bangwithfriends.com/).
6. Onlinesexsucht
Ähnlich anderen Internetanwendungen wie Computerspielen kann der Onlinekonsum von Sexualität suchtartigen Charakter gewinnen. Onlinesexsucht lässt sich als Verhaltenssucht einstufen, ein unwiderstehlicher Drang, wiederholt ein bestimmtes Verhalten auszuführen, trotz negativer Konsequenzen für soziale Beziehungen und Beruf. Kriterien für Onlinesexsucht sind unwiderstehliches Verlangen nach selbstgesteuerter Erregung und rascher Spannungsabfuhr, verminderte Kontrollfähigkeit, Toleranzentwicklung hin zu zunehmend „harter“ Pornographie, das Eingehen von Risiken (Onlinesexkonsum im Büro), zu emotionaler Verarmung realer Partnerschaften, sexueller Unlust, Erektionsstörung, Entzugserscheinungen und Fortsetzung trotz negativer Folgen wie Abmahnung durch den Arbeitgeber oder Trennungsdrohung durch die Partnerin. Als Indiz für Hypersexualität gilt beispielsweise eine über viele Stunden tägliche Beschäftigung mit Masturbation, die oft zu Schmerzen oder Entzündung führt; die sexuelle Dauererregung wird gleichsam zum „Zufluchtsort“ bei Langeweile, Stress und Frustration.
7. Gebrauch von Online- Gewalt und -Missbrauch von Kindern und Pädophilie
Der gebräuchliche Ausdruck Kinderpornographie verharmlost die Tatsache, dass es sich bei diesen Darstellungen im Internet um die Verbreitung von sexuellem Missbrauch handelt. In den USA kam es von 1992-2007 zur Verdoppelung von Verhaftungen für Besitz von Kinderpornographie, gleichzeitig nahm angezeigter sexueller Missbrauch mit -53% deutlich ab. Letzteres wird auf ein besseres Bewusstsein in der Bevölkerung und eine konsequentere Strafverfolgung zurückgeführt (Wolak et al. 2011). Online Straftäter waren in dieser Studie jünger, gebildeter, häufiger weiß, alleinstehend, arbeitslos, und sie zeigten mehr Selbstkontrolle und Empathie mit Opfer als pädophile Täter, die sich direkt an Kindern strafbar gemacht hatten; allerdings kam es auch bei den Online-Tätern in 12- 50% zu Übergriffen gegenüber Kindern.
Mangels vergleichbarer deutscher Zahlen ist aber nicht klar, wieweit diese Ergebnisse übertragen werden können. Auch die Ambulanz für Spielsucht in Mainz suchen zunehmend Menschen auf, die im Zuge ihres Konsums von Gewaltpornografie bei Kindern und Jugendlichen eine Onlinesexsucht entwickelt haben. Typischerweise suchen sie erst therapeutische Hilfe, nachdem ihre Festplatte beschlagnahmt worden und Anzeige erstattet worden ist. Dies hat zur Folge , dass die wenigen Psychotherapeuten, die sich mit Sexualstörungen befassen, sehr zurückhaltend gegenüber einer Behandlung geworden sind, aus der Sorge heraus, diese könnte rein fremdmotiviert durch die Strafverfolgung sein.
Schlussfolgerungen
Das Internet eröffnet „unterschiedslos“ Raum für alle Formen sexueller Selbstverwirklichung und Hilfen, aber auch für sexuelle Gewalt, Ausbeutung und Mobbing. Umso wichtiger ist es, im Sinne der Prävention Kinder und Jugendliche altersangemessenen bei der Entwicklung eines sicheren und selbstbestimmten Umgangs mit dem Internet zu unterstützen. Da Pornografie und Gewalt „nur 1 Click entfernt“ ist, schließt dies im Kindesalter auch Maßnahmen zur Kindersicherung ein (http://www.klick-safe.de/). Inzwischen haben alle Jugendlichen Zugang zu Internet und zu sozialen Netzwerken, die wichtige Quellen von Information, Kontakt, sozialer Einbindung, Erfahrung und Selbstwertbestätigung darstellen. Deshalb ist es wichtig, durch Aufklärung und Information möglichen negativen Folgen wie Suchtentwicklung oder Cybermobbing entgegenzuwirken. Gezielte Hilfestellungen sind erforderlich, wenn im Jugend- oder Erwachsenenalter eine Suchtentwicklung eingesetzt hat, die zu Onlinesexsucht (oder einer anderen Form der Internetsucht) führt mit den beschriebenen Gefahren der Schädigung von beruflicher und familiärer Integration bis hin zum Abgleiten in Kinder- und Gewaltpornographie. Zu den Auswirkungen des Konsums von Pornografie und Cybermobbing (mit oder ohne sexuelle Bedeutung) auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen besteht weiterer Forschungsbedarf.
Literatur
Eichenberg, Ch, Brähler E. (2013) Internet als Ratgeber bei psychischen Problemen. Psychotherapeut 58, 63-72.
Priebe G, Svedin CG. Online or off-line victimisation and psychological well-being: a comparison of sexual-minority and heterosexual youth. Eur Child Adolesc Psychiatry. 2012 Oct;21(10):569-82.
Tiefer, L. (2012) Medicalizations and demedicalizations of sexuality therapies. J Sex Res, 49, 311-8
Wolak J, Finkelhor D, Mitchell K. (2011) Child pornography possessors: trends in offender and case characteristics. Sex Abuse, 23, 22-42
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