Im Dienst erlittene Traumata sind eindeutig eine Berufskrankheit
Von Gudrun Hoffmann, Gewerkschaftssekretärin beim Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei
GdP: PTBS-Betroffene kämpfen mit hohen dienstrechtlichen Hürden
Angesichts psychisch massiv belastender Einsatzsituationen fordert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) durchgreifende dienstrechtliche Verbesserungen für an posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) erkrankten Polizeibeschäftigten. Betroffene würden häufig durch den komplizierten, problematischen und langwierigen Prozess der Anerkennung von PTBS als Dienstunfall zusätzlich in Mitleidenschaft gezogen, erklärte der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke.
Die GdP habe in Briefen an das Bundesinnenministerium und die Innenministerkonferenz auf die missliche Lage ihrer erkrankten Kolleginnen und Kollegen hingewiesen und dringende Korrekturen angemahnt.
So hält die GdP Regelungen aus dem Soldatenversorgungsgesetz für beispielhaft. Seit 2012 seien Soldatinnen und Soldaten in Auslandsverwendungen mit PTBS in Verbindung mit der Einsatzunfallverordnung dienstunfallrechtlich abgesichert. Nachzuweisen ist, dass Betroffene in den letzten fünf Jahren an traumatisierenden Ereignissen beteiligt gewesen waren. Dies gelte auch dann, wenn nicht genau festzustellen sei, welches von mehreren traumatisierenden Ereignissen der Hauptauslöser der PTBS-Erkrankung war.
Kopelke: „Polizistinnen und Polizisten müssen nicht erst im Ausland gewesen sein, um schockierende, in Mark und Bein gehende Situationen zu erleben. Terroreinsatzlagen mit Toten und Verletzten, zerstückelte Bahnleichen oder fassungslos machende Erfahrungen bei der stundenlangen Sichtung von kinderpornographischem Beweismaterial sind da nur Beispiele. Wenn neben Mark und Bein noch die Psyche betroffen ist, wird es für unsere Kolleginnen und Kollegen deutlich schwieriger, Ansprüche geltend zu machen. Das muss ein schnelles Ende haben.“
Kopelke monierte, dass in den Polizeien zu wenige Daten über von PTBS betroffene Kolleginnen und Kollegen vorlägen. Zudem werde ein großes Dunkelfeld vermutet, da Kolleginnen und Kollegen ihr Berufsethos oft über die eigene Gesundheit stellten.
Aus Sicht der GdP sei das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 22. Juni 2023 ein gehöriger Wink mit dem Zaunpfahl. „Für das Gericht ist es offensichtlich, dass PTBS eine Berufskrankheit darstellt. Die Einsatzbelastung bei Rettungskräften ist mit Sicherheit den Belastungen vergleichbar, denen Polizeibeschäftigte in vielen Einsätzen ausgesetzt sind“, verdeutlichte Kopelke. Also gehöre PTBS schnell in die Berufskrankheitenverordnung.
Ein Beispielfall:
Betroffener ist ein Kriminalhauptkommisar (KHK), seit circa zehn Jahren als Sachbearbeiter vorwiegend mit Todesermittlungen bei nicht natürlichen (Mord, Totschlag, tödliche Betriebsunfälle, Suizide) und nicht aufgeklärten Todesursachen betraut. Dabei war er besonderen Belastungen ausgesetzt, darunter insbesondere der Kontakt zu leidenden Angehörigen, die Betroffenheit beim Tode von Kindern und die Arbeit an Leichen. Die ständige psychische Konfrontation mit Eindrücken der Zerstörung, der Verwesung und völligen Entstellung menschlicher Gesichter, dem unaussprechlichen Leid der Angehörigen waren die zentralen Belastungsfaktoren.
Diagnostiziert wurde PTBS. Laut medizinischem Gutachten besteht das Trauma in der zehnjährigen Tätigkeit als Tötungssachbearbeiter bei der Kriminalpolizei. Medizinisch gesehen sei die Kausalität zwischen der jahrelangen emotionalen Belastung und der Krankheit sehr deutlich. Die Crux: Einem einmaligen Ereignis kann die Erkrankung jedoch nicht zugerechnet werden.
Deshalb wurde ein Dienstunfall seitens des Gerichtes nicht anerkannt, so dass auch keine Dienstunfallleistungen gewährt wurde. Laut Gericht fehlt es an einem plötzlichen, örtlich und zeitlich bestimmbaren, die Gesundheitseinbuße verursachenden Ereignis. Beim KHK war es eben nicht das Einzelereignis der Konfrontation mit dem Tod von Menschen oder der Trauer und Verzweiflung von Hinterbliebenen, das ein solches posttraumatisches Belastungssyndrom ausgelöst oder hervorrufen hat und auch nicht eine örtlich und zeitlich jeweils festlegbare bestimmte Vielzahl solcher Ereignisse, die diese Erkrankung hervorrufen hat, sondern die immer wieder vorgekommene Konfrontation mit den verschiedensten Eindrücken vom Tod anderer Menschen und der Aufnahme dieses Faktums durch die hinterbliebenen Verwandten, haben zu dem Erkrankungsbild geführt.
Mangels Aufführung einer PTBS in der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung zur Durchführung des § 31 Abs. 3 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) des Bundes scheidet auch die Anerkennung der PTBS als Berufskrankheit und damit als Dienstunfall im Sinn der §§ 30 ff. BeamtVG aus.
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