Ausländer im Bann der Kriminalität
Ursachen und Präventionsansätze zur Vorbeugung der Delinquenz von Ausländern und Migranten
Von PK`in Hülya Duran, Münster1
Abstract
Kaum ein Tag vergeht, ohne dass über die Clankriminalität und mit ihr einhergehend über die Kriminalität von Ausländern- und Migranten debattiert wird. Asylbewerber und ausländische Tätergruppierungen im Rahmen Organisierter Kriminalität waren Gruppen, die in der Diskussion um Ausländerkriminalität Bedeutung gewannen und durch rechtspopulistische Parteien als ein Werkzeug der Stigmatisierung eingesetzt wurden. Zweifelsohne gewinnen verübte Straftaten von Ausländern- und Migranten eine größere öffentliche Aufmerksamkeit als von anderen Straftätern. Ein differenzierter und kritischer Blick auf diese Thematik ist kaum noch möglich. Und sobald der Rechtsstaat an irgendeiner Stelle angreifbar wird, gewinnen Populisten und Extremisten an Zulauf. Rechtspopulistische Parteien wie die AfD feiern u.a. aus diesem Grund große Wahlerfolge, denn sie instrumentalisieren, verallgemeinern und verdrehen Tatsachen, was zu Unmut und Hetze in der Bevölkerung sorgt. Aber auch Äußerungen und Sätze wie „Migrationsfrage als Mutter aller politischen Probleme“ und „Keine Hetzjagd in Chemnitz“; „Shuttle-Service“ bestärken die Ausschreitungen rechtsradikaler Gruppierungen und führen dazu, noch mehr Hass gegenüber Ausländern in der Bevölkerung zu verbreiten. Dass sie oft selbst keine Lösungen bieten, ist für diesen Effekt zweitrangig. An dieser Stelle ist jedoch anzumerken, dass es durchweg immer einen bestimmten Anteil an Antisemiten, Rassisten, Rechtsradikalen und Rechtsextremen in Deutschland gab. Fraglich ist jedoch, wie Einzelfälle zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem instrumentalisiert und eine überaus heterogene Gruppe als kriminell diffamiert werden kann. In diesem Kontext ist es umso wichtiger den Ursachen der Kriminalität von jungen Ausländern- und Migranten nachzugehen. Was bewegt einen jungen Ausländer etwa dazu, in Deutschland kriminell zu werden? Welche Rolle spielen dabei die Mentalität, Lebensweise und die Hintergründe im Ursprungsland? Und sind die Ausländer wirklich krimineller als die Deutschen? Noch wichtiger ist, wie generalpräventive Maßnahmen zur Bekämpfung von Ausländerkriminalität aussehen könnten, wie sie derzeit praktiziert werden und in welchen Bereichen noch Verbesserungsbedarf besteht.
1 Einleitung
Flucht und Vertreibung haben in der deutschen Geschichte schon immer eine Rolle gespielt. Von der Zwangsimmigration während des zweiten Weltkrieges bis hin zur Völkerwanderung von 1939 bis 1950, die etwa 25 bis 30 Millionen Menschen erfasste. Viele verloren ihre Heimat, gewaltige Flüchtlingsströme waren die Folge. Der Großteil der Flüchtlinge zog nach Westdeutschland und musste sich in die auch dort durch den Krieg gebeutelte Gesellschaft integrieren. Schon damals gehörten Bedenken und Ängste zur universalen Geschichte von Geflüchteten und tauchen in unterschiedlichen Mustern immer wieder auf. Bis heute sind die Gründe der Flucht und Vertreibung stets vielfältig, nicht zuletzt in den Jahren 2014/2015 aus religiösen, ethnischen und politischen Gründen. Größere Aufmerksamkeit in Deutschland hat das Thema der Flüchtlinge im Herbst 2015 erhalten, als die Grenzen Deutschlands für Schutzsuchende geöffnet wurden und die rechtlichen Grundlagen hierfür bis heute umstritten sind. Für Negativschlagzeilen im Zusammenhang mit der Ausländerkriminalität sorgte auch die Kölner Silvesternacht. Hierbei stellte sich die Frage nach Kontrolle und Freizügigkeit von Ausländern in Deutschland von neuem und noch intensiver. Allerdings wurde die Ausländerkriminalität auch von nationalistischen Gruppierungen und Parteien instrumentalisiert. Mit der pauschalen Kategorie „Ausländer“ bzw. „Ausländerkriminalität“ wurden unterschiedliche Gruppen von Ausländern und Migranten miteinander verglichen, deren Kriminalität sich jedoch differenziert und es daher von hoher Notwendigkeit ist, dass derartige Gruppierungen auseinandergehalten werden müssen.
