Kriminalitätsbekämpfung

Anhalte- und Sichtkontrollen

Schaulaufen oder ein wirksames Instrument zur Bekämpfung der Wohnungseinbruchskriminalität?

 

Von POR Jochen Drews, Pinneberg1

 

1 Einleitung

 

Der „Speckgürtel“ um die Hansestadt Hamburg im Süden Schleswig-Holsteins verzeichnet seit Jahren die landesweit höchsten Fallzahlen im Phänomenbereich Wohnungseinbruchsdiebstahl (WED). In 2018 wurden in den betroffenen Landkreisen Pinneberg, Segeberg, Stormarn und Herzogtum Lauenburg mit 45,8% fast die Hälfte der WED-Fallzahlen Schleswig-Holsteins in der PKS erfasst.2

Der örtliche Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Bad Segeberg umfasst die Landkreise Segeberg und Pinneberg. Diese Region grenzt unmittelbar an die Metropole Hamburg an. Mit 590.423 Einwohnern leben hier mehr als 20% der Einwohner Schleswig-Holsteins.3 Der Wohnungsbestand beträgt in beiden Landkreisen 283.810 Wohnungen, das entspricht einem Anteil am Landesbestand von etwas über 19%.4 Daneben gibt es eine gute Verkehrsanbindung an Hamburg für den Individualverkehr (Bundesautobahnen, Bundesstraßen) und auch durch den ÖPNV (U- und S-Bahnen, Buslinien). Begünstigt durch diese Tatgelegenheitsstruktur ist die Polizeidirektion Bad Segeberg von dem Kriminalitätsphänomen WED erheblich betroffen.

In der Entwicklung der WED-Fallzahlen ist landesweit eine abnehmende Tendenz erkennbar. Auch in der Polizeidirektion Bad Segeberg werden die hohen Fallzahlen aus 2015 und 2016 nicht mehr erreicht, im Landesvergleich ist die Behörde aber überproportional von dem Phänomen betroffen. So wurden in 2018 in ihrem Zuständigkeitsbereich 27,64 % der landesweiten WED-Fälle in der PKS erfasst. Bei der Betrachtung der Aufklärungsquoten lag sie stets unterhalb der Aufklärungsquote des Landes. In 2015 lag die Aufklärungsquote bei 7,4%, in 2016 bei 6,5%.5 In den Jahren 2017 und 2018 konnte die Aufklärungsquote auf 9,2% erhöht werden.

Die Zuständigkeit für die Kriminalitätsbekämpfung in der Polizeidirektion Bad Segeberg liegt bei der Kriminalinspektion. Diese ist in vier regional zuständige kriminalpolizeiliche Dienststellen gegliedert (Kriminalpolizeistellen). Es gibt zudem sieben regional zuständige Polizeireviere, die für die Wahrnehmung der Einsatzpräsenz in den Revierbereichen verantwortlich sind und zwei Verkehrsdienststellen mit der Zuständigkeit für die Einsatzpräsenz auf den Bundesautobahnen. Dem Behördenstab sind eine Diensthundestaffel, das Zivile Streifenkommando (Observationseinheit) sowie die Präventionslehrer zugeordnet.

Als Reaktion auf das Phänomen WED hat die Polizeidirektion Bad Segeberg ihr spezifisches Bekämpfungskonzept regelmäßig fortentwickelt.

 

 

2 Zentralisierung der Ermittlungen


Die Vorgangsbearbeitung in WED-Verfahren erfolgte bis 2017 dezentral in den vier Kriminalpolizeistellen, dort in den für Eigentumskriminalität zuständigen Sachgebieten. Eine deliktische Schwerpunktsetzung fand nicht statt, so dass die Durchführung von länger andauernden, komplexeren Verfahren mit umfangreichen Ermittlungsmethoden oftmals an den personellen Ressourcen der Dienststelle scheiterte. Das Erkennen von Tatzusammenhängen mit Taten außerhalb des eigenen örtlichen Zuständigkeitsbereiches war schwierig, es fehlte eine zentrale Ansprechstelle für Dienststellen außerhalb der Polizeidirektion.

2017 wurde bei der Kriminalpolizeistelle Pinneberg die „Soko Wohnung“ eingerichtet und die Sachbearbeitung der WED-Verfahren für den gesamten Behördenbereich dort zentralisiert. Neben den WED-Sachbearbeitern aus den Kriminalpolizeistellen wurden Beamte aus den örtlichen Polizeirevieren der Soko als Unterstützungskräfte zugeordnet. So war es möglich, eine ausreichend große Personalressource auch für umfangreichere Ermittlungsverfahren zu schaffen.

Nach Einrichtung der „Soko Wohnung“ konnte die Aufklärungsquote in 2017 auf 9,2% erhöht und dieses Niveau in 2018 gehalten werden. Auch die Anzahl der festgenommenen Personen (auf frischer Tat und durch Ermittlungen) konnte erhöht werden. Es war in einem größeren Umfang möglich, Tatverdächtigen Einzeltaten zuzuordnen, die im gesamten Direktionsbereich, direktionsübergreifend und auch länderübergreifend verteilt und nicht nur im örtlichen Zuständigkeitsbereich einer örtlichen Kriminalpolizeistelle verübt wurden.

Neben dem unmittelbaren Umgang mit den Tatverdächtigen ist die intensive Arbeitsbeziehung zur Staatsanwaltschaft (StA) prägend. Durch die reisenden, sehr mobilen Tätergruppierungen sind oftmals verschiedene Staatsanwaltschaften federführend. Zu den bereits im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Bad Segeberg unterschiedlichen Zuständigkeiten der StA Itzehoe (für den Kreis Pinneberg) und der StA Kiel (für den Kreis Segeberg) sind weiterhin fallabhängig auch die StA aus den Bundesländern Hamburg und Niedersachsen einzubeziehen, gleiches gilt für benachbarte Polizeibehörden. Die Zentralisierung der Ermittlungen in einer Einheit führte dazu, dass die Kommunikation zu StA und anderen Polizeibehörden schneller und effektiver wurde.

Aufgrund der positiven Effekte wurde die Soko Wohnung in 2019 als dauerhaftes Sachgebiet eingerichtet und in die Alltagsorganisation überführt.

 

3 Prävention


Die Polizeidirektion Bad Segeberg hat die Präventionsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Phänomen WED intensiviert. Es finden regelmäßig Präventionsveranstaltungen auf Messen, in Einkaufszentren und auf Wochenmärkten statt, auf denen über technische Sicherungen und Verhaltensweisen informiert wird. Außerdem werden durch sog. „Präventionsstreifen“ in Wohngebieten die Bürger gezielt auf Verhaltensweisen angesprochen, wie z.B. unverschlossene Fenster und Türen, Leitern und Werkzeuge in Griffnähe auf dem Grundstück, z.B. in unverschlossenen Schuppen. Die Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen ist schwer messbar. Ein Indiz könnte der Anteil der Versuchstaten sein, da durch die Verbesserung der technischen Sicherungen eines Hauses das Eindringen für Täter erschwert wird. Dieser Anteil hat sich von 40,6% in 2014 auf 44,7% in 2018 erhöht.6

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