Recht und Justiz

Dateneingriffe zur vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung

Teil 1

4.3 Einsatz gegen Hasskriminalität

Der Einsatzbereich der Online-Streife zur präventiven Kriminalitätsbekämpfung ist sicherlich begrenzt, doch kann die Maßnahme durchaus dort einen Erfolg erreichen, wo ein mahnendes Wort oder allein die Präsenz von Polizei seine Wirkung zeigt. In den vergangenen Jahren ist es nach Ansicht der Bundesregierung im Internet und insbesondere in den sozialen Netzwerken zunehmend zu einer Verrohung der Kommunikation gekommen.28 Diese Art der verbalen Entgleisung wird in seiner extremen Ausprägung auch als Hasskriminalität bezeichnet und allgemein als ein Teil der politisch motivierten Kriminalität verstanden.29 Um dieser effektiv begegnen zu können wurde das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität verabschiedet, welches zum 1. Januar 2021 in Kraft treten sollte. In dessen Entwurf wurde das Problem der Hasskriminalität ausführlich beschrieben: Im Internet werden gegenüber Personen – häufig solche, die als Repräsentanten für das Gemeinwesen tätig sind – vermehrt diffamierende Äußerungen oder Morddrohungen ausgesprochen oder zu Gewalt gegenüber diesen aufgerufen.30 Hier kann man die Chance sehen, dass im Bereich der Hasskriminalität die Online-Streife in sozialen Netzwerken frühzeitig eingreifen und Diskussionen durch gezielte Kommentare sowie das Zeigen von Präsenz einfangen kann, bevor die Nutzer und die Stimmung eskalieren. In Anbetracht der schon heute und in Zukunft noch wachsenden Menge von potentiell strafbaren Inhalten sind die Sicherheitsbehörden mit einer Herausforderung konfrontiert, die nicht nur die Polizeien der Länder, sondern auch die Staatsanwaltschaften und die Gerichte mehr als auslasten könnten, so der Präsident des Bundeskriminalamts Holger Münch.31 Um diesen Datenmengen Herr zu werden, bedarf es sicherlich leistungsfähiger Software, die mit Hilfe von lernenden Algorithmen und künstlicher Intelligenz die Sicherheitsbehörden bei ihrer Arbeit unterstützen. Manchmal genügt es aber auch schon Schlüsselfiguren zu identifizieren und „einzufangen“, um einen Erfolg zu verzeichnen. So hat eine durchgeführte Hasskommentaranalyse von insgesamt 14.000 Kommentaren u.a. ergeben, dass rund 50% der Hasskommentare von lediglich 5% der Accounts befeuert wurden. Hier könnte die Online-Streife im Sinne der aus anderen Bereichen bekannten Taktik der 100 Nadelstiche“ eine Möglichkeit darstellt, dem Phänomen der Hasskriminalität entgegen zu treten.

4.4 Sichtbarkeit der Online-Streife

Wenn die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten durch die Maßnahme der Online-Streife unterstützt werden soll, dann bedarf es im Sinne der Verhütung im Internet aber auch einer sichtbaren Polizeipräsenz, die in den kriminellen Milieus eine Verunsicherung weckt. Erst wenn diese nicht mehr das Gefühl der absoluten Überlegenheit haben, kann der Effekt eintreten, dass potentielle Täter nicht zu Tätern werden. Im digitalen Raum ist diese Sichtbarkeit ungleich schwerer zu bewerkstelligen, da die Erkennbarkeit als Polizeibeamter nicht so offensichtlich ist. Bisher werden in Deutschland mit der Polizeipräsenz im Internet primär zwei Ziele verfolgt: zum einen wird im Internet - nicht für jedermann ersichtlich – von Mitarbeitern der Polizei „gesurft“, um potentielle Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten ausfindig zu machen und zu ahnden, zum anderen werden mit Hilfe von Social-Media-Accounts der Polizei Informationen verbreitet. Zwar ist hier in Hinblick auf die Nutzung des Internets als Kommunikationsplattform eine positive Entwicklung zu verzeichnen, da die Anzahl der Accounts von rund 130 im Jahr 201632 auf 330 im Jahre 201833 gestiegen ist. Da dieses Medium in erster Linie aber für Kommunikationszwecke genutzt wird, dürfte ein Effekt im Sinne einer präventiven Gefahrenabwehr kaum gegeben sein. Ein weitaus besseren Wirkungsgrad kann das in Deutschland noch nicht sehr weit verbreitete Konzept des „digital community policing“ entwickeln, bei dem sich einzelne Polizeibeamte mit dienstlichen Accounts im Internet und speziell sozialen Netzwerken registrieren und dort Präsenz zeigen. Dadurch können sie mit dem Bürger in Kontakt treten, sind Ansprechpartner, bieten Präventionstipps oder geben Verhaltensanweisungen in konkreten Gefahrensituationen.34 In den Niederlanden waren 2018 bereits rund 3.400 Beamten als sogenannte „wijkagenten“ im Netz unterwegs und 2.200 hatten einen Twitter-Account,35 gegenwärtig hat beispielsweise Niedersachen – im Verhältnis ungefähr die Hälfte an Einwohnern und Polizisten – vergleichbare Accounts im niedrigen zweistelligen Bereich.36

 

5 (Zwischen)Fazit

 

Der Dateneingriff zur präventiven Kriminalitätsbekämpfung ist in der heutigen Zeit als polizeiliche Maßnahme nicht mehr wegzudenken. Sowohl für den Bürger als auch für den Polizeivollzugsbeamten muss der virtuelle Raum klar als ein Bereich anerkannt werden, in dem Gesetz und Ordnung genauso gelten, wie in der realen Welt. Die Online-Streife ist nur der erste Schritt in die digitale Welt, aber einer der konsequent und sichtbar begangen werden muss, um das darin innewohnende Potential auszuschöpfen. Die technische Entwicklung fordert hier jedoch ihren Tribut durch immer präziser zu formulierende Normen für Eingriffsmaßnahmen, um dem Bestimmtheitsgrundsatz gem. Art. 20 Abs. 3 GG zu entsprechen. Im zweiten Teil des Beitrags wird folglich ein Blick auf ausgewählte Spezialbefugnisse der Polizei für Standardmaßnahmen geworfen, um dabei speziell Entwicklungen der jüngsten Zeit zu betrachten. Den um in Deutschland und Europa einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu wahren, ist es auch in Hinblick auf die präventive Kriminalitätsbekämpfung Aufgabe der Sicherheitsbehörden vor die Lage zu kommen, denn auch hier gilt: „Stillstand ist Rückschritt.“37


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