Prävention

Prävention von sexualisierter Gewalt gegen Kinder

Schutzkonzepte allein sind zu wenig

 

6 Prävention als freiwillige Leistung der Länder und Kommunen?


Prävention ist Gefahrenabwehr, und Gefahrenabwehr ist laut Grundgesetz Ländersache. Da die Länder damit auch für die Kosten von Präventionsmaßnahmen aufzukommen haben und damit auf der Ebene darunter die Kommunen, lehnen es die Länder bis heute ab, Prävention zur staatlichen Pflichtaufgabe zu machen. Im Widerspruch hierzu ist im April 2018 in Deutschland die Istanbul-Konvention ratifiziert worden, die seitdem den Status eines verbindlichen Bundesgesetzes für Deutschland hat. Und hiernach ist die Prävention von (sexueller) Gewalt und der Opferschutz zumindest für Frauen und Kinder eine staatliche Pflichtaufgabe, die immer noch und dem Grunde nach rechtswidrig „umzudefinieren“ versucht wird.


Prävention als freiwillige Leistung erfolgt daher zu großen Teilen nach Kassenlage und über die Vergabe von Fördermitteln. Dabei wird gerade in Zeiten wirtschaftlicher Probleme vorrangig an der Prävention gespart, weil man die Auswirkungen oft nur mittelbar und zeitverzögert wahrnimmt und später die Zusammenhänge nicht mehr begreift oder ggf. auch besser bestreiten kann, obwohl gleichzeitig gerade in diesen Zeiten Prävention auf Grund von mehr Konfliktpotential und mehr Konflikten notwendiger denn je ist.


Ganz allgemein bedarf es mehr Stellen für hauptamtliche Präventionsarbeit bei der Polizei und in den Kommunen. Und es bedarf auskömmlicher Honorare für andere Akteure, die die Haupt- und auch Ehrenamtler hierbei unterstützen. In den Kassen von Ländern und Kommunen scheint man oft fälschlich davon auszugehen, dass die Akteure in der Prävention ohnehin ein Haupt-Einkommen haben und dass die Honorare daher entsprechend niedrig sein können. Wer jedoch von derartigen Aktivitäten leben muss, hat seine Einkünfte zu versteuern, er bedarf einer Krankenversicherung und hat weitere Sozialabgaben zu leisten und er hat derartige Aufträge nicht täglich. Hier sollte zumindest zwischen Neben- und Ehrenamtlern und eben den Akteuren differenziert werden, wenn man denn die Auffassung teilt, dass es ohne sie nicht geht. Dabei sind sie immer noch deutlich kostengünstiger als neue zusätzliche Dienstposten für hauptamtlich Tätige, was sich die Haushaltsverantwortlichen bewusst machen sollten.

 

7 Effizienzmessung?


Besonders wichtig ist eine objektivere Effizienzmessung, um vorhandene Ressourcen ggf. anders verteilen und einsetzen zu können als bisher. Derzeit werden nicht selten diejenigen, die bei freien Trägern im Auftrag des Jugendamtes Hilfen zur Erziehung leisten, befragt, inwieweit diese Leistungen erfolgreich waren oder nicht. Welches Motiv sollten sie haben, festzustellen, dass ihre Leistungen als nicht erfolgreich/erforderlich einzustufen sind? Leistungen, die ihnen ihren in aller Regel befristeten Arbeitsplatz erhalten? Es bedarf daher objektiver, einfacher wie unbürokratischer Erfolgsmessungen durch diejenigen, die die Leistung in Auftrag gaben und nicht durch die zu Überprüfenden selbst. Dies soll jedoch auf keinen Fall bedeuten, dass wie schon so oft und falsch die Betriebswirtschaftlichkeit die Fachlichkeit der Experten dominieren darf.

 

8 Aufklärungsbedarfe


Kindern sollte bereits vor ihrer Schulzeit so früh wie möglich altersangemessen ein „gesundes“ Körperbewusstsein vermittelt werden sowohl von ihren Eltern als auch in den Kitas und später in der Schule. Hierzu gehört auch das Recht, über den eigenen Körper selber bestimmen, Grenzen setzen zu dürfen – auch gegenüber den Eltern und Verwandten. Kinder, die dies verinnerlicht haben, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eher bereit sein, Grenzen anderer Kinder und Jugendlicher zu respektieren und nicht übergriffig werden. Und Pädosexuelle, die ja dem Grunde nach eine (auch sexuelle) Beziehung zu einem Kind anstreben, lassen sich nach berichteten Erfahrungen durch ein entschlossenes „Nein!“ des in Frage kommenden Kindes nicht selten von beabsichtigten Übergriffen abhalten.


Aufklärung ist keine einmalige Veranstaltung, sondern hat ein die Kinder und Jugendlichen begleitender nachhaltiger Prozess zu sein. Dies kann und sollte Eltern, Erziehern, Lehrern und insbesondere auch den Kindern (in altersangemessener Sprache und Form) vermittelt werden im Unterricht, da wo es passt, den Unterricht begleitend, wo es passt und geboten ist. Es geht darum, ihnen eine diesbezügliche Haltung zu vermitteln, um Respekt den Mitschülern und anderen Menschen gegenüber, weil sie gelernt haben, selber Respekt erwarten und einfordern zu dürfen. Es sei daran erinnert, dass knapp jeder dritte Fall sexualisierter Gewalt gegen Kinder von Kindern und Jugendlichen begangen wird. Eine die Kinder und Jugendlichen abholende und begleitende Sexualaufklärung dürfte eine ganz wichtige Stellschraube sein, die ins Hellfeld gelangten Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik tatsächlich zu senken.

 

9 Schluss


Nirgendwo im Kinderschutz gibt es eine Lösung für alle und alles. Jeder kann immer nur Teilbeiträge leisten, dies sollte sie oder er dann aber an ihrem bzw. seinem jeweiligen Platz zu 100% tun. Und es wird auch immer wieder Schwachstellen und Fehler geben. Nur wer nichts tut, scheint keine Fehler begehen zu können, doch dies wäre in jedem Fall der größte Fehler. Schutzkonzepte sind gut und wichtig. Aber sie bleiben wirkungslose „Papiertiger“, wenn sie nicht mit Leben erfüllt und tatsächlich gelebt werden. Hierzu bedarf es Menschen, die dies tagtäglich und ggf. auch gegen Desinteresse und Widerstand immer wieder tun. Diese Menschen bedürfen der Unterstützung, vor allen Dingen auch die der Entscheider über ihnen.


Bildrechte: Josefine Barbaric.

 

Anmerkung


* Rainer Becker ist Polizeidirektor a.D. und Ehrenvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe – Die ständige Kindervertretung e.V.

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