Untreue
Die Tatbestandsalternativen des § 266 StGB
2.2 Missbrauchstatbestand (Abs. 1 Alt. 1)
2.2.1 Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis für fremdes Vermögen aufgrund Gesetzes, behördlichen Auftrags oder Rechtsgeschäfts
Es ist erforderlich, dass der Täter für fremdes Vermögen eine Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis innehat.63 Dem Täter muss also die Fähigkeit zukommen, eine Verfügung oder Verpflichtung für den Vermögensinhaber rechtswirksam vornehmen zu können.64 Der Inhaber einer Verfügungsbefugnis kann wirksam Verfügungsgeschäfte vornehmen, bspw. das Eigentum an einer Sache des Vermögensinhabers übertragen.65 Die Verpflichtungsbefugnis verleiht die Fähigkeit, einen anderen wirksam zu verpflichten, dessen Vermögen wirksam mit einer Verbindlichkeit zu belasten (bspw. der Abschluss eines Kauvertrags über eine Sache des Vermögensinhabers).66
Der Befugnisinhaberkönnte also – je nach Befugnis – das Eigentum an einem Auto des Vermögensinhabers übertragen oder einen Kaufvertrag schließen, an den dann der Vermögensinhaber gebunden wird. Die BefugnisiSv § 266 Abs. 1 StGB hat sich damit auf Vermögen zu beziehen, das nicht allein dem Täter zusteht, für diesen fremd ist.67 Ob die Verpflichtung oder die Verfügung wirksam sowie das Vermögen, auf das sich die Befugnis bezieht, fremd ist, bestimmt sich nach dem Bürgerlichen Recht.68Die o.g. Befugnisse kommen dem Inhaber zu, weil sie ihm kraft Gesetzes (bspw. die Eltern eines Kindes nach §§ 1626 ff. BGB) zustehen, aufgrund behördlichen Auftrags oder durch Rechtsgeschäft (bspw. die Erteilung einer Vollmacht nach §§ 164 ff. BGB, insbesondere die Prokura nach den §§ 48 ff. HGB) übertragen worden sind.69
2.2.2 Missbrauch dieser Befugnis
Tathandlung von Abs. 1 Alt. 1 ist das Missbrauchen der Befugnis.70 Der Begriff des Missbrauchs lässt sich zunächst in die Bestandteile „Gebrauch“ und „Missbräuchlichkeit“ – des Gebrauchs – aufteilen; der Gebrauch meint die Ausübung der mit der Befugnis einhergehenden Fähigkeiten.71
Ein Missbrauch der Befugnis liegt vor, wenn der Täter im Innenverhältnis (dh Täter zu Vermögensinhaber) gegen Pflichten verstößt, die er gegenüber dem Vermögensinhaber hat, er aber im Außenverhältnis (dh Vermögensinhaber zu Drittem) rechtswirksam72 ein Verpflichtungs- oder Verfügungsgeschäft vornimmt.73 Folglich ist Missbrauchen das Überschreiten des rechtlichen Dürfens im Rahmen des rechtlichen Könnens.74 Als Tathandlung des Missbrauchstatbestands (Abs. Alt. 1) kommt somit nur rechtsgeschäftliches Handeln in Betracht – rein tatsächliches Handeln, wie unordentliche Buchführung oder der Verbrauch einer anvertrauten Sache, kann aber grundsätzlich taugliche Tathandlung des Treuebruchstatbestands sein.75 Das Rechtsgeschäft muss im Außenverhältnis (zivilrechtlich) wirksam sein.76
Beispiel: T war Vertriebsleiter der Firma R, die Supermärkte belieferte. In dieser Funktion war T insbesondere für das Aushandeln und den Abschluss von Geschäften mit Großkunden der Firma R zuständig und bevollmächtigt, im Außenverhältnis wirksam Verträge abzuschließen. Im Innenverhältnis musste er die Vertragsangebote mit dem Geschäftsführer der Firma R abstimmen. T schloss mehrfach unter Missachtung der Vorgaben der Geschäftsleitung Kaufverträge mit zu geringen, unter dem Einkaufs- bzw. Herstellungspreis liegenden Verkaufspreisen ab.77
Die Pflichten im Innenverhältnis beruhen zumeist auf Vereinbarungen zwischen dem Täter und dem Vermögensinhaber (Grundverhältnis); sie ergeben sich bspw. aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis (§ 611 BGB) oder einem Auftrag (§ 662 BGB).78
2.2.3 Vermögensbetreuungspflicht des Täters (h.M.)
Es ist grundsätzlich umstritten, ob Voraussetzung des Missbrauchstatbestands das Bestehen einer sog. Vermögensbetreuungspflicht ist.79 Wie oben skizziert ist zu klären, ob der Halbsatz „und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt“ für beide Varianten des Abs. 1 gilt.80 Für die h.M.81 und damit dafür, dass sowohl der Missbrauchstatbestand als auch der Treuebruchstatbestand eine Vermögensbetreuungspflicht voraussetzen, sprechen insbesondere der Wortlaut der Norm und der Wille des Gesetzgebers:82 Einerseits gilt der besagte Halbsatz nach seiner Stellung im Satzgefüge für beide Tatbestände und setzt ausdrücklich die Vermögensbetreuungspflicht voraus. Andererseits soll in den Kreis der (möglichen) Täter nicht jeder Vertreter, sondern nur Personen aufgenommen werden, denen eine zentrale vermögensbezogene Stellung zukommt. Die Verleihung der Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis ist grundsätzlich ein starkes Indiz für das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht.83
2.2.4 Vermögensnachteil bei dem zu betreuenden Vermögen
Hinsichtlich des Vermögensnachteils siehe oben (2.1.4).
3 Subjektiver Tatbestand
§ 266 StGB ist als Vorsatzdelikt (§ 15 StGB) ausgestaltet, wobei Eventualvorsatz genügt.84 Gegenstand des Vorsatzes sind alle objektiven Tatbestandsmerkmale. In Abgrenzung zum Betrug (§ 263 StGB) und zur Erpressung (§ 253 StGB) ist es zur Erfüllung des Tatbestands nicht notwendig, dass der Täter mit der Absicht rechtswidriger Bereicherung handelt.85 Typischerweise handelt der Untreuetäter aber aus eigenem Streben nach Gewinn, sodass fehlender Eigennutz strafmildernd berücksichtigt werden kann.86
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