Recht und Justiz

Die Strafbarkeit von Mitgliedern der „Letzten Generation“

Von Prof. Dr. Dennis Bock und Benjamin Mischke, Kiel


2.1.3 Hausfriedensbruch gem. § 123 StGB


Sofern bei den Protestaktionen ohne Einverständnis des Berechtigten fremde Grundstücke betreten werden,36 liegt ein Hausfriedensbruch gem. § 123 StGB vor. Da an den Protestaktionen mehrere Mitglieder beteiligt sind, ist regelmäßig ein mittäterschaftliches Handeln gem. § 25 II StGB gegeben. Ein schwerer Hausfriedensbruch gem. § 124 StGB kommt hingegen nicht in Betracht, da es sich bei den Aktivisten um keine Menschenmenge handelt, die sich öffentlich zusammengerottet hat.37


2.1.4 Behinderung von Rettungskräften gem. § 323c II StGB


Des Weiteren kommt eine Strafbarkeit nach § 323c II StGB in Betracht, wenn es durch eine Straßenblockade zu einer Behinderung von hilfeleistenden Personen, meist Rettungswagen oder Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr und der Polizei, kommt. Häufig dürfte in einem solchen Fall aber der Vorsatz der Aktivisten fehlen, sodass eine Strafbarkeit nach § 323c II StGB nicht in Betracht kommt.


2.1.5 Strafbarkeit nach §§ 229, 222 StGB


Eine mögliche Fahrlässigkeitsstrafbarkeit gem. § 229 bzw. § 222 StGB besteht, wenn es zu einem Körperverletzungs- oder Todeserfolg kommt, der auf die Blockade einer hilfswilligen Person durch die Aktivisten kausal und objektiv zurechenbar zurückzuführen ist.


2.2 Strafbarkeit der Mitgliedschaft nach § 129 I 1 StGB


Nach § 129 I 1 StGB macht sich strafbar, wer eine Vereinigung, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gewisser Schwere gerichtet ist, gründet oder sich an ihr als Mitglied beteiligt.


2.2.1 Vereinigung


Nach der Legaldefinition des § 129 II StGB38 ist eine Vereinigung ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.


Bei der LG handelt es sich um einen Zusammenschluss von deutlich mehr als der benötigten zwei Personen. Das übergeordnete gemeinsame Interesse besteht darin, mehr Klimaschutz durch die deutsche Politik zu erreichen. Um dieses Ziel zu verwirklichen, bedarf es einer fortdauernden Tätigkeit,39 sodass von einem nur vorübergehenden Bestehen keine Rede sein kann – es handelt sich um einen auf Dauer angelegten Zusammenschluss. Ausweislich der erheblichen Online-Präsenz und des strukturierten Ablaufs der Protestaktionen ist auch von einer Organisation des Zusammenschlusses auszugehen. Mithin bildet die LG eine Vereinigung i.S.d. § 129 StGB.


2.2.2 Gründen oder als Mitglied beteiligen


Eine kriminelle Vereinigung gründet, wer eine solche neu bildet oder eine bereits bestehende legale Vereinigung in eine kriminelle umwandelt.40 Unklar ist, ob eine Neubildung oder eine Umwandlung erfolgt ist. Wer allerdings an diesen konstituierenden Sitzungen mitgewirkt hat, ist Gründer der Vereinigung.


Eine mitgliedschaftliche Beteiligung erfordert nach Ansicht des BGH41 eine gewisse formale Eingliederung in die Organisation sowie eine Förderung der kriminellen Aktivitäten aus der Organisation heraus. Ferner muss der Täter eine Stellung einnehmen, die seine Zugehörigkeit zur Organisation erkennen lässt. Schließlich darf die mitgliedschaftliche Betätigung nur mit Zustimmung der Vereinigung erfolgen.


Es ist davon auszugehen, dass es zwar keine regelhaften Aufnahmeabläufe gibt, mit denen man Mitglied der LG werden kann, jedoch ist mit der Einbindung in die Planung der Protestaktionen von einer hinreichenden Eingliederung auszugehen, was ebenfalls eine Förderung der Aktivität von innen darstellt; spätestens dann, wenn eine Beteiligung am Protest erfolgt. Zu letztgenanntem Zeitpunkt wird auch die Zugehörigkeit zur Gruppe nach außen hin erkennbar. Von einer Beteiligung von Personen ohne Zustimmung der Vereinigung ist mitunter nicht auszugehen.


