Rechtssprechung

Strafrechtliche Rechtsprechungsübersicht

Wir bieten Ihnen einen Überblick über strafrechtliche Entscheidungen, welche überwiegend – jedoch nicht ausschließlich – für die kriminalpolizeiliche Arbeit von Bedeutung sind. Im Anschluss an eine Kurzdarstellung ist das Aktenzeichen zitiert, so dass eine Recherche möglich ist


Von EPHK & Ass. jur. Dirk Weingarten, Wiesbaden

 

I Materielles Strafrecht

 

§ 132a Abs. 1 Nr. 4 StGB – Mißbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen; hier: Tragen inländischer Uniform, Amtskleidung oder Amtsabzeichen mit der Aufschrift „Pozilei“. Der 43-jährige Angeklagte (A) befuhr zur Mittagszeit eine Straße mit seinem Pedelec. Hierbei trug er unter anderem eine dunkelblaue Hose und eine neonfarbene Jacke mit dunkelblauen Elementen, silberfarbenen Reflektorstreifen und der Aufschrift „POZILEI“ in großen, grau-silberfarbenen Druckbuchstaben. Er hielt an einer Kreuzung neben einem Auto an, klopfte gegen die Seitenscheibe der Fahrerin und äußerte seinen Unmut über deren vorangegangene Fahrweise. Dabei gab er sich nicht als Polizeibeamter aus, so dass ihm Amtsanmaßung nicht zur Last gelegt wurde.

Die Vorinstanz (LG) wertete das Verhalten als unbefugtes Tragen von Uniformen, für das es nach dem Gesetz bereits ausreicht, wenn eine zum Verwechseln ähnliche Uniform getragen wird. Eine ausreichende Ähnlichkeit zu einer Polizeiuniform bejahte das LG aufgrund des Gesamteindrucks in der konkreten Situation und des Aufdrucks „POZILEI“. Die Beschriftung mit diesem tatsächlich nicht existierenden Wort werde bei flüchtiger Betrachtung als „POLIZEI“ gelesen, da gegenüber diesem tatsächlich existierenden Wort lediglich zwei Buchstaben vertauscht seien. Genau hierauf ziele der „Buchstabensalat“ auch ab, so das LG. Dem steht das Tragen einer dunklen Hose oder Jeans nicht entgegen, wenn das gesamte Erscheinungsbild einen objektiven, nicht besonders sachkundigen und nicht genau prüfenden Beobachter zu der Annahme führe, dass es sich um eine Polizeiuniform handelt. Auch sei es unerheblich, dass die Zeugen hier letztlich doch bemerkten, keinen Polizeibeamten vor sich zu haben. Denn die Vorschrift solle schon vor der bloßen Gefahr von Verwechslungen schützen. (OLG Hamm, Beschl. v. 9.6.2022 – 4 RVs 62/2)


§ 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB – Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes; hier: Nicht öffentlich gesprochenes Wort; Personalienfeststellung durch die Polizei. Um eine gültige Coronabekämpfungsverordnung durchzusetzen und den Hinweisen auf Straftaten nachzugehen, kontrollierte die Polizei Personen. Während die Polizeibeamten die Personalien anwesender Personen feststellten, filmte die Angeklagte (A) den Polizeieinsatz mit ihrem Smartphone. Sie beschränkte sich hierbei darauf, den Boden zu filmen und insbesondere eine Tonaufnahme des Einsatzes zu fertigen. Über einen Zeitraum von 39:07 Minuten wurden jedoch von ihr sämtliche Gespräche aufgezeichnet, die im Rahmen der Personenkontrolle stattfanden. Trotz mehrfacher Aufforderung der Polizei, das Video zu löschen und die Aufnahme zu stoppen, filmte die A weiter und folgte den Polizeibeamten dabei. Sie erklärte hierbei mehrfach, keine Portraitaufnahmen zu machen. Die Sicherstellung des Handys wurde angeordnet und durchgesetzt.

Wird von der Personalienfeststellung durch Polizeibeamte anlässlich der Kontrolle einer Personenansammlung eine Audioaufnahme gefertigt, liegt die Annahme des Anfangsverdachts für ein gem. § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbares Vergehen der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes nahe. (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 30.6.2022 – 1 OLG 2 Ss 62/21)

 

 

II Prozessuales Strafrecht

 

§ 100a Abs. 1 S. 1 StPO – Telekommunikationsüberwachung; hier: WhatsApp-Überwachung; Umfang. Eine allgemeine richterliche Anordnung zur Überwachung und Aufzeichnung der über einen Mobilfunkanschluss abgewickelten („herkömmlichen“) Telekommunikation umfasst die spezifische WhatsApp-Überwachung (mittels einer internetbasierten Anwendung) nicht. Erforderlich ist vielmehr eine richterliche Entscheidung bei jedem Einsatz dieser operativen Maßnahme am Einzelfall. Das Gericht hat sich mit der Verhältnismäßigkeit dieser spezifischen Überwachungsmaßnahme auseinanderzusetzen.

Auch der Nachrichtenaustausch über internetbasierte Chat- und Messenger-Dienste ist Telekommunikation i.S.d. § 100a Abs. 1 S. 1 StPO. Grundsätzlich werden auch die gespeicherten Nachrichteninhalte und Daten erfasst, die bereits vor Erlass einer entsprechenden Anordnung versandt oder empfangen wurden. (BGH, Beschl. v. 9.7.2020 – 2 BGs 468/20)


§ 110 StPO – Durchsicht von Papieren und elektronischen Speichermedien; hier: Anwesenheitsrecht (der Verteidigung). Eine Durchsuchung des Arbeitsplatzes des Beschuldigten (B) wurde angeordnet. Die Durchsuchung fand statt, wobei unter anderem Daten vom Server und dem Arbeitsplatz des B gesichert und zur Durchsicht an die Amtsstelle mitgenommen wurden. Die erste Durchsicht der sichergestellten Daten erfolgte in Anwesenheit des Verfahrensbevollmächtigten des B. Zeitlich später teilte die Staatsanwaltschaft dem Rechtsanwalt mit, dass eine weitere Teilnahme an der Durchsicht insbesondere aus verfahrensökonomischen Gründen nicht mehr zugelassen werde.

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