Kriminalität

Innere Sicherheit weiterdenken: Ausgrenzung, Hass und Gewalt

mit einem Bericht zur 65. Herbsttagung des BKA (Teil 2)


Von Prof. Ralph Berthel, Frankenberg/Sa.

 

Im ersten Teil des Aufsatzes wurde Hasskriminalität zunächst als kriminalwissenschaftliche Begriffskategorie dargestellt und in einem knappen Exkurs in die Signifikanz und Genese von menschlichem Hass aus psychologischer und soziologischer Sicht eingeführt. Zudem wurde Hasskriminalität im deutschen Strafrecht beschrieben. Der zweite Teil wird wesentliche Inhalte der 65. BKA-Herbsttagung1, die sich mit den Herausforderungen für den Rechtsstaat und insbesondere für die Sicherheitsbehörden, die aus Vorurteilskriminalität erwachsen, befasst hat, widerspiegeln. In der Einladung zur Herbsttagung kennzeichnete das BKA das Phänomen Hasskriminalität als Symptom sozialen Integrationsverlustes und warf zugleich Fragen nach den Ursachen für eine diagnostizierte tiefgreifende Spaltung der Gesellschaft, nach Faktoren, die das demokratische Miteinander gefährden bzw. fördern, auf. Diesen Fragen und der Relevanz des Phänomens für die Sicherheitsbehörden ging die Tagung nach.

 

1 Die innenpolitische Perspektive

 

… auf Hass, Hetze und vorurteilsgeleitete Kriminalität verdeutlichte der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Hans-Georg Engelke. Der Umgang mit Hasskriminalität sei, so hob er hervor, stets ein Ringen um einen angemessenen Ausgleich von Positionen. Die Komplexität beginne bereits damit, dass es beim Kampf gegen Ausgrenzung und Hass nicht nur Schwarz-Weiß gäbe, sondern viele Grauzonen. Es gehöre fraglos zu den schwierigsten Aufgaben des Staates, eine Balance zwischen Persönlichkeitsrechten und Meinungsäußerungsfreiheit, Ehrschutz und Pressefreiheit oder Diskriminierungsfreiheit und allgemeiner Handlungsfreiheit zu finden.


Ausführlich ging der Redner auf das am 30.10.2019 durch die Bundesregierung verabschiedete Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität ein. Neben der im Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu verankernden Meldepflicht für Telemedienanbieter gegenüber dem BKA, beinhaltet dieses Bündel von Maßnahmen u. a. auch den verbesserten Schutz von Lokalpolitikern und Angehörigen des medizinisches Personal von ärztlichen Notdiensten und in Notfallambulanzen vor Hassdelikten.2


Der Umfang und die Geschwindigkeit der Verbreitung von Hetze und Hass in der gespaltenen deutschen Gesellschaft stellten besondere Anforderungen an die Sicherheitsbehörden. Vor diesem Hintergrund erklärte der Redner, dass die Sicherheitsbehörden personell und materiell adäquat ausgestattet sein müssten. Er begrüßte es daher ausdrücklich, dass das Bundeskriminalamt, wie auch andere Sicherheitsbehörden sichtbar gestärkt aus den aktuellen Haushaltsverhandlungen hervorgegangen seien. Allein das BKA erhalte im Jahr 2020 über 800 neue Stellen und rund 65 Millionen Euro mehr als im Vorjahr.


Engelke hob weiter hervor, dass zu einer langfristigen Strategie gegen Hass und Gewalt neben dem sicherheitsbehördlichen Ansatz auch eine Weiterentwicklung der politischen Kultur, eine Heimatpolitik, die die Gesellschaft eine und nicht spalte, und nicht zuletzt politische Bildung gehörten.

