Kriminalitätsbekämpfung

Vom Überwinden des Profilzylinderschlosses

Von ORR Ass. jur. Frank Grantz, Altenholz



Als „intelligentes“ Schlossöffnen wird auch das sog. „Lock-Picking“ bezeichnet, was gerne auch in Kriminalfilmen (in der Regel allerdings falsch) gezeigt wird. Es handelt sich hierbei um eine Manipulation der Kern- und Gehäusestifte durch die Anwendung von Spannern und speziell geformten Werkzeugen („Picks“). Zunächst wird der Spannschlüssel in den Schlüsseleingang geführt und der Zylinder ein Stück nach links oder rechts (abhängig von der Richtung, in der sich das Schloss öffnet) gedreht. Durch diesen Druck bleiben die Stifte stecken. Sie fallen also nicht in ihre alte Position zurück. Mit dem Hook-Pick dringt man nun in den Schlüsselkanal des Schlosskerns ein und drückt die darin enthaltenen Stifte hinunter (das sog. „Setzen“), wofür im Normalfall die Vertiefungen auf der gezackten Seite eines Schlüssels sorgen. Um den Kern des Schließzylinders zu drehen und damit die Verriegelungsmechanik des Türschlosses zu bewegen, also das Schloss zu öffnen, benutzt man dann wieder den Spanner.


Neben dem Setzen ist auch die Verwendung eines Elektro-Picks möglich. Das Prinzip beruht hierbei auf dem Perkussionsprinzip bzw. dem sog. „Prellschuss-Effekt“. Man benötigt dazu einen Elektro-Pick, einen Tensionshaken und einen sog. „Flipper“. Der Elektro-Pick hat eine Stahlfederspitze (Stahlnadel), die von einem Elektromotor in Schwingungen versetzt wird. Die Frequenz beträgt rund 450 Takte pro Minute. Die Stahlnadel wird in den Schlüsselkanal eingeführt, wodurch die Sicherheits-Stifte in schwingende Auf- und Abbewegungen versetzt werden. Hierdurch erhalten dann alle Kernstifte gleichzeitig einen Impuls, den diese an die Gehäusestifte weitergeben, die nun in das Gehäuse geschleudert werden und die Kernstifte selbst für sehr kurze Zeit in freier Schwebe verweilen lassen. Diesen kurzen Moment, in dem das Schloss nicht verriegelt ist, weil zwischen Kern- und Gehäusestiften ein Spalt klafft, nützt man aus und öffnet es.


Eine weitere Überwindungsmöglichkeit ist die Schlagtechnik, die ebenfalls sehr einfach anzuwenden ist. Bei der Schlagtechnik macht man sich ebenso wie beim Elektro-Picking die Perkussionsmethode zu Nutze. Ein Schlagschlüssel ist ein spezieller Schlüssel(-rohling), im Englischen auch „Bump Key“ genannt, dessen Profil für das entsprechende Schloss grob passend und auf die tiefsten Stellen gefräst ist, so dass die Stifte im Schloss ein wenig heruntergedrückt werden. Der für den Schlosstyp passende Schlagschlüssel kann somit einfach in den Schlosseingang eingeführt werden. Wird nun mit dem Hammer leicht auf den Schlüssel geklopft, werden die Stifte durch das gleiche Prinzip wie bei einem Elektro-Picking bewegt und der Zylinder kann geschlossen werden.

 

3 Schutzmöglichkeiten und Ausblick


Die o.g. Ausführungen haben gezeigt, dass es mit entsprechenden Mitteln recht einfach ist, den Schließmechanismus eines gängigen Profilzylinders mit Gewalt oder durch den Einsatz intelligenter Öffnungstechniken zu überwinden. Ein 100-prozentiger Einbruchsschutz ist zwar nie zu gewährleisten, jedoch gibt es diverse Möglichkeiten, sich gegen einen derartigen Angriff zu wehren. Zudem kann eine fachgerechte Spurensuche und -sicherung einen großen Beitrag zur Aufklärung solcher Straftaten leisten.

