Recht und Justiz

Eingriffsbefugnisse für eine Präventive Gewinnabschöpfung

4.2 „Kritik an der Novelle des ASOG 2014 (§ 40 Abs. 4 – Einziehung)“20

„Hier soll – soweit erkennbar – erstmals im Polizeirecht das Instrument der Einziehung sichergestellter Gegenstände, insbesondere Bargeld, zugelassen werden“.21 Nicht selten wird diese Maßnahme als „präventive Gewinnabschöpfung“ bezeichnet. Verhindert werden soll insbesondere die Herausgabe von Bargeld im Kontext möglicher Straftaten durch den Handel mit illegalen Betäubungsmitteln.22

„Bemerkenswert ist hier, dass eine präventiv-polizeiliche Einziehung von Bargeld und anderen Sachen zulässig sein soll, obwohl ein Strafverfahren durchgeführt wurde und selbiges im Rahmen des repressiv-polizeilichen Rechts zurückgegeben werden musste.“ Es geht also darum, trotz des strafrechtlich „gescheiterten“ Nachweises einer rechtswidrigen Erlangung einer Sache (Bargeld), diese dennoch sicherzustellen und einzuziehen, weil aus der Sicht der Polizei weiterhin von einer rechtswidrigen Erlangung ausgegangen wird.

Ob eine präventiv-polizeiliche Sicherstellung von Bargeld aus möglichen Straftaten, für die ein Schuldnachweis qua Urteilsspruch gerade nicht vorliegt, überhaupt zulässig ist, „beschäftigt die Rechtsprechung seit einigen Jahren“. Soweit die Maßnahme als zulässig erachtet wird, wird dafür das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr der Begehung weiterer Straftaten mit diesem Bargeld gefordert.23 Die mit der Sicherstellung verbundenen verfassungsrechtlichen Fragen sind indes bislang nicht geklärt24 und der Gesetzgeber bewegt sich auf recht „unsicherem Terrain“.

Die zitierte Judikatur bezieht sich zudem regelmäßig nur auf eine (vorübergehende) Sicherstellung, nicht aber die endgültige präventiv-polizeiliche Einziehung von Bargeld, die einen erheblichen Eigentumseingriff darstellt. Es ist bedauerlich, dass hierauf in der Gesetzesbegründung nicht näher eingegangen wird.

Wollte man die Maßnahme dennoch für erforderlich und verfassungsrechtlich zulässig halten, müsste diese zumindest verfassungskonform ausgestaltet und auf die Sicherstellung von Bargeld im Sinne von § 38 Nr. 1 ASOG zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr beschränken. Eine Einziehung kommt hier grundsätzlich nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen der Gefahrenprognose entfallen können und das Bargeld dann zu restituieren ist.25

Diese kritische Stellungnahme hat die Ergänzung um die gefahrenabwehrende (präventiv-polizeiliche) Einziehung in das ASOG nicht verhindert.

5 Bewertung

In den meisten Bundesländern wird die Präventive Gewinnabschöpfung bereits auf der Grundlage der Polizeigesetze seit vielen Jahren praktiziert. Nachgezogen haben der Zollfahndungsdienst auf der Grundlage des § 32b ZFdG und die Bundespolizei auf der Grundlage des § 47 Nr. 1 BPolG. Auch das Bundeskriminalamt hat gemäß § 60 BKAG die rechtlichen Voraussetzungen für diese gefahrenabwehrende Eingriffsmaßnahme.

Es bleibt zu hoffen, dass die Sicherstellung von Forderungen (analog § 29a NPOG-E) und die gefahrenabwehrende Einziehung in ein einheitliches Polizeigesetz (Musterpolizeigesetz) für den Bund und die Bundesländer, das nicht nur m. E. aus vielen Gründen dringend erforderlich ist, einfließen26. Auch entsprechende Normen im ZFdG und im BKAG würden Sinn machen.

