Wissenschaft  und Forschung

Die Klimaschutzbewegung und der Linksextremismus 2.0

Von Dr. Udo Baron, Hannover

 

1 Einleitung

 

Der Klimaschutz ist ein Thema, das die Menschen weltweit bis in die Mitte der Gesellschaft bewegt. Um der globalen Erderwärmung und ihren Folgen entgegenzuwirken, hat sich in den letzten Jahren eine international agierende Klimaschutzbewegung formiert. Sie will den Druck auf die nationalen Regierungen erhöhen damit diese bis 2030 aus der Nutzung fossiler Energieträger aussteigen, um so die globale Erderwärmung noch auf deutlich unter Zwei-Grad zu begrenzen. Mit zahlreichen Protestaktionen versucht in jüngster Zeit vor allem die „Letzte Generation“ (LG) den umgehenden Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien zu erzwingen.


Die Proteste der Klimaschutzbewegung zeigen aber, dass nicht nur Demokraten, sondern auch Linksextremisten versuchen, diese Bewegung für ihre Interessen zu vereinnahmen. So rufen neben demokratischen auch linksextremistische Parteien, Organisationen und Gruppierungen zur Teilnahme an den Klimaprotesten auf. In meinem Artikel „System Change not Climate Change“ in der „Kriminalpolizei“ Nr. 2/2020 bin ich diesen linksextremistischen Einflussversuchen auf die zum damaligen Zeitpunkt noch junge Klimaschutzbewegung nachgegangen.2 Vor dem Hintergrund der zwischen 2020 und 2022 das Weltgeschehen bestimmenden Corona-Pandemie und des seit dem 24. Februar 2022 andauernden russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hat das Thema Klimaschutz zeitweise an Aufmerksamkeit verloren. In dieser Phase sind neue Gruppierungen entstanden, manche haben an Bedeutung gewonnen, andere verloren. Doch veränderten sich auch die Einflussversuche von Linksextremisten auf die Klimaschutzbewegung? Wer sind im Jahre 2023 die Akteure, wer sind die Objekte der linksextremistischen Einflussnahme? Welche Auswirkungen haben diese Einflussversuche? Welche Rolle spielen vor allem „Ende Gelände“ (EG) und die LG innerhalb der Klimaschutzbewegung? Ist eine Radikalisierung innerhalb der Klimaschutzbewegung auch ohne linksextremistischen Einfluss möglich? Diesen Fragen möchte ich im folgenden Beitrag nachgehen.

 

2 Veränderungen der linksextremistischen Einflussversuche auf die Klimaschutzbewegung


Konnte die Klimaschutzbewegung bis zur Corona-Pandemie zigtausende Menschen für ihre Aktionen mobilisieren, so verdrängten sie die pandemiebedingten Einschränkungen von Grundrechten wie dem Demonstrationsrecht weitgehend von der Straße. Vor allem „Friday´s for Future“ (FFF) als zentraler Organisator der Klimaproteste verlor seit Ausbruch der Pandemie deutlich an öffentlichem Zulauf und Aufmerksamkeit.3 Aus diesem Grunde hat auch das Interesse von Linksextremisten an der Klimaschutzbewegung im Allgemeinen und an FFF im Besonderen nachgelassen. Für die geschulten Marxisten-Leninisten der „Deutschen Kommunistischen Partei“ (DKP) war der Klima- und Umweltschutz im Gegensatz zum marxistischen Hauptwiderspruch, der Ausbeutung des Arbeiters durch den Kapitalisten, stets nur ein Nebenwiderspruch. Manches DKP-Mitglied betrachtete die Klimaschutzbewegung als „bürgerlich unterwandert“.4 Im Gegensatz zur DKP ist für die „Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands“ (MLPD) die „Umweltfrage […] zur Systemfrage, zu einer zentralen Frage des Klassenkampfs und der Vorbereitung und Durchführung der internationalen sozialistischen Revolution“ geworden.5 Aufgrund ihres Dogmatismus ist sie aber in der Klimaschutzbewegung äußerst unbeliebt und konnte z.T. nur auf dem Klageweg ihre Teilnahme mit ihren Parteisymbolen an den Klimaprotesten erstreiten.6 Auch die ihr nahestehende „Umweltgewerkschaft“ hat bislang keinerlei wahrnehmbaren Einfluss auf die Klimaschutzbewegung entfalten können. Zwar gründeten im März 2019 die der MLPD nahestehende Jugendorganisation „Rebell“ und die der trotzkistischen Gruppe „ArbeiterInnenmacht“ (GAM) nahestehende gewaltorientierte Jugendorganisation „Revolution“ (REVO) innerhalb von FFF eine „antikapitalistische Plattform“ namens „Change for Future“ (CFF), um innerhalb der Klimaschutzbewegung „der Kapitalismuskritik mehr Gehör zu verschaffen“ und die „Antikapitalisten“ innerhalb von FFF zu vernetzen.7 Doch war dieser Plattform von Beginn an wenig Erfolg beschieden. Mittlerweile ist sie nahezu in der Bedeutungslosigkeit versunken und spielt innerhalb von FFF kaum mehr eine Rolle. Auch ihr Twitter-Account8 und ihre Website scheinen inaktiv zu sein.9 War der Einfluss von DKP und MLPD auf die Klimaschutzbewegung von Beginn an eher gering, so übte die Autonome Szene, insbesondere die Postautonomen in Gestalt der „Interventionistischen Linke“ (IL), durchaus spürbaren Einfluss vor allem auf FFF aus. So haben Akteure der IL z.B. in Hannover gemeinsam mit FFF an den Klimastreiktag 2019 mit einem Transparent unter dem Motto „Systemwandel statt Klimawandel!“ teilgenommen und damit deutlich gemacht, dass für sie konsequenter Klimaschutz nur möglich ist, wenn der Kapitalismus und der ihn nach ihrer Auffassung schützende demokratische Rechtsstaat überwunden sind.10 Mittlerweile befindet sich die IL in einer Krise. Ihr sog. Zwischenstandspapier aus dem Jahre 2014 – ihr programmatisches Grundsatzpapier – ist bis heute noch nicht erkennbar weiterentwickelt worden. Stieg bislang die Anzahl ihrer Ortsgruppen über die Jahre kontinuierlich an, so muss die IL mit dem Ausscheiden der Ortsgruppen Freiburg, Heilbronn, Kassel, München und Münster heftige Kritik einstecken und einen nicht unerheblichen personellen Aderlass verkraften.11 In ihrer Austrittserklärung übt z.B. die IL-Ortsgruppe Münster massive Kritik an der IL: „Wir wollten eine Organisierung neuen Typs und haben eine Organisation bekommen, die ihre Politik eher als Verwaltung denn als Suche nach radikalen Antworten versteht.“12 Es bleibt abzuwarten, wie die IL mit dieser Entwicklung umgeht, insbesondere, ob und wie sie politisch auf die an ihr geäußerte Kritik reagiert.

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