Polizei

„Die spinnen, die Germanen!“

Die Auswirkungen des neuen Arbeitszeiterlasses auf die (Kriminal-)Polizei

 

Von PD Frank Ritter, Kiel1

 

1 Andere Länder, andere Ideen …

 

Kürzlich berichtete ein Kollege der Polizei Schleswig-Holstein von seinem Besuch bei der Verkehrspolizei in Las Vegas. Nicht nur die Teilnahme am Nachtdienst, sondern auch die Auskünfte des „US-Streifenpartners“ zur Arbeitszeit und zu Schichtmodellen bei der Polizei in Nevada waren für den Norddeutschen ein Erlebnis. Der State-Trooper erzählte ihm, dass die Diensteinteilung für sechs Monate im Voraus erfolge und dass sich die Polizisten entscheiden müssen, ob sie in dieser Zeit Früh-, Spät- oder Nachtdienst machen wollen. Ausschließlich Früh-, Spät- oder nur Nachtdienst wohlgemerkt! Überraschend für unseren schleswig-holsteinischen Kollegen war die Aussage, dass die meisten Las-Vegas-Officer in den Nachtdienst streben. Warum? Da ist in der Stadt am meisten los, es gibt Nacht-Zulagen und man habe viel Tagesfreizeit.2 Da sich immer mehr Polizisten für den Nachtdienst „bewerben“, als gebraucht werden, findet ein Auswahlverfahren statt. Erstes Kriterium: Die Qualität und Quantität der erbrachten Verkehrstätigkeiten. Zweites Kriterium: Die Ergebnisse der regelmäßigen Fitnesstests. Und drittens, man ahnt es schon, die Schießergebnisse.


Auf die Frage, warum man nicht regelmäßig zwischen Früh-, Spät- und Nachtdienst wechsle, so wie es z.B. bei der deutschen Polizei üblich sei, erntete unser Kollege ungläubige Blicke. Was solle denn bitte schön gut daran sein, seinen Bio-Rhythmus permanent variierenden Reizen auszusetzen? Wie sollten denn der Organismus und das soziale Umfeld bzw. die Familie damit zurechtkommen? Frei nach Asterix & Obelix wird der amerikanische Kollege wohl gedacht haben: „Die spinnen, die Römer (bzw. die Germanen)“. Und unser Kollege hat umgekehrt womöglich das Gleiche empfunden …


Nun, auf welchen medizinischen Grundlagen US-amerikanische Polizeidienstpläne fußen, ist nicht bekannt. In Europa allerdings, sind die wissenschaftlich belegten gesundheitlichen Gefahren durch häufige Nachtdienste und soziale Beeinträchtigungen die maßgebliche Basis für die Planung der Arbeitszeit und die Fortentwicklung von Schichtmodellen. Das fordern EU-Richtlinien ebenso wie nationales oder föderales Arbeitszeit- und Arbeitsschutzrecht in Deutschland völlig zu Recht.

 

2 Die Herausforderungen an eine moderne Polizeiarbeitswelt


Die Arbeitsprozesse in einer modernen Berufswelt müssen sich den gesellschaftlichen und demografischen Veränderungen beständig anpassen, um den Herausforderungen ihrer Zeit gewachsen zu sein. Dies gilt für das allgemeine Berufsleben ebenso wie für den öffentlichen Dienst bzw. die Landesverwaltungen mit ihrer Landespolizei. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Balance von Arbeit und Freizeit und die Gesundheitsprävention sind unverzichtbare Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen und lukrativen Arbeitgeber. Die Gestaltung der Arbeit in der Polizei hat dabei unmittelbare Auswirkungen auf die Attraktivität des Polizeiberufs und damit auch auf die mittel- bis langfristige Nachwuchssicherung. Zwar bieten die Länderpolizeien ihren Mitarbeitern3 vielfältige Betätigungsfelder und breite berufliche Entwicklungsmöglichkeiten, ein wesentlicher Aspekt der Polizeiarbeit ist und bleibt jedoch die Dienstleistung zu ungünstigen Zeiten – sei es in der Nacht, an Wochenenden oder an Feiertagen. Hier entstehen besondere gesundheitliche und soziale Belastungen, die zwar nicht vollständig aufgelöst, wohl aber vermindert werden können.


