„System Change not Climate Change“
Die Klimaschutzbewegung und der Linksextremismus
Von Dr. Udo Baron, Hannover1
1 Die Klimaschutzbewegung
Es ist der 20. September 2019. Weltweit demonstrieren Millionen Menschen am dritten globalen Klimastreiktag für den Klimaschutz. In mehr als 160 Staaten gehen Klimaschutzaktivisten in rund 2900 Städten, darunter in New York, London, Brüssel und Kapstadt auf die Straße. Anlass für die Kundgebungen ist der bevorstehende Klimagipfel der Vereinten Nationen in New York. In Deutschland ziehen allein in Berlin etwa 100.000 Menschen durch das Regierungsviertel, während zeitgleich die Bundesregierung ihr Maßnahmenpaket gegen den Klimawandel präsentiert. In Hamburg protestieren rund 70.000 Menschen, 40.000 sollen es in München sein. Möglicherweise sind es noch deutlich mehr. In Deutschland sprechen die Veranstalter am Abend von insgesamt 1,4 Millionen Demonstranten. Eine vor allem von Schülern und Studenten getragene Bewegung namens „Fridays for Future“ (FfF) hatte zu den Protesten aufgerufen.2
Der Klimaschutz ist ein Thema, das die Menschen zurzeit weltweit bis weit in die Mitte der Gesellschaft bewegt. Um der globalen Erderwärmung und ihren Folgen entgegenzuwirken, hat sich deshalb in den letzten Jahren eine international agierende Klimaschutzbewegung formiert. Ihr Ziel ist es, den Druck auf die Regierungen zu erhöhen, damit sie aus der Nutzung fossiler Brennstoffe aussteigen und dadurch der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase drastisch verringert werden kann. Mit zahlreichen Demonstrationen und Protestaktionen will vor allem die FfF-Bewegung dazu beitragen, dass die im Pariser Klimaschutzabkommen vom 12. Dezember 2015 getroffenen Vereinbarungen noch erreicht und die globale Erderwärmung auf deutlich unter Zwei-Grad gegenüber vorindustriellen Werten begrenzt werden kann.
Die Klimaproteste in Deutschland machen aber auch deutlich, dass nicht nur Demokraten, sondern auch Linksextremisten den Klimaschutz für sich entdeckt haben und versuchen, die Klimaschutzbewegung für ihre Interessen zu vereinnahmen. So mobilisieren neben demokratischen auch linksextremistische Parteien, Gruppierungen und Organisationen zur Teilnahme an den Klimaschutzprotesten. Wer aber sind die Akteure einer linksextremistischen Einflussnahme? Wer sind ihre Objekte? Mit welcher Strategie versuchen sie, Einfluss auf die Klimaschutzbewegung zu nehmen? Wie wirken sich diese Einflussversuche aus?
2 Linksextremistische Einflussversuche auf die Klimaschutzbewegung
Linksextremisten greifen gesellschaftlich relevante und auf breite Akzeptanz stoßende Themen wie den Antifaschismus oder den Antirassismus in der Erwartung auf, mit diesen bis in die Mitte der Gesellschaft anschlussfähig zu werden. Mit Hilfe ihrer Bündnis- und Kampagnenpolitik, die auf ein zeitlich und thematisch begrenztes Ziel ausgerichtet ist, versuchen sie auf Basis eines Minimalkonsenses taktische bzw. aktionsbezogene Bündnisse mit dem demokratischen Spektrum zu schließen, um dieses für ihre Interessen zu instrumentalisieren und über gemeinsame Aktionen zu radikalisieren.3
Der Klimaschutz ist vor dem Hintergrund der angestrebten Energiewende in Deutschland und der damit vorgesehenen Stilllegung von Kohlekraftwerken in den letzten Jahren zunehmend in das Blickfeld von Linksextremisten gerückt. Für sie ist der Umwelt- und Klimaschutz stets ein Themenfeld gewesen, welches sich unproblematisch mit ihrer antikapitalistischen Grundeinstellung in Einblick bringen lässt. Während nach linksextremistischer Auffassung der Kapitalismus auf der Ausbeutung der Arbeiterklasse basiert, stellen Umwelt und Klima in diesem Kontext letztlich eine Erweiterung dieser Ausbeutung dar. Vor allem die zunehmende politische und mediale Aufmerksamkeit, die die Klimaschutzbewegung erfährt, macht sie für die linksextremistische Szene attraktiv, gibt sie ihr doch die Möglichkeit, durch gemeinsame Aktionen von deren Popularität und Erfolgen zu profitieren.
3 Die Akteure der linksextremistischen Einflussversuche
Ein Blick in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zeigt, dass immer wieder demokratische Organisationen in den Fokus von Linksextremisten geraten sind. Vor allem die Friedens- und Umweltschutzbewegungen gehör(t)en dabei zu den Objekten linksextremistischer Begierde. Verschiedene linksex-tremistische Parteien und Gruppierungen versuchen bis heute, über eine ausgefeilte Bündnis- und Kampagnenpolitik Einfluss auf das demokratische Spektrum zu nehmen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass nunmehr auch die Klimaschutzbewegung auf das Interesse von Linksextremisten gestoßen ist.
3.1 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD)
1982 entstand aus dem maoistisch orientierten „Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands“ (KABD) im Rahmen einer weitgehenden Umstrukturierung die MLPD. Ideologisch orientiert an den Lehren von Marx, Engels, Stalin und Mao Tsetung, versteht sie sich als eine marxistisch-leninistische Partei maoistisch-stalinistischer Ausprägung.4 Um an das demokratische Spektrum anschlussfähig zu werden, greift sie aktuelle politisch-gesellschaftliche Themen auf und versucht sie für ihre Interessen zu instrumentalisieren. So führte sie seit 2003 sogenannte Montagsdemonstrationen gegen die Arbeitsmarktreformen der damaligen rot-grünen Bundesregierung durch. Zeitweise nahmen Tausende an diesen Protestveranstaltungen gegen die Agenda 2010 teil, zumeist ohne einen Bezug zur MLPD herzustellen. Das schnelle Ende der „Montagsdemonstrationen“ kam, nachdem ihr MLPD-Hintergrund nicht mehr zu leugnen war.5
In der letzten Zeit konzentriert sie sich vor allem auf den Umwelt- und Klimaschutz und versucht dadurch Anschluss an die Klimaschutzbewegung zu finden. Die Relevanz dieses Thema für die MLPD spiegelt sich dabei nicht nur in einem eigenen Kapitel dazu in ihrem Parteiprogramm wieder,6 sondern auch in einem von ihrem langjährigen Vorsitzenden Stefan Engel vorgelegten Buch zum Umwelt- und Klimaschutz.7 Mit Hilfe der im November 2014 gegründeten und von ihr beeinflussten Umweltgewerkschaft8 sucht sie zudem den „engen Schulterschluss zwischen Arbeiter- und Umweltbewegung im Kampf gegen die Hauptverursacher [der Klimakrise] in Konzernzentralen, Banken und Regierungen“.9
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