Recht und Justiz

Das neue Recht der Vermögensabschöpfung

Auswirkungen auf die tägliche Ermittlungsarbeit (Teil 3)

8.4 Vollzug der Sicherungsmaßnahmen

Beschlagnahme- und Arrestanordnungen müssen nicht sofort vollzogen werden. Sie sind nicht fristgebunden. Der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz freilich kann auch hier – nach den Umständen des Einzelfalls – Grenzen setzen. Zudem müssen die für die Vollziehung von Durchsuchungsbeschlüssen durch das Verfassungsrecht erfolgten Vorgaben17 dann zu beachten sein, wenn der Schutzbereich von Art. 13 GG betroffen ist, da Beschlagnahme- bzw. Arrestanordnungen nicht selten mit einer Durchsuchungsanordnung einhergehen (vgl. §§ 111b Abs. 2, 111e Abs. 5 StPO.
Die Art und Weise der Vollziehung einer Sicherungsmaßnahme richtet sich nach dem jeweiligen Tatertrag:
Deliktisch erlangte bewegliche Gegenstände sowie solche nach § 74 StGB werden beschlagnahmt und in amtlichen Gewahrsam genommen (notfalls mittels Siegel), § 111c StPO; es entsteht ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis, d.h. der Staat ist zum Besitz berechtigt und zugleich zur Verwaltung verpflichtet (hier: durch Rechtspfleger der Staatsanwaltschaft, § 111m StPO, § 31 Abs. 1 RPflG). Die Beschlagnahme von Grundstücken ist in § 111c Abs. 3 StPO geregelt; die Art und Weise der Beschlagnahme von Schiffen, Flugzeugen o.ä. in § 111c Abs. 4 StPO; Vermögensrechte werden gepfändet, § 111c Abs. 2 StPO. Der Beschlagnahme gleichgestellt ist ausdrücklich die Unbrauchbarmachung (vgl. § 74d Abs. 1 S. 2 StGB). Sofern Schriften beschlagnahmt werden, darf – wegen der presserechtlichen Relevanz – § 111q StPO nicht übersehen werden. Bei Führerscheinen gelten die §§ 111a, 94 Abs. 3 StPO.
Verweigert die betroffene Person z.B. die Herausgabe, kann die Anordnung erforderlichenfalls unter Anwendung von unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden. Wie z.B. bei der Blutprobe nach § 81a StPO ergibt sich auch hier die Befugnis unmittelbar aus der jeweiligen Eingriffsnorm, hier §§ 111b, 111e StPO.
Forderungen und andere Vermögensrechte werden durch Pfändung gesichert, sei es durch Beschlagnahme (§ 111c StPO) oder aber durch Vermögensarrest (hierzu: § 111f StPO, der danach unterscheidet, in welcher Vermögensgegenstand arrestiert wird. Hier gelten die Pfändungsgrenzen der §§ 904 ff. ZPO. Werden Forderungen gepfändet, muss der Drittschuldner informiert werden. Zu diesem Zweck kann auch die Polizei als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft mit der Zustellung gemäß § 37 Abs. 1 StPO beauftragt werden, § 111k Abs. 2 StPO.
Gesichterte Vermögenswerte sind auch nach der Reform wert-erhaltend zu verwahren (§ 111m StPO). Zudem muss die Maßnahme fortwährend auf ihre Verhältnismäßigkeit und das Fortbestehen des Tatverdachts hin überprüft werden. Droht rascher Wertverfall (Wertverlust, Verderb) oder stehen sonstige Umstände einer längeren Verwaltung entgegen (hohe Aufbewahrungskosten, Schwierigkeit bei der Aufbewahrung, z.B. bei lebenden Tieren), ist die Notveräußerung zu veranlassen, § 111p StPO.
Nach § 111l Abs. 1 StPO ist der Verletzte bereits im Ermittlungsverfahren über durchgeführte Sicherungsmaßnahmen in Kenntnis zu setzen (ggfs. durch Bundesanzeiger, § 111l Abs. 4 StPO). Bei eindeutiger Zuordnung des Erlangten (siehe § 111n Abs. 2 StPO) wird der Gegenstand (z.B. Diebesgut) umgehend wieder an den Berechtigten herausgegeben (zum Verfahren siehe § 111o StPO), sofern
der Gegenstand offensichtlich aus einer Straftat stammt,
dieser für das Strafverfahren nicht mehr benötigt wird und
Ansprüche Dritter nicht ersichtlich sind UND
es sich nicht um verbotene Gegenstände (z.B. Drogen, Falschgeld u.ä.) handelt.