 

2 Die Perspektive des BKA – Hasskriminalität – Herausforderungen für den Rechtsstaat und die Sicherheitsbehörden


Bereits im Rahmen seiner Begrüßung hatte BKA-Präsident Holger Münch darauf hingewiesen, dass rechtsmotivierte Straftaten seit Jahren über die Hälfte der politisch motivierten Delikte insgesamt ausmachten. Ein ähnliches Bild zeige sich bei den Gewaltstraftaten und den fremdenfeindlichen und antisemitischen Delikten, die ebenfalls überwiegend rechtsmotiviert seien. Deshalb konzentriere er sich in seinem Vortrag auf die politisch motivierte Kriminalität des rechten Spektrums.

2.1 Exkurs Lagebild

Die Fallzahlen der Hasskriminalität sind, so das Lagebild Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) des BKA für 2018 gegenüber dem Jahr 2017 leicht gestiegen.3 8.113 waren es in 2018 gegenüber 7.913 im Vorjahr. Den überwiegenden Anteil machten fremdenfeindliche Straftaten aus, die im Vergleich zum Vorjahr um 19,7% zugenommen hatten (2018: 7.701; 2017: 6.434). Antisemitische Straftaten waren um 19,6% gegenüber dem Jahr 2017 angestiegen (2018: 1.799; 2017: 1.504). Nach wie vor sind diese Delikte überwiegend dem Phänomenbereich PMK -rechts- zuzuordnen (89,1%). Darüber hinaus werden seit Januar 2017 Straftaten in den zusätzlich eingeführten Unterthemen „antiziganistisch“, „christenfeindlich“, „islamfeindlich“ und „sonstige ethnische Zugehörigkeit“ gesondert erfasst. Für das Jahr 2018 wurden insgesamt 121 christenfeindliche Straftaten erfasst (2017: 129). Ein großer Teil dieser Straftaten (47; entspricht 39% an allen christenfeindlichen Straftaten; 2017: 84) wurde dem Phänomenbereich PMK -religiöse Ideologie- zugeordnet, 42 Straftaten entfallen auf den Phänomenbereich PMK -rechts- (2017: 20). Im Jahr 2018 wurden insgesamt 910 Straftaten mit islamfeindlichem Hintergrund erfasst (2017: 1.075). 840 Straftaten davon entfielen auf den Phänomenbereich PMK -rechts-, was einen Anteil von 92,3% dieser Straftaten ausmacht (2017: 994). Im Unterthema „antiziganistisch“ wurden für das Jahr 2018 insgesamt 63 Straftaten gemeldet (2017: 41), davon entfielen 58 Straftaten auf den Bereich PMK -rechts- (2017: 39). 56 Straftaten richteten sich im Jahr 2018 gegen sonstige ethnische Zugehörigkeiten (2017: 31).


Bei Delikten, die sog. Hasspostings zugeordnet werden, ist 2018 interessanterweise ein statistischer Rückgang gegenüber dem Vorjahr festzustellen.

 



Hier sei ausdrücklich auf die Ausführungen von Thomas-Gabriel Rüdiger auf der Herbsttagung verwiesen, der den Ressourceneinsatz deutscher Polizeien im Bereich der Internetkriminalität kritisch betrachtet und die Entwicklung der entsprechenden Fallzahlen in diesem Kontext analysierte.

 


In seinen weiteren Ausführungen unterstrich der BKA-Präsident, dass die Bedrohung von rechts virulent sei und wachse und sie könne, das wisse man spätestens seit den Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), bis hin zur Bildung von terroristischen Gruppierungen innerhalb des rechten Spektrums reichen. Man stelle auch fest, dass es unverändert fremdenfeindliche, rassistische und antisemitische Einstellungen in unserer Gesellschaft gebe. Man verzeichne eine beispiellose Welle von Hasskriminalität, darunter auch Morddrohungen und Gewaltaufrufe gegen Politiker und andere Personen des öffentlichen Lebens. Diese Aussagen fanden sich auch im Redebeitrag des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Dr. Gerd Landsberg wieder, der einen dramatisch gesunkenen Ansehensverlust der Politik und ein „Politiker-Bashing“ sowohl auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene konstatierte.

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