Recht und Justiz

Steuerverwaltung und Geldwäsche

Von Dr. Karsten Webel, LL.M. (Indiana), Hamburg

 

4 Strafprozessuale Folgewirkungen des Verdachts der Geldwäsche in Verfahren wegen des Verdachts einer Steuerhinterziehung


Die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs ist gem. § 100a StPO nur zulässig, wenn jemand verdächtig ist, Täter oder Teilnehmer einer der dort aufgezählten Taten zu sein. Hierzu zählt zwar nicht die einfache Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO, wohl aber seit 2008 gem. § 100a Abs. 2 Nr. 2 StPO der besonders schwere Fall der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO, der gewerbsmäßige, gewaltsame oder bandenmäßige Schmuggel nach § 373 AO und die Steuerhehlerei gem. § 374 Abs. 2 AO. Faktisch ist die Möglichkeit der Überwachung der Telekommunikation damit vor allem in Fällen des Bandenschmuggels und der Umsatzsteuerkarusselle gegeben. Da die gewerbsmäßige oder bandenmäßige Steuerhinterziehung eine geeignete Geldwäschevortat darstellt, ist im Einzelfall auch der Rückgriff auf den Verdacht der Geldwäsche gem. § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. m StPO denkbar. Folglich ist die Überwachung der Telekommunikation z.B. auch dann möglich, wenn jemand das „aus der Steuerhinterziehung“ erlangte Geld für einen anderen verwahrt und folglich nicht wegen der Beteiligung an der Vortat strafbar ist.31

Die Anordnung der akustischen Überwachung von Wohnräumen i.S.d. § 100c StPO ist in Steuerstrafverfahren nicht möglich, da keine Variante der §§ 370 ff. AO eine besonders schwere Tat i.S.d. § 100c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 100b Abs. 2 StPO darstellt. Eine akustische Überwachung von Wohnräumen ist hingegen beim Zusammentreffen mit einem besonders schweren Fall der Geldwäsche nach § 261 StGB möglich.

Folglich kann das Zusammentreffen einer Steuerhinterziehung mit einem Fall der Geldwäsche die zur Verfügung stehenden strafprozessualen Möglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden erweitern.


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Anmerkungen

 