Die Vielfalt des Polizeiberufs und die Breite der Polizeiorganisation in den Ländern, einhergehend mit der Pluralität der Lebensentwürfe und Interessen ihrer Angehörigen, setzen bei der Dienstplangestaltung und dem dienstlichen Zusammenwirken ein hohes Maß an Kommunikationsbereitschaft und Kompromissfähigkeit voraus. Gesundheitsorientierte Arbeitszeitmodelle, Entlastungen für die besonders gesundheits- und sozial beeinträchtigenden Dienste sowie die Anerkennung für die Frauen und Männer, die sich diesen Anforderungen stellen, haben aus Sicht der Mitarbeiter heute eine andere Bedeutung, als noch vor Jahren oder Jahrzehnten.


Diese Erkenntnisse müssen in Leitlinien für den Arbeitszeiterlass einer modernen und zukunftsorientierten Landespolizei münden. Das alles klingt zwar logisch, für viele sogar banal, bedeutet bei der handwerklichen Umsetzung eines neuen Arbeitszeiterlasses aber ein zuweilen zähes Ringen um tragfähige Kompromisse. Abweichende, keinesfalls homogene Mitarbeiterinteressen sind mit den Organisationszielen und – nicht zu vergessen – dem gesetzlichen Auftrag in Einklang zu bringen. Zu glauben, dass hierbei am Ende hundertprozentige Zustimmung, oder gar Begeisterung erzielt werden könne, setzt ein hohes Maß an Optimismus, um nicht zu sagen Naivität, voraus.

 

3 Ein neuer Arbeitszeiterlass für die Polizei Schleswig-Holstein


Der in die Jahre gekommene Arbeitszeiterlass4 für die Landespolizei SH wurde durch Berufs- und Personalvertretungen aus gutem Grund kritisiert. Das Altwerk aus 2005 bot bei Weitem keine brauchbare Grundlage mehr für die Herausforderungen der Gegenwart oder der (näheren) Zukunft. Dass der neue Arbeitszeiterlass etwas länger auf sich warten lassen musste, lag hauptsächlich an den enormen Herausforderungen des täglichen Polizeidienstes und an der Komplexität der zu klärenden Details. Lange Zeit waren zahlreiche Facetten, die ein Arbeitszeiterlass regeln sollte, in der Diskussion bzw. noch nicht entscheidungsreif. Zu nennen sind beispielhaft die Verkürzung der Wochenarbeitszeit für belastende Polizeidienste, das Thema „Umziehen und Rüsten“, die Erfassung von Abwesenheiten im Zeiterfassungssystem, der kriminalpolizeiliche Bereitschaftsdienst oder aber die Frage nach angemessenen Mindestruhezeiten. Auch wenn schleswig-holsteinische Polizisten „dort arbeiten dürfen, wo andere Urlaub machen“ und auch wenn die Nordlichter laut statistischen Umfragen angeblich zu den glücklichsten Menschen in Deutschland zählen, waren manche Prozesse alles andere als einfach.


Exemplarisch werden in den folgenden Absätzen folgende Aspekte näher beleuchtet:

  • Die Verkürzung der Wochenarbeitszeit für besondere gesundheitliche Beanspruchungen
  • Die Bereitschaftsdienste der Kriminalpolizei
  • Der Beginn und das Ende der anzuerkennenden Arbeits- bzw. Dienstzeit
  • Das vor- und nachlaufende Erfassen von Umzieh- und Rüstzeiten
  • Die Mindestruhezeiten zwischen den Diensten


Abgerundet wird diese Betrachtung durch einen kurzen Blick auf weitere arbeitszeitrechtliche Belange – auf Teilzeitbeschäftigungen, die Verbindlichkeit des Dienstplans, die Gewährung garantierter Freizeitblöcke, den Abbau von Mehrarbeit sowie die Leitlinien für die Dienstplangestaltung und die zulässigen Schichtmodelle.

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