2.2.3 Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet


Die Straftaten, deren Begehung die Tätigkeit oder den Zweck einer kriminellen Vereinigung darstellen, müssen solche sein, die im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren oder mehr bedroht sind. Das sind bis auf einige Ausnahmen nahezu alle Straftatbestände, so auch § 240 StGB, dessen Höchststrafe bei drei Jahren liegt. Hingegen scheidet eine Vereinigung, die lediglich Hausfriedensbrüche begeht, aus § 129 StGB aus, da § 123 StGB eine Höchststrafe von einem Jahr ausweist. Ebenso verhält es sich mit § 323c II StGB.


Fraglich ist, ob der Zweck der LG in der Begehung von Straftaten liegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Organisation nach dem Willen der für ihre Willensbildung maßgeblichen Personen das Ziel verfolgt, strafbare Handlungen zu begehen und wenn sie deshalb auch ihrer inneren Struktur nach zweckrational daraufhin angelegt sind.42 Es muss das verbindlich festgelegte gemeinsame Ziel der Vereinigung sein, Straftaten zu begehen.43


Zweifelsohne kommt es durch die Mitglieder der LG zur Begehung diverser Straftaten. Diese stellen allerdings nicht das Endziel dar, da es sich bei der LG um eine Vereinigung handelt, die mit ihren Protestaktionen auf die drohende Klimakrise aufmerksam machen und die Politik zum Handeln auffordern will. Die Begehung von Straftaten stellt daher lediglich einen – aus Sicht der Mitglieder – notwendigen Zwischenschritt dar, um besagten politischen Zweck zu erreichen. Die Vereinigung besteht daher nicht um der Straftaten willen, sondern um des Klimaschutzes willen. Von einer Straftatbegehung als finale Zwecksetzung kann daher keine Rede sein.


Von einer entsprechenden Zwecksetzung ließe sich also nur sprechen, wenn man den Begriff „Zweck“ so versteht, dass auch die Mittel, die zur Erreichung des Zwecks eingesetzt werden, unter diesen Begriff gefasst werden. Dies entspricht allerdings nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch, der stets zwischen „Zweck“ und „Mittel zum Zweck“ differenziert. Ein Zweck ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nur als Endziel zu verstehen.


Nach Ansicht des BGH44 verhält es sich allerdings anders: Es genügt, wenn die Straftaten der Erreichung des weitergehenden Zwecks – hier des Klimaschutzes – dienen. Dies ist hier der Fall. Allerdings ist insbesondere mit Rücksicht auf den Schutzzweck des § 129 StGB festgestellt werden muss, dass der Tatbestand nicht das Bestehen weltanschaulich-ideologischer Gruppierungen verhindern möchte, sondern nur solche Vereinigungen, die von vornherein Straftaten begehen möchten, da nur so die erhöhte Gefährlichkeit von der Vereinigung ausgeht, die eine Strafbarkeit des bloßen Gründens bzw. der Mitgliedschaft in einer solchen Gruppe rechtfertigt.45 In diesem Kontext ist auch darauf hinzuweisen, dass die Begehung von Straftaten zur Erreichung eines erweiterten Klimaschutzes keine unmittelbare Vorbereitungshandlung darstellen kann. Es ist daher davon auszugehen, dass der Zweck der Vereinigung LG nicht auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist.


Auf das Merkmal der Tätigkeit lassen sich die zum Zweck getätigten Aussagen wiederholen. Die Tätigkeit ist nicht auf die Begehung von Straftaten gerichtet, sondern darauf, auf die drohende Klimakrise aufmerksam zu machen.


2.2.4 Zwischenergebnis


Der Tatbestand des § 129 I 1 StGB ist nicht erfüllt. Die Mitglieder der LG machen sich nicht gem. § 129 StGB strafbar, da es sich zwar um eine Vereinigung, allerdings um keine kriminelle Vereinigung handelt.

2.3 Strafbarkeit der Unterstützung durch Spenden gem. § 129 I 2 Var. 1 StGB

Sofern man annimmt, dass eine Strafbarkeit nach § 129 I 1 Var. 2 StGB vorliegt, stellt das Unterstützen der LG mittels Spenden eine Unterstützung gem. § 129 I 2 Var. 1 StGB dar46 und ist strafbar. Sollte man gegenteiliger Auffassung sein, besteht eine solche Strafbarkeit mangels Existenz einer kriminellen Vereinigung hingegen nicht.