Editorial

Liebe Leserinnen, lieber Leser,


die aktuelle Flüchtlingsproblematik hält nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche in Atem. Für Kommunen, Länder und Bund zeigen sich erhebliche finanzielle, organisatorische, aber auch gesellschaftliche Belastungen. Auch die Innere Sicherheit gerät mehr und mehr in den Blickpunkt. Seit Jahren sind die meisten Kriminalitätsphänomene durch Internationalisierung, Digitalisierung und Dynamisierung gekennzeichnet. Zur Internetkriminalität, Islamismus, Rechtsextremismus, Rockerproblematik oder organisierten Wohnungseinbrüche sind eine Reihe von Begleiterscheinungen der Flüchtlingsproblematik hinzugekommen. Schleuserkriminalität, ethnische Konflikte und Infiltration durch islamistische Gewalttäter sind nur einige konkrete Beispiele für diese Entwicklung. In diesem Zusammenhang richtet der ehemalige Präsident eines Grenzschutzpräsidiums, Bernd Walter, mit seinem Beitrag „Irreguläre Migration und Schleusungskriminalität – die unheilvolle Allianz“ den Blick auf ein spezielles Problem. Es ist nahezu ein Euphemismus, die derzeitigen Verwerfungen in Europa als Folge eines unkontrollierten Migrantenzustroms lediglich als Flüchtlingskrise zu bezeichnen, leitet er ein. Vielmehr sei es eine politische Krise der Europäischen Union, wenn nicht sogar des gesamten Weltordnungssystems, zumal alle großen internationalen Organisationen für einen langen Zeitraum mit steigenden Flüchtlingszahlen rechnen. Weltbank und Internationaler Währungsfond prognostizieren Massenmigration als Dauerphänomen. Deutschland als Hauptzielland steht vor Herausforderungen, deren mögliche krisenhafte Dimensionen sich noch gar nicht abschätzen lassen. Und der Druck steigt. Erste Ermittlungsergebnisse deuten darauf hin, dass einige Schleusergruppierungen den islamischen Terrorismus finanzieren. Bei den Schleusergruppierungen handelt es sich meistens um lose dezentrale Netzwerke innerhalb sich abschottender ethnischer Gruppen, die sich vernetzen und deliktsübergreifend inter- und transnational agieren. Gleichwohl verfügen sie über eine hochdifferenzierte Logistik, leistungsfähige Kommunikationsmittel und ein weitgespanntes Netz korrumpierter Mittelsmänner und Kontaktleute. Die Fortschreibung des Programms Innere Sicherheit für Deutschland hat zwar zutreffend festgestellt, dass angesichts offener Grenzen auch künftig ein wesentlicher Augenmerk auf den internationalen Terrorismus, die grenzüberscheitende Kriminalität sowie die illegale Migration und die damit einhergehenden Kriminalitätsfelder zu richten ist. Die derzeitige sogenannte Flüchtlingskrise zeigt jedoch, dass abermals die Realität die Theorie blamiert hat, stellt Walter fest.

Entgegen dem Votum polizeilicher Fachgremien, wurde der erkannte Handlungsbedarf bislang zu wenig berücksichtigt. Im gleichen Atemzug wurde die Leistungsfähigkeit der Sicherheitsbehörden in den zurückliegenden Jahren durch massive Einsparungen in unverantwortlicher Weise deutlich beeinträchtigt. Die Belastungsgrenzen der Kolleginnen und Kollegen sind durch die aktuelle Entwicklung zum Teil bereits überschritten. Nahezu zwangsläufig haben die in weiten Teilen überzogenen Sparauflagen der vergangenen Jahre auch die Sicherheitslage überaus negativ beeinflusst. Wenn derzeit mit erheblichem Aufwand Aufnahmeeinrichtungen geschützt oder Gewaltexzesse verhindert werden müssen, fehlen die Kolleginnen und Kollegen naturgemäß in anderen Bereichen. Wir ziehen bekanntlich an einem Tischtuch, das sich nicht beliebig und vor allem nicht kurzfristig vergrößern lässt. Die Entwicklung zeigt deutlich, dass die Innere Sicherheit als ein Kernbereich der Daseinsvorsorge für Finanzsanierer denkbar ungeeignete ist. Selbst ein erkennbares Umdenken einer Reihe politischer Entscheidungsträger kommt zumeist zu spät und wird erst mittelfristig Effekte erzielen können. Die menschenverachtende Fanaltat vom 13. November in Paris verdeutlicht auf brutale Weise einmal mehr den dringenden politischen Handlungsbedarf.

Herbert Klein