Recht und Justiz

Der Verdeckte Ermittler im LVwG SH

Eine überzeugende Ergänzung?

 

3 Problematik des Einsatzes in Wohnungen


In § 185 Abs. 4 LVwG SH werden Einzelheiten zum Einsatz von VE näher ausgestaltet. So dürfen für den Aufbau bzw. die Aufrechterhaltung der Legende eines VE Urkunden ausgestellt, verändert und gebraucht werden, wenn es für den Einsatz unerlässlich ist. Auch darf der VE unter der Legende (z.B. mit diesen Urkunden) am Rechtsverkehr teilnehmen.

Ihm wird außerdem gestattet, unter der Legende Wohnungen zu betreten, solange er das Einverständnis des Berechtigten hat und er das Zutrittsrecht nicht über eine Täuschung, die über die Legende hinausgeht, erhalten hat.14

Ob aus der Ermächtigung des Betretens von Wohnungen auch die Erlaubnis zur Datenerhebung in der betretenen Wohnung folgt, ist nicht vollends ersichtlich und kann in der praktischen Umsetzung rechtliche Unsicherheiten bergen. Gerade in einem geschützten, nicht-öffentlichen Umfeld wie der eigenen Wohnung können dem VE unter Umständen Informationen anvertraut werden, die er ansonsten an anderen Orten nicht erhalten würden. Eine Aussparung von Wohnung beim Einsatz von VE wäre daher vollkommen lebensfremd.

Doch auch wenn unter teleologischen Gesichtspunkten die konkludente Erlaubnis zur Datenerhebung in Wohnungen unter den genannten Voraussetzungen angenommen werden kann,15 würde hier eine Klarstellung ein deutliches Mehr an Rechtssicherheit bringen. Insbesondere vor dem systematischen Hintergrund, dass im vorangestellten Absatz 3 explizit die Datenerhebung mit den Mitteln aus § 185 Abs. 1 LVwG SH (zu denen eben auch der Einsatz von VE zählt) behandelt wird und die Eingriffsschwelle für diese Fälle deutlich erhöht wird, wäre ein Hinweis über die Nicht-Anwendung des § 185 Abs. 3 LVwG SH für den VE wünschenswert gewesen.

 

4 Systematik, Anordnungskompetenz


Aus systematischer Betrachtung wäre auch insgesamt (unabhängig von dem Problem der Datenerhebung in Wohnungen) die Einfügung einer eigenständigen Norm für den Einsatz von VE statt einer Integration in den § 185 LVwG SH klarer gewesen.

Die Mehrzahl der anderen Bundesländer16 hat die Ermächtigungsgrundlage entweder in einer eigenen Norm gefasst oder zumindest eine gemeinsame Norm mit dem Einsatz von VP geschaffen, womit der Maßnahme des VE-Einsatzes als komplexes, wichtiges Mittel der verdeckten Datenerhebungen Rechnung getragen werden kann. Die Einführung einer eigenständigen Bestimmung hat der schleswig-holsteinische Gesetzgeber im Rahmen der Novellierung aber lediglich mit dem Einsatz von VP vollzogen, welcher nun in § 185c LVwG SH geregelt wird. Unter anderem als Ausfluss aus dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags zum „Subway-Verfahren“ wurden hier insbesondere die Voraussetzungen und Verfahrensweisen zur Anwerbung, der Dokumentation und justiziellen Kontrolle in bisher nicht dagewesenem Umfang ausgestaltet.17

Angesichts gleicher Eingriffsschwelle, gleicher Anordnungskompetenz und ähnlicher Verfahrensweisen in der Umsetzung erscheint es umso weniger nachvollziehbar, dass nicht auch für den Einsatz von VE eine eigene Norm (oder zumindest eine gemeinsame Bestimmung mit dem Einsatz von VP) geschaffen wurde. An dieser Stelle wurde eine wichtige Chance verpasst, auf systematische Weise zwei wesensverwandte Maßnahmen sinnvoll miteinander zu kombinieren und widerspruchsfrei in die Reihe der anderen verdeckten Maßnahmen einzugliedern.

Der Einsatz des VE steht wiederum folgerichtig gem. § 186 Abs. 1 Nr. 4 LVwG SH unter Richtervorbehalt. Bei Gefahr im Verzug kann die Maßnahme auch durch die Leitung des Landespolizeiamts, Landeskriminalamts, Polizeidirektion oder einer besonders beauftragten Person angeordnet werden. Eine richterliche Bestätigung muss dann unverzüglich eingeholt werden, nach drei Tagen tritt ansonsten die polizeiliche Anordnung außer Kraft.

 


Besondere Protestform bei einer angezeigten/angemeldeten Versammlung.


Dies wird grundsätzlich der hohen Eingriffsintensität der Maßnahme18 gerecht, muss doch davon ausgegangen werden, dass dem VE im Zweifelsfall höchstpersönliche Lebenssachverhalte aus der Intim- und Privatsphäre im Vertrauen offenbart werden. Auch faktische Filter wie die Verschriftlichung durch den VE-Führer oder die Aufnahmefähigkeit des VE selbst können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Verantwortliche nach Bekanntwerden des Einsatzes oft einem massiven Vertrauensverlust ausgesetzt sieht, was oft langfristige Auswirkungen für den Verantwortlichen haben kann. Auch vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen mit verdeckt ermittelnden Angehörigen von Sicherheitsbehörden (u.a. den Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit in der Deutschen Demokratischen Republik) erscheint der Richtervorbehalt sowohl für den VE als auch für den Einsatz von VP angemessen.

Die Maßnahme kann gem. § 186 Abs. 3 LVwG SH auf höchstens sechs Monate befristet werden, danach muss ein Antrag auf Verlängerung erfolgen, andernfalls ist die Maßnahme zu beenden. Hier hat der Gesetzgeber erkannt, dass eine Differenzierung bei den Fristen der verdeckten Maßnahmen angezeigt ist, da der erfolgreiche Einsatz eines VE inklusive gründlicher Vorbereitung des Beamten deutlich zeitintensiver ist als beispielsweise eine Observation.19 Ob dabei sechs Monate ausreichend sind, kann strittig diskutiert werden, denn besonders bei im entsprechenden Milieu eingebundenen, konspirativ agierenden Verantwortlichen kann der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses mitunter Jahre dauern. Andererseits wird die Frist aber (auch im Vergleich mit den anderen verdeckten Maßnahmen) durchaus der hohen Eingriffsintensität gerecht und schützt den Bürger vor „jahrelangem Auskundschaften“ im Sinne einer „Geheimpolizei“.20

Die neu formulierten Dokumentationspflichten stellen hingegen eindeutig einen Gewinn im Sinne des Grundrechtsschutzes dar und bedienen das Urteil des BVerfG zum BKAG vollumfänglich.