„Aktenzeichen XY … ungelöst“ wurde 50

4  Die Voraussetzungen für die Aufnahme eines Sachverhalts in die Sendung6

Bereits zur ersten Sendung hatten sich das ZDF und die Strafverfolgungsbehörden über die Voraussetzungen für die Fernsehfahndung verständigt. Es wurden Grundsätze entwickelt, die sechs Jahre später von den Justizministern des Bundes und der Länder im Rahmen einer Richtlinie bestätigt wurden.7 Diese bildet bis heute die wesentliche rechtliche Grundlage für eine Fahndung in „Aktenzeichen XY … ungelöst“. Zu unterscheiden sind dabei zwei Aufträge an die Öffentlichkeitsfahndung:

4.1 Ermittlung eines unbekannten Täters

In diesem Fall liegen lediglich die Fakten eines Verbrechens vor, der Täter ist unbekannt. Soll eine solche Straftat den Zuschauern über den Bildschirm dargestellt werden, müssen folgende Vorbedingungen erfüllt sein:

Es handelt sich um eine Straftat von erheblicher krimineller Bedeutung (Kapitalverbrechen wie Mord, Raub, fortgesetzter Betrug, räuberische Erpressung, Geiselnahme, Vergewaltigung und anderes).

Die Polizei hat alle anderen Möglichkeiten, den Täter zu ermitteln, bereits ausgeschöpft.

Es liegen konkrete Fragen vor, die ein noch unbekannter Zeuge, in diesem Fall ein XY- Zuschauer, beantworten könnte.

4.2 Die Fahndung nach einem bekannten Tatverdächtigen

In diesem Fall ist ein Tatverdächtiger ermittelt worden. Die Polizei besitzt ein Foto von ihm oder einen anderen Beweis für seine Identität und kennt in der Regel auch seinen Namen. Für eine TV-Fahndung müssen dann folgende Voraussetzungen vorliegen:

Dem Gesuchten wird eine Straftat von erheblicher krimineller Bedeutung vorgeworfen.

Es liegt ein internationaler Haftbefehl gegen den Gesuchten vor.

Für den Fall der Festnahme des Gesuchten im Ausland wird von der zuständigen Staatsanwaltschaft dessen Auslieferung beantragt.

Die Polizei hat andere, konventionelle Möglichkeiten der Fahndung inzwischen ausgeschöpft.

4.3 Die Fallaufnahme

„Aktenzeichen XY... ungelöst“ basiert auf einem engen Zusammenwirken der XY-Redaktion mit den Strafverfolgungsbehörden. Dabei werden in der Regel ausschließlich sog. Kapitaldelikte in die Sendung aufgenommen, das heißt, besonders schwere Verbrechen, deren Aufklärung bei der Polizei höchste Priorität besitzt. Dazu zählen beispielsweise Mord, Sexualdelikte, Raub oder schwere Betrugsfälle. Kommen die Ermittlungsbehörden mit den klassischen Fahndungsmethoden nicht weiter, suchen sie die Zusammenarbeit mit der Fernsehredaktion. Umgekehrt geht die Redaktion auf die zuständigen Behörden zu bei Fällen von großer öffentlicher Bedeutung oder Aufmerksamkeit. Gemeinsam wird dann über die Veröffentlichung und Darstellung des Falles beraten.

„Aktenzeichen XY… ungelöst“ unterstützt auch ausländische Polizeidienststellen bei der Aufklärung von Straftaten. Neben Ermittlern aus Österreich und der Schweiz haben in der Vergangenheit schon mehrfach Kripo-Beamte beispielsweise aus den USA, Frankreich, Dänemark, England, Belgien, Holland, Tschechien und Polen in der Sendung Fälle aus Ihren Staaten vorgestellt und um Mithilfe durch die Bevölkerung gebeten. Wichtig bei diesen Fällen ist, dass sie einen Bezug in den deutschsprachigen Raum Europas haben. Von der Recherche bis zur Realisation des Beitrags sind die Ermittlungsbehörden eng in die Arbeit der Redaktion eingebunden. Dies stellt sicher, dass Filme, Moderationen und Gespräche den genauen Tatablauf und aktuellen Kenntnisstand der Ermittler wiedergeben.