  1. Dr. Karsten Webel, LL.M. (Indiana) ist Regierungsdirektor und stellvertretender Leiter des Finanzamtes Hamburg-Ost.
  2. Statt aller Alber, in HHSp, AO/FGO, 252. Lfg. 05.2019, § 30 AO Rz. 13 m.w.N.
  3. Die Verletzung des Steuergeheimnisses erfüllt den Tatbestand des §355 StGB, wenn sie vorsätzlich geschieht, und kann mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden. Daneben können auch disziplinarrechtliche Folgen eintreten (z.B. Verweis, Geldbuße, Kürzung der Bezüge oder Kürzung oder Wegfall des Ruhegehalts, Beförderungssperre, Zurückstufung oder Entfernung aus dem Beamtenverhältnis). Ist durch den Verstoß gegen §30 AO ein Schaden entstanden, kann der Steuerpflichtige ferner u.U. auch einen Schadensersatzanspruch gegen den Staat oder den Amtsträger gem. Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB oder gem. § 823 Abs. 2 BGB geltend machen.
  4. Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, 156. Lfg. 04.2019, § 30 AO Rz. 8 m.w.N.
  5. BFH v. 9.11.2002, VII B 123/02, BFH/NV 2003, 294.
  6. BFH v. 28.12.2006, VII B 44/03, BFH/NV 2007, 853; vgl. auch den Anwendungserlass zur AO (AEAO) zu § 30 Nr. 13.
  7. Klein/Rüsken, AO, 14. Aufl. 2018, § 30 Rz. 50; Kordt, in Schwarz/Pahlke, AO, § 30 AO Rz. 41, Stand: 7.10.2018.
  8. So auch Tormöhlen, in Gosch, AO/FGO, § 30 AO Rz. 51.1; Klein/Rüsken, AO, 14. Aufl. 2018, § 30 Rz. 50; Alber, in HHSp, AO/FGO, 252. Lfg. 05.2019, § 30 AO Rz. 101.
  9. Vgl. die Aufzählung im AEAO zu § 30 Nr. 7.
  10. AEAO zu § 31b AO Nr. 1.1 S. 2, BMF-Schreiben v. 31.1.2014, BStBl I 2014, 290, zuletzt geändert durch das BMF-Schreiben v. 24.1.2018, BStBl I 2018, 258; vgl. auch BT-Drs. 14/8017, S. 144 f.
  11. Kordt, in Schwarz/Pahlke, AO, § 31b AO Rz. 17, Stand: 7.10.2018.
  12. Alber, in HHSp, AO/FGO, 252. Lfg. 05.2019, § 31b AO Rz. 21; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, 156. Lfg. 04.2019, § 31b AO Rz. 5; Kordt, in Schwarz/Pahlke, AO, § 31b AO Rz. 44, Stand: 7.10.2018.
  13. Im Gegensatz z.B. zu §§ 31 Abs. 1 S. 2, 31a Abs. 2 S. 3 AO.
  14. Tormöhlen, in Gosch, AO/FGO, § 31b AO Rz. 35 und 41; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, 156. Lfg. 045.2019, § 31b AO Rz. 1a; Frank, StBp 12, 62.
  15. AEAO zu § 31b AO Nr. 1.1 S. 3, BMF-Schreiben v. 31.1.2014, BStBl I 2014, 290, zuletzt geändert durch das BMF-Schreiben vom 24.1.2018, BStBl I 2018, 258.
  16. AEAO zu § 31b AO Nr. 1.1 S. 2.
  17. BVerfG v. 6.9.2016, 2 BvR 890/16, StV 2017, 241 Rz. 34.
  18. Tormöhlen, in Gosch, AO/FGO, § 31b AO Rz. 33 und 35; differenzierend Alber, in HHSp, AO/FGO, 252. Lfg. 05.2019, § 31b AO Rz. 38 m.w.N.
  19. Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, 156. Lfg. 04.2019, § 31b AO Rz. 1b m.  w.  N.
  20. So auch Alber, in HHSp, AO/FGO, 252. Lfg. 05.2019, § 31b AO Rz. 37; Kordt, in Schwarz/Pahlke, AO, § 31b AO Rz. 4, Stand: 7.10.2018.
  21. Zutreffend ebenso die Praxis der Finanzverwaltung und Kordt, in Schwarz/Pahlke, AO, § 31b AO Rz. 41, Stand: 7.10.2018; a.A. Gesetzesbegründung zu § 42 GwG in BT-Drs. 18/11555, 156.
  22. 1 Zu den Tatbeständen des gewerbsmäßigen, gewaltsamen und bandenmäßigen Schmuggels sowie der Steuerhehlerei vgl. § 261 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB.
  23. 2 BGH v. 26.11.2009, 5 StR 91/09, NStZ-RR 2010, 146, 148 für die Gewinne aus einem Umsatzsteuerkarussell nach Bar-Abhebung und Wiedereinzahlung.
  24. BT-Drcks. 14/7471, 9; vgl. auch Vogelberg, PStR 2002, 243 f.
  25. AG Tiergarten v. 6.5.2013, 241 Js 757/12 (38/13), juris; Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 261 Rn. 8c; Wulf, wistra 2008, 328.
  26. Achenbach/Ransiek/Löwe-Krahl, Handbuch Wirtschaftsrecht 3. Aufl. 2012, 13/28; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 369 Rn. 222.
  27. Achenbach/Ransiek/Löwe-Krahl, Handbuch Wirtschaftsrecht 3. Aufl. 2012, 13/30; überaus kritisch auch Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 261 Rz. 8a ff., der in Rn. 8d feststellt, dass die Regelung in der Praxis weitgehend ignoriert werde.
  28. Zutreffend Bittmann, wistra 2003, 161, 168; Bittmann, wistra 2010, 125, 128 ff.
  29. BGH v. 30.10.1995, 5 StR 608/94, wistra 1995, 30.
  30. BGH v. 20.9.2000, 5 StR 252/00, NJW 2000, 3725.
  31. Vgl. BGH v. 26.2.2003, 5 StR 423/02, BGHSt 48, 240.
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