2 Ausländer- und Migrationsanteil in Deutschland
In den letzten Jahren hat die Zuwanderung in Deutschland stark zugenommen. Die meisten waren Schutzsuchende, Unionsbürger sowie auch Deutsche. So hatten im Jahr 2018 rund 20,8 Mio. der insgesamt 81,6 Mio. Einwohner in Deutschland einen Migrationshintergrund (MH) – das entspricht einem Anteil von 25,5 % an der Gesamtbevölkerung. Von den 20,8 Mio. waren 10,9 Mio. Deutsche (mit MH) und 9,9 Mio. Ausländer (52,4% / 47,6%). Mehr als jede vierte Person mit MH lebte dabei in Nordrhein-Westfalen (25,8%), jeweils etwa jede Sechste in Baden-Württemberg und Bayern (17,5% / 15,8%). Bezogen auf die jeweilige Bevölkerung der Bundesländer war ihr Anteil in den Stadtstaaten Bremen (35,1%), Hamburg (33,3%) und Berlin (31,6%) sowie in den Flächenländern Hessen (33,6%), Baden-Württemberg (33,4%) und Nordrhein-Westfalen (30,4%) am höchsten. In Ostdeutschland lag der Anteil der Personen mit MH an der Gesamtbevölkerung bei lediglich 8,0%. Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass Deutschland weiterhin im Vergleich zu den anderen EU-Staaten ein Hauptzielland von Migration ist und in den letzten Jahren deutlich an Attraktivität gewonnen hat. Die meisten der 20,8 Mio. Personen mit MH stammten im Jahr 2018 aus der Türkei (13,3%), gefolgt von Polen (10,8%), Russland (6,6%), Rumänien (4,6%), Italien (4,2%), Kasachstan (6 %) und Syrien (3,9%). Im Hinblick auf die aufgelisteten Zahlen wird nachfolgend zu prüfen sein, wie sich die Kriminalität eben durch diesen Zuzug von Ausländern und Migranten entwickelt hat.
3 Kriminalität im Kontext der Zuwanderung
Debatten um die Kriminalität der Ausländer gab es schon zur Zeiten der Gastarbeiter in den 1950er Jahren. Mit dem Wirtschaftswunder der Bundesrepublik wurden immer mehr Arbeitnehmer gesucht, die auf dem inländischen Markt nicht mehr zu finden waren. Die Folge war, dass die Bundesrepublik am 20. Dezember 1955 mit Italien das erste Anwerbeabkommen abschloss. Bereits fünf Jahre danach erfolgten Abkommen mit Griechenland und Spanien, dann mit der Türkei (1961), Marokko (1963), Portugal (1964), Tunesien (1965) und dem ehemaligen Jugoslawien (1968). Auseinandersetzungen und Befürchtungen eines alarmierenden Anwachsens der Gastarbeiterkriminalität wurden bereits damals intensiv geführt und werden heute durch die neuen Generationen fortgeführt. Und so sehr die Frage nach der Ausländerkriminalität bereits in der der Ausgangsfrage umstritten ist, so sehr streitet man weiter um die Befunde, ob die Ausländer- und Migranten tatsächlich mehr Straftaten begehen als Deutsche und ob ein Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Kriminalität besteht. Um diese Fragen zu beantworten, beruft man sich u.a. auf die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Da diese nur die die polizeilich registrierten Fälle der Kriminalität erfasst, unterliegt sie vielfältigen statistischen Verzerrungen und Ungenauigkeiten, sodass ihre Aussagekraft relativiert wird. Ein Aspekt, der die Aussagekraft der PKS einschränkt, liegt u.a. im Bereich des sog. Dunkelfeldes. Während das Hellfeld die polizeilich registrierten Delikte umfasst, betrifft das Dunkelfeld Geschehnisse, die der Polizei als Straftaten hätten gemeldet werden können, aber nicht gemeldet worden sind. Damit betrifft die Aufklärungsquote auch nur die statistischen Angaben des Hellfeldes.
Laut PKS wurden 2018 bundesweit rund 5,5 Mio. kriminelle Fälle registriert. Im Bereich der Tatverdächtigen liegt diese Zahl bei 2,05 Mio. Dies stellt im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang um 2,9% dar. Der Anteil der deutschen Tatverdächtigen an den Straftaten beträgt 1.342.886 (Rückgang um 2,4%). Der Anteil der Tatverdächtigen ohne deutsche Staatsangehörigkeit beträgt 708.380 (Rückgang um 3,8%) und hat sich somit im Vergleich zum Vorjahr reduziert. Im Jahr 2018 wurden zudem bundesweit 163.063 (2017: 179.848) ausländerrechtliche Verstöße registriert. Die Fallzahl ist im Vergleich zum Vorjahr um 9,3% gesunken. Insbesondere die rückläufigen Fallzahlen bei „unerlaubte Einreise“ (2018: 39.476, 2017: 50.147) sowie „unerlaubter Aufenthalt“ (2018: 106.860, 2017: 116.344) sind für den starken Rückgang verantwortlich. Diese Delikte können naturgemäß nur von Ausländern begangen werden und sind im Zusammenhang mit den Migrationsströmen zu begründen. Im Bereich der Raubdelikte waren mehr als vier von den zehn Tatverdächtigen Nichtdeutsche. Dies stellt einen Wert von rund 40,6% dar. Überpräsentiert waren die nichtdeutschen Tatverdächtigen in der Kategorie Raub, räuberische Erpressung auf/gegen Geld und Werttransporte sowie bei dem Handtaschenraub. Körperverletzungsdelikte wurde im Berichtsjahr 2018 in rund 554.635 Fällen registriert. Die Anzahl der Tatverdächtigen lag bei 466.753. Davon waren 37,5% Minderjährige oder Heranwachsende. Unter den Tatverdächtigen waren insgesamt 148.030 Nichtdeutsche und 318.723 Deutsche. Die überwiegende Mehrheit der Nichtdeutschen waren nach der PKS männlich und jünger als 30 Jahre.
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