5 Die Bewertung

Eine einfache wie brillante Idee, die 1967 die Verfolgung von Straftaten revolutionierte, nannte Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maiziere die Sendung. Er hob hervor, dass „Aktenzeichen XY … ungelöst“ zu einer Institution im deutschen Fernsehen geworden sei, und die Bürgerinnen und Bürger die Polizei tatkräftig bei der Aufklärung von Straftaten unterstützten.

Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes betonte in seiner Grußbotschaft zur Festveranstaltung im Oktober 2017, dass viele Straftaten ohne die Hinweise aus der Bevölkerung nicht aufgeklärt werden könnten. Bereits in Vorbereitung auf die erste Sendung im Jahr 1967 habe es eine enge Zusammenarbeit zwischen der Redaktion, seinerzeit unter der Leitung von Eduard Zimmermann und dem Bundeskriminalamt gegeben. Seitdem sei dieses Sendeformat durch das BKA in seiner Funktion als Zentralstelle der deutschen Polizei und seiner Zuständigkeit für die internationale Zusammenarbeit im Fahndungsbereich eng und durchgängig begleitet worden. Insbesondere mit Blick auf weitgehend offener Grenzen in Europa, die zunehmender Internationalisierung und Digitalisierung von Kriminalität erlange das zunehmende Bedeutung. Der Ansatz, das Fernsehpublikum und damit die breite Öffentlichkeit mit dem Aufruf „Die Kriminalpolizei bittet um Mithilfe“ in die Aufklärung von Kriminalfällen bei ausgewählten Fahndungen einzubeziehen, könne für die damalige Zeit zweifellos als bahnbrechende Pionierarbeit bezeichnet werden. Die Sendung „Aktenzeichen XY… ungelöst“ sei, so Münch, zu einem festen Bestandteil der Öffentlichkeitsfahndung8 der deutschen Polizeien geworden. Informationen zu in der Sendung ausgestrahlten Fahndungsfällen würden polizeiintern bundesweit verbreitet, um eine ausreichende Informationslage für die Entgegennahme von Hinweisen zu gewährleisten.

6 Die Moderatoren

Von 1967 bis 1997 moderiert Eduard Zimmermann „Aktenzeichen XY … ungelöst“. Nach 300 Sendungen übergab er die Moderation an Dr. Butz Peters. Seine Tochter, Sabine Zimmermann blieb bis 2001 Co-Moderatorin. Bis 2003 wird die Sendung auch durch das Österreichische Fernsehen ORF übertragen. Moderatoren waren Teddy Podgorski und Peter Nidetzky. Von 1976 bis 1998 moderierte zudem Konrad Toenz aus dem Studio in Zürich Kriminalfälle aus der Schweiz. Seit dem 18.1.2002 moderiert Rudi Cerne „Aktenzeichen“.

7 Kriminalisten als sachliche Berichterstatter

Neben der filmischen Aufbereitung von Fallkonstellationen, die sich durch Kommentierungen von klassischen Dramaturgien von Kriminalfilmen unterscheiden und die dadurch bereits auf die sich anschließenden Kurzinterviews mit ermittelnden Kriminalbeamten hinführen, ist die Sendung vom Auftreten eben dieser Kriminalisten geprägt. Ihnen obliegt die Aufgabe, die Mithilfeersuchen aus fachlicher Perspektive zu vermitteln, etwa bisherige Ermittlungsergebnisse darzustellen, Beweismittel, Erkenntnisse zu Modi Operandi, Tatwerkzeugen, Diebesgut und deren Bedeutung für den potenziellen Mitfahnder zu erläutern; eine anspruchsvolle Aufgabe, deren Umsetzung meist gut gelingt.