Vor Herausgabe empfiehlt es sich dringend, alle von der Entscheidung möglicherweise betroffene Personen zuvor anzuhören, siehe § 111o Abs. 2 StPO; dies auch zur Feststellung der „Offenkundigkeit“ als Eingangsvoraussetzung einer vorzeitigen Herausgabe.

Merke:
In zweifelfreien Fällen (z.B. die aus einer Raubhandlung entwendete Handtasche der X wird noch in Tatortnähe aufgefunden) ist es der Polizei nicht verwehrt, auch eine Sicherstellung und Herausgabe nach Polizeirecht (hier z.B. § 22 Nr. 2 POG RP) zu veranlassen, „um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen“; zur Doppelfunktionalität polizeilicher Aufgaben siehe § 163 Abs. 1 S. 2 StPO.



Ist der Einziehungsadressat dringend auf den Sicherungsgegenstand angewiesen, kann er nach § 111d Abs. 2 bzw. § 111e Abs. 4 StPO die Beschlagnahme bzw. den Vermögensarrest durch Beibringung des Wertes als Sicherheitsleistung wieder aufheben. Der Geldbetrag wird dann anstelle der Sache Beschlagnahmegegenstand18.
Sind mehrere Verletztenansprüche aktenkundig und übersteigt der Wert der Ansprüche den Wert der sichergestellten Gegenstände bzw. Forderungen (sog. Mangelfall), stellt die Staatsanwaltschaft19 nach Vorgaben des § 111i Abs. 2 StPO bei dem zuständigen Insolvenzgericht einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

8.5 Wirkung der Sicherungsmaßnahmen

Die Vollziehung der Beschlagnahme bzw. die Arrestvollziehung haben die Wirkung eines (relativen) Veräußerungsverbotes i.S.d. § 136 BGB (§§ 111d Abs. 1, 111h Abs. 1 StPO). Zudem ist der nach § 111b StPO in Beschlag genommene Gegenstand insolvenzfest, anders bei dem Vermögensarrest (siehe § 111h Abs. 1 S. 2 StPO), wenngleich das staatsanwaltliche Arrestpfandrecht zumindest ein Vollstreckungsverbot bewirkt (d.h. nachrangige Vollstreckungsmaßnahmen sind – selbst wenn vom Verletzten veranlasst – unzulässig (§ 111l Abs. 2 StPO).
Entscheidend ist, dass in beiden Fällen der Adressat der Sicherungsmaßnahmen nicht mehr über den Gegenstand bzw. die Forderung verfügen kann (anders bei einer Sicherstellung/Beschlagnahme nach §§ 94 ff. StPO!). Diese sind nämlich unwirksam, wenn sie den staatlichen Einziehungsanspruch vereiteln bzw. erschweren (im Falle der Wertminderung); Ausnahme: Der Empfänger ist gutgläubig, d.h. er hat von dem Verfügungsverbot keine Kenntnis, § 135 Abs. 2 BGB, z.B. weil ein entsprechender Siegel fehlte (bei Verstrickungsbruch gilt § 136 StGB).

8.6 Zusammenfassung

In der Praxis hat die Reform zur Vermögensabschöpfung zur Folge, dass nicht nur das „erlangte Etwas“, bzw. dessen Wert, im Ermittlungsverfahren und späteren Hauptverfahren mitunter aufwändig zu ermitteln sein werden, sondern auch die vom Täter/Teilnehmer (u.U. nur angeblich) getätigten Aufwendungen. Um die Vollstreckung möglicher Einziehungsentscheidungen durch die hierfür funktionell zuständigen Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger zu erleichtern, müssen Staatsanwalt (und Polizei) nämlich nicht nur den Tatnachweis im Blick haben. Auch Ermittlungen zu möglichen Verletzten sowie eine jeweilige Schadenszuordnung sind vorzunehmen.
Im Vorfeld ist es mitunter notwendig, zur Verhinderung möglicher Verdunklungshandlungen vorläufige Sicherungsmaßnahmen zu treffen, wobei hier dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besondere Bedeutung zukommt. Die Einziehung nach §§ 73, 73b, 74 ff. StGB wird durch die Beschlagnahme, die Wertersatzeinziehung nach §§ 73c, d StGB und durch den Vermögensarrest gesichert. Anordnungs- und Vollzugshandlungen richten sich danach, in welche Vermögensgegenstände des Täters bzw. Dritten vollstreckt wird. Anders als §§ 73 ff. StGB räumen die flankierenden Vorschriften des Prozessrechts den Ermittlungsbehörden Ermessen ein.