3.1 Schutzmöglichkeiten gegen Überwindung

Grundsätzlich sollten bei Wohn- und Haustüren Profilzylinder von hoher Qualität verwendet werden. Je nach Schutzstandard sind die Komponenten so gewählt, dass die gängigen Überwindungsmöglichkeiten erschwert werden. Um das Nachschließen zu vermeiden, sollten grundsätzlich nur Zylinder mit einer Sicherungskarte verwendet werden, da nur mit dieser Karte entsprechende Nachschlüssel gefertigt werden können. Um das intelligente Öffnen zu erschweren bieten Schließzylinder der Sicherheitsstufe 2, neben den regulären fünf bis sechs senkrechten Gehäusestiften zusätzlich eine seitliche Abtastung für Schlüssel in Form von Fingerstiften. Das Setzen der Stifte allein reicht damit zur Überwindung nicht mehr aus. In Zylindern mit VdS-Zertifikat werden jeweils mehrere Stiftreihen mit bis zu neun innenliegenden Stiften eingebaut. Zudem werden die ersten Stifte aus gehärtetem Stahl gefertigt, was ein Aufbohren wesentlich erschwert. Aber auch schon die Verwendung der richtigen Beschläge kann den Schutz verbessern. Wenn die Beschläge so gewählt werden, dass der Kopf des Schließzylinders nicht herausragt, fehlt bereits ein „Hebelansatz“ für das Öffnen mittels Knickstab.

3.2 Kriminaltechnische Bedeutung der Spurensuche und -sicherung

Während ein gewaltsames Überwinden des Profilzylinders in der Regel mit einem einschlägigen Spurenbild einhergeht, ist es für den Geschädigten im Falle des intelligenten Öffnens oder des Nachschließens sehr wichtig, ein solches Vorgehen der Versicherung nachzuweisen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Originalschlüssel und nachgefertigte Schlüssel verschiedene Spurenbilder erzeugen, die nachgewiesen werden können; so weicht bspw. ein Nachschlüssel regelmäßig in Kleinigkeiten vom Originalschlüssel ab und hinterlässt entsprechende Spuren. Auch das mechanische Abtasten des Originalschlüssels in einer einfachen Schlüsselfräsmaschine führt zu typischen, nachweisbaren Spuren, sofern dieses nicht durch moderne Lasertechnik erfolgte. Beim schlichten Abformen können bspw. Reste der Abformmasse im Mikrobereich am Originalschlüssel haften bleiben und dort nachgewiesen werden. Auch das „Lock-Picking“ hinterlässt im Regelfall Spuren, denn die verwendeten Picks sind regelmäßig aus Metall. Wenn diese dann auf die Metallgehäusestifte im Zylinder treffen, sind zumindest Mikrospuren möglich. Bei entsprechenden Verdachtslagen sollte das Schloss daher immer vorsichtig ausgebaut und der kriminaltechnischen Untersuchungsstelle zugeleitet werden.

 

Anmerkungen

 

  1. Der Autor ist hauptamtlicher Dozent für die Studienfächer Verfassungsrecht/Eingriffsrecht, Kriminalistik und Kriminaltechnik im Fachbereich Polizei der FHVD Schleswig-Holstein.
  2. Polizei­liche Kriminal­statistik (PKS): https://bit.ly/3aIsMOm
  3. Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V., Forschungsbericht Nr. 124, 2014, S. 35

 

Weitere Informationen

 

Auf PolizeiDeinPartner.de stehen viele Artikel und weiterführende Angebote zum Thema mechanischer Einbruchschutz zur Verfügung. So finden Sie z.B. einen XXL Artikel Einbruchschutz-Intensiv, Informationen über Förderungen für Einbruchschutz Nachrüstung oder eine bundesweite Fachanbieter Suche, um Ihren Partner für Einbruchschutz vor Ort zu finden.

 

Seite: << zurück12