Anmerkungen

  1. KD a.D. Ernst Hunsicker war in seiner letzten Funktion Leiter des Zentralen Kriminaldienstes (ZKD) bei der Polizeiinspektion Osnabrück-Stadt und in Personalunion Stellvertretender Inspektionsleiter.
  2. Hunsicker, Präventive Gewinnabschöpfung (PräGe). Entscheidungssammlung in Volltexten, mit Leitsätzen, grundsätzlichen Aussagen/Feststellungen und thematischen Veröffentlichungshinweisen, 4., überarbeitete & erweiterte Auflage 2017 (Sammelband).
  3. Hunsicker, Präventive Sicherstellung durch den Zollfahndungsdienst, in: Kriminalistik 2017, S. 397 f.
  4. Sicherstellung von Forderungen – insbesondere von Buchgeld, Einziehung von Bargeld. Das Nds.SOG soll geändert werden und als Reformgesetz in der Überschrift folgende Fassung erhalten: „Niedersächsisches Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG)“, Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/850, 8.5.2018, Fraktion der SPD/Fraktion der CDU. Anmerkung: Laut Vorlage 32 des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes (Nds. Landtag, 26.10.2018) hat das Nds. Justizministerium mitgeteilt, dass die Regelung – also § 29a NPOG-E – gestrichen werden solle. Unter Hinweis auf meine Veröffentlichung „Strafrechtliche Vermögensabschöpfung und Präventive Gewinnabschöpfung“ (Kriminalistik 11/2018, S. 670 ff.) habe ich den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst, das Nds. Justizministerium, das Nds. Innenministerium und die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Nds., die die Schaffung dieser neuen Rechtsgrundlage unterstützt (vgl. EN 14), angeschrieben und um Prüfung gebeten, ob die Streichung des § 29a angezeigt ist bzw. die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Nds. um Intervention gebeten. Auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung (seit 1.7.2017 in Kraft) sind weiterhin Verfahren der Präventiven Gewinnabschöpfung möglich, sodass § 29a nicht gestrichen werden sollte.
  5. VG Braunschweig v. 7.9.2016, Az. 5 A 192/15 (Sicherstellung von Bargeld sowie einer Flugdrohne wegen islamistischer Gefahrenprognose – nicht rechtskräftig, Berufungsverfahren beim OVG Lüneburg, Az. 11 LA 229/16, anhängig).
  6. VG Stuttgart v. 17.8.2017, Az. 1 K 2294/17 (rechtskräftig).
  7. VG Stuttgart v. 17.8.2017, Az. 1 K 2294/17.
  8. § 48 BPolG (Verwahrung), § 49 BPolG (Verwertung, Vernichtung), § 50 BPolG (Herausgabe sichergestellter Sachen oder des Erlöses, Kosten).
  9. Niedersächsischer Landtag ? 17. Wahlperiode (Drucksache 17/7415, Fraktion der CDU, Hannover, den 21.2.2017).
  10. Hunsicker, Sicherstellung von Buchgeld von besonderer Bedeutung für die Präventive Gewinnabschöpfung, in: der kriminalist 12/2016, S. 32 f.
  11. Drucksache 18/850.
  12. OVG Lüneburg v. 7.3.2013, Az. 11 LB 438/10, juris Rn. 30; v. 25.6.2015, Az. 11 LB 34/14, juris Rn. 27.
  13. Drucksache 18/850, S. 49 ff.
  14. Schreiben an die Präsidentin des Niedersächsischen Landtages vom 10.8.2018, S. 2 f.
  15. Hunsicker, Verwertung, Einziehung, Vernichtung, in: Präventive Gewinnabschöpfung (PräGe) in Theorie und Praxis – Sicherstellung, Verwahrung und Verwertung von Gegenständen und (Bar-)Geld aus Gründen der Gefahrenabwehr in Kooperation von Polizei, Staatsanwaltschaft und Kommune (Osnabrücker Modell), 3. überarb. & erw. Auflage 2008, S. 61, und Hunsicker, Aktuelles zur Präventiven Gewinnabschöpfung – Anforderungen an die „gegenwärtige Gefahr“ und Plädoyer für eine bundesweit geltende präventiv-polizeiliche Einziehung, in: Kriminalistik 2015, S. 516 ff.
  16. OVG Berlin v. 16.9.2002, Az. 1 N 13.00, Rn. 5.
  17. Graulich, in: Bäcker/Denninger/Graulich, Handbuch des Polizeirechts (Lisken/Denninger), 6. Auflage 2018, Rn. E 647.
  18. Knape/Schönrock, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht für Berlin, 11. Auflage 2016, § 38, Anm. I A.
  19. Abgeordnetenhaus Berlin, Drucksache 17/1795 - 28.8.2014, Vorlage – zur Beschlussfassung –, Sechzehntes Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes, 1.11. zu § 40, S. 17 ff.; BVerfG v. 14.1.2004, Az. 2 BvR 564/95, Rn. 106.
  20. Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin i.d.F.v. 11.10.2006 (GVBl. S. 930), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 16. März 2018 (GVBl. S. 186, 381).
  21. Nicht korrekt, denn die Einziehung ist bereits Gegenstand mehrerer Gefahrenabwehrgesetze, und zwar: § 34 PolG BW, § 25 Abs. 4 BremPolG, § 14 Abs. 6 HmbSOG, § 64 Abs. 4 SOG M-V, § 28 SächsPolG und § 213 Abs. 4 LVwG SH.
  22. Vgl. Gesetzesbegründung, S. 18.
  23. Kritisch mit Blick auf die tatbestandliche Voraussetzung der gegenwärtigen Gefahr z.B. VG Gießen v. 9.10.2012, Az. 4 K 905/1 2.GI; VG Lüneburg v. 13.1.2011, Az. 6 A 143/09; s.a. OVG Bremen v. 8.10.2012, Az. OVG 1 B 102/12; v. 14.7.2014, Az. 1 PA 77/14, das eine deliktische Herkunft von Bargeld allein nicht als ausreichenden Anhaltspunkt für eine gegenwärtige Gefahr ansieht; für die Zulässigkeit OVG Lüneburg v. 7.3.2013, Az. 11 LB 438/10; VG Oldenburg v. 30.1.2008, Az. 2 A 969/07.
  24. Vgl. BVerfG v. 24.10.2011, Az. 1 BvR 732/11.
  25. Arzt, Stellungnahme Rechtsausschuss Berliner Abgeordnetenhaus am 3.12.2014: Novelle ASOG 2014, S. 12 f.
  26. So z.B. auch BKA-Präsident Münch im Interview mit der Frankfurter Rundschau (21.7. 2017), und der GdP-Bundesvorsitzende Malchow gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, in: ZEIT ONLINE: Debatte um Musterpolizeigesetz
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